Sozialpolitik

Caritas: Armutsspirale gewinnt an Dynamik

Werden die Sparvorschläge der Bundesregierung umgesetzt, gewinnt die Armutsspirale an Dynamik. Im Klartext heißt das: Arme Menschen werden noch stärker als bisher aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Davor warnt die Caritas in Baden-Württemberg.

02.07.2010

Vor genau einem Jahr hat die Caritas in Baden-Württemberg in ihrer, gemeinsam mit dem Diözesanrat der Diözese Rottenburg-Stuttgart veröffentlichten Studie zur Kinderarmut in Baden-Württemberg darauf aufmerksam gemacht, dass immer mehr Familien im Land von Armut betroffen sind und diese über Generationen hinweg vererbt wird. Wird das Elterngeld, wie jetzt von der Bundesregierung geplant, für Hartz-IV-Empfänger gestrichen, werden die Handlungsspielräume armer Familien und damit die Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Kindern noch stärker als bisher eingegrenzt. 

"Wir können nur bekräftigen, was wir schon vor einem Jahr gesagt haben: Für Kinder in armen Familien ist das Leben mit sechs Jahren gelaufen. Diese Tatsache erfährt durch die geplanten Kürzungen mehr Brisanz denn je", erklärt Johannes Böcker, Caritasdirektor der Diözese Rottenburg-Stuttgart. "Ein Ausstieg aus einem Leben in Armut wird für Alleinerziehende und arme Familien nahezu unmöglich", ergänzt der Freiburger Diözesan-Caritasdirektor Bernhard Appel. Wolle man Kinderarmut wirksam bekämpfen, brauchen Familien auch ausreichend finanzielle Unterstützung, betonen die beiden Caritasdirektoren: "Der Erfolg der staatlichen Leistungen liegt auf der Hand: Ohne diese wären in Deutschland etwa doppelt so viele Kinder armutsgefährdet. 

Die Caritas in Baden-Württemberg fordert die Politik dazu auf, die schleichende Umverteilung der Gelder von unten nach oben zu stoppen. So erhielt vor der Einführung des Elterngeldes am 1. Januar 2007 ein Elternteil, das ein Kind erzog und ganz oder teilweise auf Erwerbsarbeit verzichtete, 24 Monate lang das Bundeserziehungsgeld in Höhe von 300 Euro monatlich. War das Bundeserziehungsgeld noch als Anerkennung für die persönliche Betreuung des Kindes gedacht, soll das Elterngeld nun als Lohnersatzleistung umdefiniert werden. Dies drängt arme Familien völlig an den Rand. Dabei leisten sie durch den erhöhten Konsumbedarf, den eine Familie etwa beim Kauf von Windeln oder beim Stromverbrauch hat, einen beachtlichen Beitrag zum stabilen Inlandskonsum. "Familien bezahlen deutlich mehr Mehrwert- oder Mineralölsteuer als andere Bevölkerungsgruppen. Diese indirekte Steuer muss den Familien in irgendeiner Form wieder zufließen", so die Caritasdirektoren.

Die Bundesregierung habe zudem nicht im Blick, dass viele Bezieher des Arbeitslosengeld II als sogenannte "Aufstocker" erwerbstätig sind. Allein in Baden-Württemberg gehen rund ein Viertel der 341.000 erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher arbeiten. "Unterbrechen sie ihre Erwerbstätigkeit, um für ihr Neugeborenes zu sorgen, sind sie die einzigen Berufstätigen, die kein Elterngeld beziehen", so Appel. "Die geplante Streichung des Elterngeldes trifft arme Familien in der Phase des Familienaufbaus besonders hart", kritisiert Böcker. Dies gelte ganz besonders für alleinerziehende Frauen, wenn sie nicht auf familiäre Netzwerke zurückgreifen könnten.

Nach dem Eindruck der beiden Caritasdirektoren setze die Bundesregierung mit ihrem Sparpaket den Rotstift genau bei den Menschen an, "die schon lange keine Reserven mehr haben". Dies sei für die Caritas in Baden-Württemberg "völlig unakzeptabel" 

Laut Kinderarmutsstudie ist derzeit jedes 10. Kind in Baden-Württemberg akut armutsgefährdet. 

Quelle: Diözesan-Caritasverband Rottenburg-Stuttgart

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