Sozialpolitik

Kinderarmut strukturell entgegenwirken: Familienleistungen reformieren und Teilhabe sicherstellen

In Niedersachsen beziehen über 190.000 Kinder Sozialleistungen nach dem SGB II. Anlässlich der Abstimmung über einen Entschließungsantrag gegen Kinderarmut im Niedersächsischen Landtag am 01.02.2017 betont Sozialministerin Cornelia Rundt einen deutlichen Handlungsbedarf.

14.02.2017

Rede der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt
Es gilt das gesprochene Wort.

"Wir beraten heute abschließend über den vorliegenden Entschließungsantrag gegen Kinderarmut.

In Niedersachsen ist jedes fünfte Kind von Armut gefährdet, über 190.000 Kinder beziehen Sozialleistungen nach dem SGB II. Bundesweit sind es sogar knapp zwei Millionen! Diese Zahlen sprechen für sich. Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf.
Seit unserer ersten Beratung im August sind wir zumindest an einer Stelle einen Schritt, wenn auch nur zu kleinen Teilen weiter gekommen. So sind zum 01. Januar dieses Jahres die Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche deutlich angehoben worden - im Bereich der Altersstufe bei Kindern zwischen dem Beginn des siebten und der Vollendung des 14. Lebensjahres beläuft sich diese Erhöhung auf 21 Euro.

Das ist aber noch keine Lösung der grundsätzlichen Fehlentwicklung im Bereich der Kinderarmut. Vor diesem Hintergrund haben wir gemeinsam mit den anderen Bundesländern gefordert, das Bildungs- und Teilhabepaket grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Dessen Leistungen sind zu gering bemessen und erfordern einen in keiner Weise vertretbaren bürokratischen Aufwand. Leider haben die Forderungen, wie beispielsweise die Streichung des Eigenanteils bei der Mittagsverpflegung und die Anhebung des Ansatzes beim Schulbedarfspaket, keinen Eingang in das Gesetz gefunden.

Ein weiterer Baustein zur Bekämpfung der Kinderarmut ist mit der Ausweitung des Unterhaltsvorschusses, auf die sich Bund und Länder nach zähen Verhandlungen geeinigt haben, gelungen. Die Aufhebung der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten war überfällig. Notwendig war es auch, die Kinder im Alter von 12 Jahren bis zum vollendeten 18. Lebensjahr in den Regelungen einzubeziehen. Aber auch diese erfreulichen Entwicklungen werden das Problem der Kinderarmut nicht lösen. Das Problem ist vielschichtig.

Wenn wir Kinderarmut langfristig und wirksam begegnen wollen, müssen wir über den Tellerrand blicken und einen Systemwechsel in Betracht ziehen. Der Lösungsansatz liegt aus meiner Sicht in der Einführung einer Kindergrundsicherung.

Ein solch tiefgreifender Systemwechsel mit Auswirkungen auf das Steuerrecht, das Zivilrecht im Bereich der Unterhaltsansprüche, sowie auf alle Sozialleistungen, in denen Einkommen des Kindes berücksichtigt wird, erfordert Abstimmungen mit vielen Beteiligten.

Wir brauchen Mut, überzeugende Strategien und einen langen Atem, um dieses Ziel zu erreichen. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Weg richtig ist.
Und die ersten Schritte sind wir bereits gegangen.

Gemeinsam mit dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge hat das Land Niedersachsen am 09. Dezember vergangenen Jahres in die Niedersächsische Landesvertretung zu einer Fachveranstaltung eingeladen, in der die aktuellen Befunde zu Armutsfolgen für Kinder und Jugendliche sowie neue Konzepte zur Verbesserung der finanziellen Unterstützung von Kindern und deren Familien diskutiert worden sind.

Des Weiteren hat Niedersachsen die Federführung bei einer länderoffenen Arbeitsgruppe zur Einführung einer Kindergrundsicherung übernommen, in deren Rahmen der Diskussionsprozess weiter fortgeführt werden soll. Die konstituierende Sitzung unter Einbeziehung externer Experten ist für Anfang April geplant.

Der vorliegende Antrag unterstützt unsere Arbeit an der Kindergrundsicherung. Ich lade Sie herzlich ein, dass wir diese Idee gemeinsam weiter verfolgen und Kinderarmut so wirksam bekämpfen.

Vielen Dank."

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 01.02.2017

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