Sozialpolitik

Nationale Armutskonferenz: Armut von Frauen in Deutschland nicht länger hinnehmen

Sowohl in jungen Jahren als auch im Alter sind Frauen deutlich stärker armutsgefährdet als Männer. Die Nationale Armutskonferenz fordert deshalb ein Recht auf eigenständige Existenzsicherung und gezielte Maßnahmen zur Beseitigung der Frauenarmut. Notwendig sei u.a. ein angemessener Familienlastenausgleich im Steuer-, Sozial- und Familienrecht.

16.10.2017

Job weg, Geld weg, Wohnung weg, Freunde weg - so beschreibt die Hamburgerin Almut Hische ihren „Sinkflug ins soziale Abseits“. Als alleinerziehende Mutter sitzt sie in der Armutsfalle - wie viele Frauen in Deutschland. Denn eines der größten Armutsrisiken in Deutschland ist, eine Frau zu sein. Die verschiedenen Aspekte der Armut von Frauen hat die Nationale Armutskonferenz jetzt in der Broschüre „Armutsrisiko Geschlecht. Armutslagen von Frauen in Deutschland“ zusammengefasst und gemeinsam mit dem Aufruf „Armut von Frauen in Deutschland nicht länger hinnehmen“ veröffentlicht. Anlass ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Armut am 17. Oktober.

Armutsgefährdung bei Frauen höher 

Sowohl in jungen Jahren als auch im Alter sind Frauen deutlich stärker armutsgefährdet als Männer. „Die Gründe dafür sind vielfältig: Frauen sind aktiv und engagiert. Sie kümmern sich um die Kinder, sie pflegen altgewordene Angehörige, sie wirken ehrenamtlich mit in der Kita oder Schule, im Sport oder in sozialen Initiativen. Sie bringen über die Hälfte mehr Zeit unentgeltlich in die Sorgearbeit ein als Männer (plus 52,4%). Als Dank ernten sie schlechte Rückkehrchancen in den Beruf, prekäre Arbeitsverhältnisse und deutlich geringere Renten“, erklärt Barbara Eschen, Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz.

Recht auf eigenständige Existenzsicherung 

Dr. Gisela Notz, Sozialwissenschaftlerin und Historikerin, kritisiert, dass sich das Recht auf eigenständige Existenzsicherung für Frauen in Deutschland, egal in welchen Zusammenhängen sie leben, noch nicht durchgesetzt habe. „Die Tatsache, dass Arbeitsmarkt-, Familien-, Wohnungsbau- und Sozialpolitik immer noch an einem Familienmodell orientiert sind, das einen Haupternährer und eine Zuverdienerin vorsieht, verdrängt Frauen aus dem regulären Arbeitsmarkt in prekäre oder unbezahlte Beschäftigungsverhältnisse.“

Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit

Sophie Schwab, stellvertretende Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, weist auf drei zentrale politische Forderungen hin: „Es gilt erstens den Gender-Pay- Gap zu schließen, das heißt mehr Vollzeitjobs für Frauen und gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Zweitens müssen Berufe, in denen vorwiegend Frauen tätig sind, wie im Einzelhandel oder im Sozial- bzw. Gesundheitswesens, dringend monetär aufgewertet werden. Und drittens darf die Sorgearbeit für Kinder oder zu pflegende Angehörige nicht länger die Ursache dafür sein, in Armut zu geraten.“

Dafür brauche es im Steuer-, Sozial- und Familienrecht einen angemessenen Familienlastenausgleich. Das Ehegattensplitting müsse durch eine Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Grundfreibetrag ersetzt und eine neue bedarfsdeckende einheitliche Geldleistung für alle Kinder geschaffen werden.

Die Broschüre <link https: www.nationale-armutskonferenz.de armut-von-frauen-in-deutschland-nicht-laenger-hinnehmen external-link-new-window zur broschüre mit aufruf und weiteren>"Armutsrisiko Geschlecht. Armutslagen von Frauen in Deutschland" steht gemeinsam mit dem Aufruf und weiteren Informationen auf der Webseite der Nationalen Armutskonferenz zur Verfügung. 

Quelle: Nationale Armutskonferenz vom 16. Oktober 2017

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