Sozialpolitik

Gutachten: Hartz IV weiterhin verfassungswidrig

Das Anfang des Jahres im Vermittlungsausschuss gefundene Kompromissergebnis zu den Regelsätzen im SGB II und SGB XII bleibt hinter den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts deutlich zurück. Diesen Schluss legen zwei Gutachten nahe, die im Auftrag des DGB erstellt wurden.

05.09.2011

Als wesentliche Gründe für die Verfassungswidrigkeit der Hartz IV-Regelsätze nannte  DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach heute in Berlin die Nichtherausrechnung so genannter verdeckter Armer aus der maßgeblichen Referenzgruppe der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) sowie die Einbeziehung von erwerbstätigen Hartz IV-Aufstockern, wodurch Zirkelschlüsse
bei der Bestimmung des Existenzminimums entstünden. Hinzu kämen teils grobe handwerkliche Fehler des Gesetzgebers bei Abschlägen von einzelnen Verbrauchspositionen der EVS.

Darüber hinaus sei die im Rahmen der Gestaltung des Bildungspaketes ermittelte Teilhabepauschale in Höhe von zehn Euro pro Monat vom Gesetzgeber nicht ausreichend begründet worden. Das Bildungspaket entfalte aufgrund der Gutschein-Lösung nur dort Wirkung, wo grundsätzlich vor Ort auch tatsächlich Bildungs- und Teilhabeangebote zur Verfügung stünden. Wo dies nicht gewährleistet sei, insbesondere in strukturschwachen Regionen, bestehe nach der Systematik des Gesetzes auch kein Anspruch auf Leistungen, so Buntenbach. Erschwerend schlage die erfolgte Kürzung der Bildungsanteile im Regelsatz zu Buche.

Der DGB fordert den Gesetzgeber auf, die Regelbedarfe schnellstmöglich fehlerfrei zu ermitteln. "Es wäre ein Armutszeugnis, wenn erst erneut das Bundesverfassungsgericht eingreifen müsste. Unabhängig davon unterstützen wir über den DGB-Rechtsschutz Klagen betroffener Gewerkschaftsmitglieder. Mit ausgewählten Musterverfahren werden wir den erneuten Gang nach Karlsruhe vorbereiten“, so Buntenbach.

Der DGB forderte ein methodisch sauberes Verfahren der Regelbedarfsbestimmung. Dazu gehöre vor allem der Ausschluss der Aufstocker und der verdeckt Armen aus der Referenzgruppe der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) und eine Begrenzung der Abschläge auf Verbrauchspositionen.

Weiterhin solle eine unabhängige Expertenkommission die Überprüfung der EVS als Datengrundlage vornehmen.

Beim Bildungspaket erneuerte der DGB seine Forderung, primär in Bildungsinfrastruktur rund um Kitas und Schulen zu investieren, die dann allen Kindern, die darauf angewiesen sind, zur Verfügung stehen.

Weiterhin müsse die sechsmonatige Zeitverzögerung bei der Fortschreibung der Regelbedarfe verringert werden, um eine zügigere Inflationsanpassung zu erreichen.

Die Vorsitzende des Zukunftsforum Familie e.V., Christine Reckmann, forderte anlässlich der Vorstellung der DGB-Gutachen, dass die Leistungen des Bildungspakets kurzfristig in den Regelsatz für Kinder integriert werden, damit Eltern und Kinder gemäß ihrer individuellen Bedürfnisse über die Nutzung vorhandener Angebote entscheiden könnten. "Mittel- bis langfristig setzt sich das ZFF gemeinsam mit einem Bündnis aus Wohlfahrts- und Familienverbänden, Gewerkschaften und Wissenschaftler/innen für die Einführung einer Kindergrundsicherung in Höhe von 502 Euro für alle Kinder ein. Diese wäre ein großer Schritt in Richtung Teilhabegerechtigkeit für alle Kinder“, so Reckmann.

Quellen: Deutscher Gewerkschaftsbund / Zukunftsforum Familie e.V.

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