Jugendpolitik

Vertauschte Welten – Politische Bildungsarbeit im Innovationsfonds

„ENE MENE MUH ... und raus bist DU!“ lautet der Name des interaktiven Lernspiels zu den Themen Flucht und Asyl in Deutschland, welches das Innovationsfondsprojekt „Weltentausch“ für den Einsatz im Bereich der politischen Bildung entwickelt hat. „Weltentausch“ ist ein Innovationsfonds-Projekt im Handlungsfeld Politische Bildung, angesiedelt beim Friedenskreis Halle e.V.

29.10.2018

Was genau sind die Inhalte und Bausteine eines interaktiven Lernspiels, welches den Spielerinnen und Spielern einen „Weltentausch“ ermöglicht, indem sie die Rolle und Perspektive einer Person im Asylsystem einnehmen, um mehr über ihre Lebenswirklichkeiten zu erfahren? Diese Frage beschäftigte die Projekteilnehmerinnen und Projektteilnehmer von 16 bis 27 Jahren, mit und ohne Fluchterfahrung, in der ersten Projektphase. In Form von Workshops und mit dem Einsatz von erlebnis- und theaterpädagogischen Mitteln wurde sich kreativ mit den Themen Flucht und Asyl, auch in Verbindung mit gesetzlichen Bestimmungen innerhalb Deutschlands, auseinandergesetzt – kritisch wurde ganz besonders der Alltag von Asylsuchenden reflektiert. Ein gemeinsames Arbeiten auf Augenhöhe und eine Auseinandersetzung mit eigenen Privilegien und Vorurteilen waren hierbei sehr zentral für die Gruppe.

Mit Hilfe von erfahrenen Spieldesignerinnen und Spieldesignern ging es der Projektgruppe im nächsten Schritt, um die Entwicklung des Planspiels, konkret um die Sammlung von Themen, Festlegung von ersten Stationen und das Füllen mit Inhalten, die Reflektion von Spielzugängen und nicht zuletzt um die Gestaltung . Hierbei brachten die jungen Geflüchteten ihre Erfahrungen aus ihrem Alltagsleben in Deutschland ein und schilderten auftretende Probleme.

Stationen im Leben eines Geflüchteten

Nach intensiver Arbeit war es dann soweit: das Projektteam präsentierte feierlich, glücklich und voller Stolz am 20. August 2018 das finale interaktive Lernspiel „ENE MENE MUH … und raus bist DU!“ im Stadthaus in Halle. Für die Gäste der Veranstaltung gab es nach der Vorstellung des Spiels die einmalige Gelegenheit, die Rolle einer von acht möglichen Spielfiguren anzunehmen, wobei das Herkunftsland, die Fluchtgründe nach Deutschland und die Biografien völlig verschieden angelegt sind. Die Spielteilnehmerinnen und Spielteilnehmer durchlaufen in ihrer Rolle als geflüchtete Person verschiedene Stationen, wie z. B. „Flucht“, „Grenze“, „Erstaufnahmeeinrichtung“ und „Asylbewerberunterkunft“, wobei sich schnell herausstellt, dass der Alltag in Deutschland stark von Behördengängen und der Abwicklung von organisatorischen Vorgängen geprägt ist, was besonders in der ersten Zeit aufgrund fehlender Sprachkenntnisse eine große Hürde darstellt. Die letzte Station des Planspiels ist die „Anhörung“. Hier wird darüber entschieden, ob den Personen in ihrer Rolle auf bestimmte oder unbestimmte Zeit Asyl in Deutschland gewährt wird oder die Abschiebung droht.

Die Entscheidung über die Zukunft kann die verschiedensten Emotionen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auslösen. Deshalb ist es wichtig, dass sie nicht sich selbst überlassen bleiben. Es ist geplant, das Spiel zukünftig im Rahmen von politischer Bildungsarbeit schulisch und außerschulisch in Form von Workshops durch geschulte Teamerinnen und Teamer durchzuführen, vor- und nachzubereiten. Daher werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer professionell begleitet.

Interaktives Lernspiel für die Jugendbildung

Die Zielgruppe für die Workshops sind Schülerinnen und Schüler ab der 9. Klasse, in Schulen oder anderen Einrichtungen, denen das Alltagsleben von Asylsuchenden veranschaulicht werden soll. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erleben, wie stark das Leben im Asylsystem von Willkür, Angst und zermürbendem Warten geprägt ist. Dadurch sollen die Unterschiede zwischen der eigenen Lebenswelt und dem Alltag von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern nachvollziehbar und erfahrbar gemacht werden. Teamerinnen und Teamer mit eigenen Fluchterfahrungen, die vorab in einer mehrmoduligen Schulung im Rahmen des Projekts ausgebildet wurden, vermitteln im Workshop eigene Erfahrungen der Flucht, ihres Alltags und über den Ablauf des Asylverfahrens. Nachdem die Gäste der Veranstaltung das interaktive Lernspiel getestet haben, wurde durchgängig positives Feedback an das Projektteam von „Weltentausch“ weitergegeben, das nun engagiert in die neue Projektphase startet.

Nun gilt es in den kommenden Monaten das Spiel im Kontext von politischer Bildungsarbeit in der Praxis zu erproben. Dies beinhaltet zum einen die Ausbildung junger Menschen mit und ohne Fluchthintergrund zu Teamerinnen und Teamern, welche dann die Workshops professionell leiten. Zum anderen werden derzeit parallel im Raum Sachsen/ Sachsen-Anhalt die verschiedensten Einrichtungen angefragt, ob diese die Workshops in Kombination mit dem Planspiel aktiv für die politische Bildung einsetzen möchten. In der letzten Projektphase soll das Spiel auch bundesweit verbreitet werden. Interessierte Organisationen und Institutionen können sich hierzu gerne an den Friedenskreis Halle e.V., Ansprechpartnerin Frau Julia Wenger, E-Mail: julia.wenger@friedenskreis-halle.de, wenden.

Hintergrund zu den Innovationsfondsprojekten

Für den Zeitraum von 2017 bis 2019 fördert das Bundesjugendministerium derzeit 38 Projekte mit dem Innovationsfonds. Die Projekte sind Teil der Jugendstrategie des Bundesjugendministeriums. Jedes einzelne Projekt, zuzuordnen zu einem von fünf Handlungsfeldern, trägt praxisbezogen und innovativ zur Stärkung der Eigenständigen Jugendpolitik bei. Das Projekt "Eigenständige Jugendpolitik im Innovationsfonds" übernimmt die handlungsfeldübergreifende Begleitung der Innovationsfondsprojekte und wird aus den Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes gefördert. Träger des Projektes „Eigenständige Jugendpolitik im Innovationsfonds“ ist die  Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ.

Die derzeit 38 Projekte agieren in fünf Handlungsfeldern, die da sind: 1.) Internationale Jugendarbeit, 2.) Jugendverbandsarbeit, 3.) Jugendsozialarbeit, 4.) Kulturelle Bildung und 5.) Politische Bildung. Im Handlungsfeld Politische Bildung wird sich schwerpunktmäßig mit den Themen Flucht, Migration, Heimat und Religion auseinandergesetzt. Fachlich begleitet werden diese neun Projekte von der Transferstelle politische Bildung, ein Fachbereich von Transfer für Bildung e. V. 

Den vollständigen Artikel mit dem Titel „Das Handlungsfeld Politische Bildung im Innovationsfonds am Beispiel eines interaktiven Lernspiels zu Flucht und Asyl in Deutschland“, indem auch näher das Handlungsfeld Politische Bildung beschrieben ist, können Sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift FORUM Jugendhilfe, Heft 3/2018 nachlesen. 

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Redaktion: Antonia Dautz

Back to Top