Sozialpolitik

Frankreichs Jugendarbeitslosigkeit: Studie rät zu Aktivierung nach deutschem Vorbild

Ein französisch-deutsches Expertengremium hat dem französischen Ministerpräsidenten Ayrault Empfehlungen zur Bekämpfung der alarmierend hohen Jugendarbeitslosigkeit überreicht. Im Zentrum der Expertenvorschläge stehen eine konsequente Umsetzung des Prinzips aus „Fördern und Fordern“ nach deutschem Vorbild sowie der rasche Aufbau einer dualen Ausbildung.

29.04.2013

In Frankreich sind derzeit rund 1,9 Millionen junge Menschen unter 30 Jahren weder in Beschäftigung noch in Ausbildung. Mit einer Jugendarbeitslosenquote von durchschnittlich 17 Prozent im vergangenen Jahrzehnt wird Frankreich innerhalb der EU nur noch von den südeuropäischen Krisenstaaten Italien, Spanien und Griechenland „übertroffen“. Die Perspektivlosigkeit dieser Jugendlichen nimmt dramatische Züge an: Jeder zweite von ihnen bemüht sich den Experten zufolge nicht einmal aktiv um einen Job. Klaus F. Zimmermann, IZA-Direktor und Mitglied im französisch-deutschen Expertengremium: „Diese Situation birgt enormen sozialen Sprengstoff. Der Gefahr einer ‚verlorenen Generation‘ muss dringend mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden.“

In ihrer Studie für den wirtschaftlichen Sachverständigenrat der Regierung („Conseil d’Analyse Economique“) benennen die drei Mitglieder des Expertengremiums – neben Klaus F. Zimmermann die renommierten französischen Ökonomen Pierre Cahuc (Ecole Polytechnique) und Stéphane Carcillo (University of Paris I - Panthéon Sorbonne) – die Ursachen für die besorgniserregende Jugendarbeitslosigkeit.

So ist der Anteil von Jugendlichen, die das Schulsystem ohne Abschluss verlassen, in Frankreich besonders hoch. Jedes Jahr sind dies etwa 150.000 junge Franzosen, also etwa jeder fünfte Schulabgänger. Ihre Gesamtzahl ist bereits auf 900.000 angestiegen. Eine weitere Ursache liegt in der starken Segmentierung des französischen Arbeitsmarktes, die vor allem jüngere Berufseinsteiger benachteiligt. Die Häufigkeit befristeter und atypischer Arbeitsverhältnisse war in den letzten Jahren bei Jugendlichen fünfmal höher als bei Erwachsenen. Auch der in Frankreich geltende Mindestlohn stellt dem Gutachten zufolge ein Hindernis für den Berufseinstieg von Jugendlichen dar.

Die Experten empfehlen deshalb kurzfristig eine konsequente Umsetzung des Prinzips aus „Fördern und Fordern“ nach deutschem Vorbild. Dies beinhaltet unter anderem ein Monitoring- und Betreuungsprogramm für Jugendliche ohne qualifizierten Abschluss und ein verbindliches System der Beratung und Betreuung von jugendlichen Arbeitsuchenden durch die Arbeitsagenturen. Daneben sollte die Einführung einer „Jugendgarantie“ erfolgen, die Jugendlichen bereits ab 18 Jahren eine Grundsicherung gewährt (bisher erst ab 25 Jahren), deren Auszahlung jedoch an Bedingungen wie etwa aktive Bemühungen um einen Job oder eine Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen geknüpft ist. Des Weiteren sollten bereits existierende Förderprogramme für die betriebliche Ausbildung von Jugendlichen ohne Schulabschluss intensiviert und die Mittel aus der Ausbildungsabgabe („taxe d’apprentissage“) in Höhe von zwei Milliarden Euro pro Jahr stärker auf diese Zielgruppe konzentriert werden. Ebenso empfiehlt das Gremium, die direkten Ausbildungshilfen für Arbeitgeber (etwa die Befreiung von Sozialabgaben und die Zahlung von Übernahmeprämien) stärker auf kleine und mittelständische Betriebe zu fokussieren.

Das Gremium spricht sich außerdem für einen Ausbau des Programms „Zweite Chance“ aus, das aus einem ganzjährigen gezielten Training individueller Fähigkeiten und der Sozialkompetenz besteht. Dieses Programm wird derzeit bereits in rund 70 Schulen des Landes angeboten. Trotz vergleichsweise hoher Kosten von etwa 10.000 Euro pro Jahr und Teilnehmenden beurteilen die Experten diese Initiative als geeignete Maßnahme, den am stärksten benachteiligten Jugendlichen eine Zukunftsperspektive zu eröffnen. Von Maßnahmen zur öffentlichen Beschäftigungsförderung ohne qualifizierende Elemente rät das Gutachten ab.

Die Experten empfehlen der französischen Regierung dagegen, mittelfristig ein duales Ausbildungssystem von Schulen und Betrieben einzuführen, das sich in Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz bestens bewährt hat. Klaus F. Zimmermann: „Die duale Ausbildung ist der beste Garant für eine erfolgreiche, weil am Unternehmensbedarf orientierte Arbeitsmarktintegration von Jugendlichen. Das deutsche duale System kann auch in Frankreich erfolgreich sein und sollte so rasch wie möglich eingeführt werden.“

Quelle: Institut zur Zukunft der Arbeit vom 24.04.2013

Redaktion: Kerstin Boller

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