Jugendsozialarbeit
BW: Fachaustausch zur Radikalisierungsprävention bei Jugendlichen
Bei einem landesweiten Fachaustausch haben Experten aus den Bereichen Schule, Innere Sicherheit und Demokratiebildung über Radikalisierungsprävention bei Jugendlichen diskutiert. Ziel des kooperativen Zusammenwirkens aller Akteure ist es, eine möglichst effektive Radikalisierungsprävention für Jugendliche weiter zu fördern.
14.12.2017
„Immer wieder stehen wir vor der Frage, wieso werden junge Menschen radikal? Warum wenden sie sich extremistischen Gruppierungen zu? Wir müssen gemeinsam, im Schulterschluss mit allen wichtigen Akteuren, Handlungs- und Entscheidungsoptionen anbieten und dafür sorgen, dass die rettende Hand ausgestreckt bleibt“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Baden-Württembergs, Thomas Strobl, anlässlich des Expertenforums im Innenministerium.
Radikalisierungsprävention bei Jugendlichen
Diesen wichtigen Fragen und den gemeinsamen Antworten widmete sich am 12. Dezember der Fachtag „Radikalisierungsprävention bei Jugendlichen“, der vom Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen Extremismus in Baden-Württemberg (KPEBW) im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration, vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg und vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg ausgerichtet wurde.
Mehr als 200 Experten aus dem ganzen Land konnten sich bei der Veranstaltung in mehreren Fachvorträgen informieren und an Diskussionen beteiligen.
Radikalisierung möglichst frühzeitig erkennen
In seinem Grußwort stellte der Landeskriminaldirektor der Polizei Baden-Württemberg, Klaus Ziwey, die realen Gefahren von Radikalisierung für die Rechts- und damit die Gesellschaftsordnung in den Vordergrund und hob die damit zusammenhängende Notwendigkeit von Präventionsarbeit deutlich hervor. „Jeden, den wir gegen Extremismus immunisieren, egal welcher Spielart und ideologischen Richtung, ist ein Gewinn. Und zudem eine Entlastung für unsere Sicherheitsbehörden. Mir ist dabei besonders wichtig, dass das KPEBW seine Aufgabe im engen Schulterschluss mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, dem Demokratiezentrum Baden-Württemberg und allen weiteren Partnern angeht“, betonte der Landeskriminaldirektor.
Seitens des Kultusministeriums wurde auf die Bedeutung von Radikalisierungsprävention für Schulen hingewiesen. Es gehe in der Schule darum, Prozesse der Radikalisierung möglichst frühzeitig zu erkennen, Hilfe und Orientierung zu geben oder zu vermitteln sowie auf Gefahren aufmerksam zu machen und diese zu vermeiden. Gezielte Fortbildungsangebote, wie dieser Fachtag, sowie weitere Angebote, wie die Publikation „Jugendliche im Fokus salafistischer Propaganda“ und das Extremismusportal des Kultusministeriums bieten den Schulen hierfür wichtige Unterstützung.
Jugendliche werden über vermeintlich einfache Antworten geködert
Professor Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan brachte in seinen Vortrag seine praktischen Erfahrungen ein, die er unter anderem aus seiner direkten Arbeit mit traumatisierten Menschen aus den Kriegsgebieten, wie Syrien und dem Irak, erworben hatte. Hierbei berichtete er in seiner Eigenschaft als medizinisch therapeutischer Leiter des Projekts der Landesregierung Baden-Württemberg „Sonderkontingent schutzbedürftiger Frauen und Kinder aus dem Nordirak“. Weiterhin ging es ihm um die Erfahrungen aus Interviews von Angehörigen der islamistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS), bei denen er Täter und Opfer gleichermaßen beriet. Auf besonderes Interesse stieß sein Bericht über die Beratung von zahlreichen Jugendlichen, die der Terrororganisation IS angehörten und gemeinsam mit ihren Familien mit dem Tod bedroht wurden, wenn sie die Organisation verlassen würden. Nach deren Ausstieg wurden diese ehemaligen „Kindersoldaten“ des sogenannten IS aufgrund ihres psychischen Zustandes durch Prof. Dr. Dr. Kizilhan weiterbetreut.
Asiye Sari-Turan, wissenschaftliche Referentin Landesbildungszentrum Deradikalisierung des KPEBW, stellte diese neue Einrichtung des Landes und die von nun an zielgruppenspezifisch ausgerichteten Weiterbildungsangebote für Fachkräfte, wie beispielsweise Polizeibeamte oder Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, vor.
Aaron Kunze vom Landesamt für Verfassungsschutz informierte über die Anziehungskraft des Salafismus für Jugendliche. Hierbei wies er besonders auf die perfide Strategie hin, Jugendliche, die sich gerade in einer Sinnkrise befinden, über vermeintlich einfache Antworten zu ködern. Weiterhin zeigte er die Bedeutung sozialer Medien auf und ging dabei beispielsweise auf geschilderte Narrative mit extremem Inhalt ein, die gepostet werden, um bei Jugendlichen Interesse zu wecken, gelikt und weiterverbreitet zu werden.
Mit dem Präventionsprojekt „ACHTUNG?!“ des Polizeipräsidiums Ludwigsburg stellte Polizeihauptkommissarin Andrea Glück einen aktuellen Ansatz der Sekundärprävention vor, der eine große Vielschichtigkeit an Vermittlungsansätzen in einem Projekt vereint. Mit einer Kombination aus Theaterpädagogik, Diskussionsrunden für Schülerinnen und Schüler, Ausstellungen und Elternabenden wirkt dieses Projekt bereits seit zwei Jahren an Schulen in den Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen extremistischen Bestrebungen wirksam entgegen.
Radikalisierungsprävention für Jugendliche weiter fördern
Der Fachtag unterstrich zusätzlich auch die Bedeutung des kooperativen Zusammenwirkens aller Akteure, sich mit ihrer jeweiligen Fachkompetenz am Diskurs um innovative Ansätze zu beteiligen und die Notwendigkeit Ressourcen und Wissen zu bündeln, um das gemeinsame Ziel einer möglichst effektiven Radikalisierungsprävention für Jugendliche weiter zu fördern.
Weiterführende Informationen zum Thema Extremismusprävention sind auf dem Landesbildungsserver Baden-Württemberg zu finden.
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Quelle: Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg vom 12.12.2017
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