Jugendpolitik

UNICEF-Umfrage: Kinder in Deutschland wollen mehr mitreden – werden aber nicht gefragt

Kinder und Jugendliche in Deutschland wünschen sich mehr Möglichkeiten, an Entscheidungen in ihrer Schule oder ihren Städten und Gemeinden beteiligt zu werden, die sie betreffen. Dies ist das zentrale Ergebnis der UNICEF-Umfrage „My place, my rights – Jetzt rede ich!“. Von Mai bis September 2019 haben deutschlandweit über 12.000 Mädchen und Jungen detailliert darüber Auskunft gegeben, wie sie ihre Rechte umgesetzt sehen.

14.11.2019

Die nicht-repräsentative Umfrage hat UNICEF anlässlich des 30. Geburtstag der UN-Konvention über die Rechte des Kindes am 20. November gestartet. Sie dokumentiert den großen Wunsch von Mädchen und Jungen in Deutschland nach mehr Beteiligungsmöglichkeiten in ihrem direkten Lebensumfeld.

Die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse ist der Auftakt einer ganzen Reihe von Veranstaltungen zum Tag der Kinderrechte. Am 18. November stellt UNICEF seinen Bericht „Für jedes Kind – Kinderrechte am Scheideweg?“ vor. Am 20. November wird das „Kids Takeover“ zum 30. Geburtstag der Kinderrechte in Schloss Bellevue veranstaltet. Und rund um den 2. November finden auf Initiative von UNICEF bundesweit weitere „Kids Takeover“ in über 60 Städten und Gemeinden statt.

Quelle: UNICEF

Mädchen und Jungen haben sehr genaue Vorstellungen

„Die außerordentliche Resonanz auf die UNICEF-Umfrage zeigt, dass Mädchen und Jungen in Deutschland sehr genaue Vorstellungen über die Gestaltung ihres Lebensumfeldes haben“, sagt Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland. „Sie setzen sich mit ihrer Lebenswelt auseinander und haben für uns Erwachsene oft überraschende Einsichten. Entscheidungen werden besser, wenn wir auf Kinder und Jugendliche hören, weil sie andere Dinge sehen – und viele Dinge anders sehen.“

Zentrale Ergebnisse der UNICEF-Kinderrechte-Umfrage

Mitreden und gehört werden am Wohnort: 52 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen brachten zum Ausdruck, dass sie bei politischen Entscheidungen mitreden möchten. Nur 22 Prozent der Teilnehmenden haben jedoch das Gefühl, dass sie auch die Möglichkeit dazu bekommen. 67 Prozent würden sich vor allem gerne an der Gestaltung von Freizeitangeboten beteiligen. Die Spiel-, Sport- und Freizeitangebote ihrer Städte und Gemeinden benoten die Mädchen und Jungen insgesamt mit der Schulnote 3 (befriedigend). Insbesondere die Sauberkeit der Spiel- und Sportplätze müsste ihrer Meinung nach verbessert werden.

Mitreden und gehört werden in der Schule: 61 Prozent der teilnehmenden Mädchen und Jungen wollen in ihrer Schule gerne mehr mitbestimmen. Doch bislang können die meisten Schülerinnen und Schüler lediglich ihren Klassensprecher bestimmen (76 Prozent). Nur 13 Prozent sagen, dass sie Einfluss auf die Unterrichtsinhalte haben. Auch bei der Zusammenstellung des Essensangebots, zum Beispiel in der Mensa, kann nach eigenen Angaben lediglich jeder zehnte Einfluss darauf nehmen, was auf den Teller kommt.

Schutz vor Gewalt in der Schule: 17 Prozent der Kinder und Jugendlichen antworten auf die Frage, ob sie sich an ihrer Schule sicher vor Gewalt fühlen mit „Nein“ und weitere 15 Prozent mit „Weiß nicht“. Lediglich 68 Prozent bejahen diese Frage. Gleichzeitig stellt die Umfrage heraus, dass die Präsenz einer Vertrauensperson an der Schule dazu führt, dass sich Kinder und Jugendliche sicher fühlen.

Mobbing in der Schule: 30 Prozent aller befragten Kinder und Jugendlichen sagen, dass sie schon einmal in der Schule oder auf dem Schulweg gemobbt wurden. Insbesondere Jugendliche im Alter zwischen 16 und 17 Jahren machen diese Erfahrung. Wenn es eine Vertrauenslehrerin oder einen Vertrauenslehrer an der Schule gibt, fühlen sich Kinder und Jugendliche stärker respektiert.

Wenn Kinder und Jugendliche Schulleiter oder Bürgermeister wären: Mädchen und Jungen fordern konkrete Veränderungen in der Schule und ihrer Gemeinde. In offenen Antworten haben sie formuliert, was sie als Entscheidungsträger verändern würden, zum Beispiel:

„Das Schulsystem auf jeden Fall. Viele Jugendliche sind ständig traurig und gestresst wegen der Schule und das muss man ändern. Das Schulsystem funktioniert quasi gleich seit Jahrzehnten und es entwickelt sich nicht.“

„Autofreie Stadt und mehr Radwege. Außerdem würde ich gerne Baseball spielen, doch das gibt es leider nicht in meiner Gegend.“

„Da aktuell viele Grünflächen in der Stadt bebaut werden, möchte ich dafür sorgen, dass dies in Zukunft nicht geschieht und die noch freien Grünflächen als Park-, Spiel- oder Sportanlagen genutzt werden können.“

Kinder als Experten in eigener Sache

Unterstützt wurde die Umfrage durch das große Netzwerk der 150 ehrenamtlichen UNICEF-Gruppen sowie hunderter Schulen, die die Umfrage in ihren Städten und Gemeinden bekannt machten und durchführten. Ziel war es, Kinder als Experten in eigener Sache zu Wort kommen zu lassen und zu hören, was ihnen in ihrer Stadt, ihrem Dorf oder ihrer Schule gefällt und wo sie konkret Veränderungsbedarf sehen. Sie wurden dabei unter anderem gefragt wie sie die Verwirklichung ihrer Rechte auf Mitbestimmung, Spiel- und Freizeit sowie Schutz vor Gewalt einschätzen.

Von dem Interesse und Mitsprache-Wunsch der Kinder und Jugendlichen können Städte und Gemeinden profitieren. Die Ergebnisse der Umfrage können einen Dialog auf kommunaler Ebene starten, in dem Ideen für eine gemeinsame und praktische Gestaltung kinder- und jugendfreundlicher Städte entwickelt werden.

Die ausführlichen Umfrageergebnisse „My place, my rights – Jetzt rede ich!“ (PDF 1,5 MB) stehen bei UNICEF zur Verfügung. Dort findet sich auch eine Zusammenfassung der Ergebnisse (PDF. 713 KB).

UN-Konvention über Rechte des Kindes

Am 20. November 1989 verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Die Konvention garantiert allen Kindern das Recht auf Überleben, Entwicklung und Schutz sowie darauf, ernst genommen und beteiligt zu werden. Die Kinderrechte haben in den vergangenen Jahrzehnten weltweit geholfen, das Leben von Kindern zu verbessern. Insbesondere Artikel 12 garantiert, dass Kinder das Recht haben, ihre eigene Meinung mitzuteilen und Erwachsene sie ernst nehmen müssen.

Quelle: Deutsches Komitee für UNICEF e.V. vom 13.11.2019

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