Sozialpolitik
Nationale Armutskonferenz: Armut stört!
Der Anteil der „working poor“ hat sich in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland verdoppelt und in den meisten Städten fehle es an bezahlbarem Wohnraum. Das wird zunehmend für Alleinerziehende, Studierende und andere einkommensarme Haushalte zum Problem, kritisiert die Nationale Armutskonferenz (nak) in ihrem Schattenbericht und fordert eine aktive Politik der Armutsbekämpfung.
17.10.2018
Zum Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut am 17. Oktober veröffentlicht die Nationale Armutskonferenz ihren dritten Schattenbericht zur Armut in Deutschland. Der Bericht gibt einen Überblick über den armutspolitischen Handlungsbedarf und lässt Betroffene zu Wort kommen.
„Armut in Deutschland hat eine menschenrechtliche Dimension. Sie zu bekämpfen ist keine Wohltätigkeit, sondern eine Verpflichtung“, betonte nak-Sprecherin Barbara Eschen: „Armutsbetroffene sind keine Bittsteller, sondern sie haben soziale Rechte“. Um Armut in Deutschland zu überwinden, benötige man daher eine aktive Politik der Armutsbekämpfung. Diese werde von der Bundesregierung jedoch weiterhin vernachlässigt. Eschen nahm hierbei Bezug auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte - kurz UN-Sozialpakt. Am Tag zuvor hatte der Sozialausschuss der Vereinten Nationen, der die Einhaltung dieser Rechte überwacht, seine Empfehlungen an die deutsche Bundesregierung veröffentlicht. Diese zeigten: „Es ist noch viel zu tun“.
Deutschland braucht aktive Armutsbekämpfung
Insbesondere in Hinblick auf die Bekämpfung von Erwerbsarmut sehe sie enormen Handlungsbedarf, erklärte Eschen. So sei für viele Menschen in Beschäftigung Armut dennoch bittere Realität - obwohl Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Deutschland boomen. In Deutschland hat sich die Erwerbsarmut in den letzten zehn Jahren verdoppelt: Zwischen 2004 und 2014 stieg der Anteil der „working poor“ an allen Erwerbstätigen auf 9,6%. „Prekäre Beschäftigung schafft Unsicherheit, führt in Altersarmut und behindert die Lebensplanung“, so Eschen.
Besonders problematisch seien Minijobs mit derzeit 7,5 Millionen Beschäftigten, ergänzte Erika Biehn, die seit 1991 als Betroffenenvertreterin in der nak aktiv ist. „Diese ermöglichen in der Regel keinen Einstieg in gute Arbeit, sondern sind berufliche Sackgassen mit mangelnden Perspektiven, niedrigen Einkommen und oftmals schlechten Arbeitsbedingungen. Insbesondere für Frauen“, so Biehn. Die Nationale Armutskonferenz fordere die Bundesregierung daher auf, „sich für gute Arbeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzusetzen, statt 'Arbeit um jeden Preis' zur Devise zu machen“.
Stärkung des sozialen Wohnungsbaus
„In den meisten deutschen Städten fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Und das nicht nur für wohnungslose Menschen, sondern zunehmend auch für einkommensarme Haushalte, Alleinerziehende, Studierende, Geflüchtete oder Seniorinnen und Senioren“, schilderte die stellvertretende nak-Sprecherin Werena Rosenke und verwies ebenfalls auf Forderungen des UN Sozialausschusses. Die Nationale Armutskonferenz fordert daher die auch Stärkung des Sozialen Wohnungsbaus sowie die realistische Ermittlung angemessener Wohnkosten in der Grundsicherung.
In ihrem Statement ging Barbara Eschen auch Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger ein: "Es ist äußerst fraglich, ob Sanktionen ein geeignetes Mittel sind, um Menschen 'fit für den Arbeitsmarkt' zu machen. Vor allem aber sollten wir uns bewusst machen: Das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard ist nicht verhaltensabhängig."
Gefordert sei vielmehr eine Neuorientierung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Beschäftigungspolitik sollte demnach auf Sanktionen und Druck verzichten und vielmehr die Motivation und Selbstbestimmung der Menschen unterstützen.
Notwendig seinen zudem höhere Regelsätze in der Grundsicherung und die weitere Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns.
Der Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz (PDF 1,8 MB) steht zum Download zur Verfügung. Weitere Informationen zu den Empfehlungen des Sozialausschuss der Vereinten Nationen an die deutsche Bundesregierung vom 16.10.2018 finden sich ebenfalls online.
Quelle: Nationale Armutskonferenz vom 17.10.2018
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