Jugendpolitik
Psychologische Erklärungsversuche für den Erfolg der Piratenpartei
Authentisch, unfertig und auf der Suche wie große Teile der jungen Generation - so umschreibt die Vorsitzende der Sektion Politische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. den von der Piratenpartei ausgehenden Charme.
08.05.2012
Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein hat die Piratenpartei erneut den Sprung über die 5-Prozent-Hürde geschafft. Warum sie trotz erheblicher Irritationen durch rechte Kräfte in ihren Reihen und einer nach wie vor fehlenden Programmatik mehr als acht Prozent der Wählerstimmen gewinnen konnte, beschäftigt Journalisten, Politologen und natürlich jene Parteien, die Stimmen an die Piraten verloren haben. Es beschäftigt alle, die auf ein rot-grünes Bündnis links der CDU gehofft hatten und nun feststellen mussten, dass die neu zusammengesetzte Parteienlandschaft Bündnissen aus zwei Parteien kaum mehr zu einer Regierungsmehrheit verhilft, außer bei einer großen Koalition.
Politische Psychologen erklären die Anziehungskraft der Piratenpartei, vor allem auf junge männliche Wähler, unter anderem damit, dass ihre in den Medien agierenden Vertreter mehrheitlich jung sind, nicht dem Typ des karriereorientierten Politikers entsprechen und ihrer jungen Wählerschaft ähnlich erscheinen. Dr. Constanze Beierlein, Vorsitzende der Sektion Politische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) verweist auf Forschungsergebnisse ihres Fachs, die den Zusammenhang zwischen Ähnlichkeit und Sympathie bestätigen. „Ein Teil der Wähler ist einfach fasziniert von dem Politikstil der Piraten, der so deutlich von dem der Kollegen aus den etablierten Parteien abweicht. Dass sie Wissenslücken zugeben, wirkt authentischer als das reflexartige Abspulen von Positionen, wie Wähler es von anderen Parteien kennen“, so Beierlein.
Ein weiterer Grund sei die tatsächliche Identifikation mit den Positionen der Piraten zu Freiheit und Transparenz im Internet. Wie lange dieses Alleinstellungsmerkmal noch funktionieren werde, sei jedoch eine offene Frage. Irgendwann erwarteten Wähler auch von den Piraten Aussagen zu anderen innen- und außenpolitischen, wirtschafts- und sozialpolitischen Themen der Gegenwart.
Constanze Beierlein macht aber noch auf einen weiteren organisationspsychologischen Aspekt des Erfolgs der jungen Partei aufmerksam. „Solange sich Strukturen noch entwickeln, strömen neue Mitglieder in die Partei, denn sie sehen dort Gestaltungsspielräume, wo in anderen Parteien längst Positionen festgeschrieben und Strukturen verkrustet sind.“ In dieser frühen Phase der Organisationsentwicklung hätten Mitglieder den Eindruck, die Partei noch aktiv formen zu können. Ihre Meinung und Mitwirkung erlebten sie als bedeutsam, während sich Mitglieder anderer Parteien in der Regel in eine fertige Organisation einfügten.
Psychologisch interessant nennt die Vertreterin des BDP auch den öffentlich sichtbaren Meinungsbildungsprozess bei der Piratenpartei. Dieser gebe Wählern, die seit längerem Positionsunterschiede zwischen den großen Parteien vermissen und nach Alternativen Ausschau halten, das Gefühl einer aufrichtigen Suche nach neuen Antworten. Die Piraten seien das Gegenstück zu der in der Finanz- und Eurokrise wiederholt gebrauchten Phrase von der Alternativlosigkeit. Die Wähler hätten es satt, mit dem Attribut „alternativlos“ versehene Lösungsangebote der großen Parteien serviert zu bekommen, die sich jeweils kurze Zeit darauf durch neue angeblich wieder alternativlose Vorschläge selbst ad absurdum führten und die Krise nicht beseitigten.
Quelle: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.
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