Jugendpolitik

Kinderarmut: Stagnation auf hohem Niveau

Die Kinderkommission des Bundestages veröffentlicht eine Stellungnahme zur Kinderarmut in Deutschland. Die Stellungnahme umfasst einen umfangreichen Forderungskatalog. Für eine gleichberechtigte Teilhabe fordert die Kinderkommission auch den Ausbau von Angeboten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit.

14.03.2017

Die Kinderkommission hat sich unter Vorsitz von Norbert Müller (DIE LINKE.) schwerpunktmäßig mit dem Thema Kinderarmut in Deutschland befasst und sich hierzu im Rahmen von fünf öffentlichen Expertengesprächen die Expertise von Sachverständigen eingeholt. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse haben zu einem umfassenden Forderungskatalog geführt, den die Kinderkommission in ihrer <link http: www.bundestag.de blob c66c37d42ba37444019e0db142d6877f stellungnahme_kinderarmut-data.pdf external-link-new-window der>Stellungnahme veröffentlicht. 

Im Einzelnen empfiehlt die Kinderkommission: 

  1. Zur Bekämpfung von Kinderarmut und ihren Folgen ist eine umfassende, langfristig angelegte Strategie notwendig, die sowohl infrastrukturelle Elemente als auch Geldleistungen umfasst. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, der Bekämpfung von Kinderarmut mehr Priorität einzuräumen und in Zusammenarbeit mit Verbänden und Wissenschaft eine umfassende Strategie gegen Kinderarmut zu entwickeln und mit entsprechenden Maßnahmen zu untersetzen, die die besonderen Problemlagen von Alleinerziehenden, kinderreichen Familien, Familien mit Migrationshintergrund sowie regionale Unterschiede berücksichtigt.
  2. Als wichtigen Bestandteil der Bekämpfung von Kinderarmut sieht die Kinderkommission die Bekämpfung der Einkommensarmut der Eltern an. Die Kinderkommission fordert daher die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, damit Arbeit gut bezahlt wird und Familien vor Armut geschützt sind.
  3. Die Höhe der monetären Sozialleistungen muss sicherstellen, dass Kinder und ihre Familien nicht arm sind. Sie müssen so ausgestaltet sein, dass Teilhabe und Entfaltung von Kindern gewährleistet sind und sie vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt sind. Sie müssen so gefasst sein, dass die Bedarfe von Kindern, die sich nach Lebensform, familiärer Situation, Wohnort, Alter und Förderungsbedarf unterscheiden, gedeckt sind.
  4. Die Berechnung der Höhe der Kinderregelsätze muss sich am soziokulturellen Existenzminimum orientieren. Wiederkehrende Bedarfe für eine gesunde Ernährung, Kleidung, Bildung sowie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Teilnahme an kulturellen Angeboten müssen einbezogen werden. Einmalige Bedarfe, wie die Anschaffung von Haushaltsgeräten, Kinderfahrrädern oder auch einmalige Bedarfe in der Bildung, wie Klassenfahrten, gehören aus Sicht der Kinderkommission nicht in den Regelsatz. Sie müssen unbürokratisch als einmalige Bedarfe anerkannt und gewährt werden. Sonderbedarfe für Kinder mit Behinderung müssen übernommen werden, sofern sie nicht durch andere Leistungssysteme gedeckt sind.
  5. Um zu verhindern, dass weiterhin sozial- und familienpolitische Leistungen durch Leistungsberechtigte nicht in Anspruch genommen werden, müssen Leistungsberechtigte verstärkt über ihre Rechte aufgeklärt werden und Leistungen transparent, stigmatisierungsfrei und unbürokratisch ausgestaltet werden. Die unterschiedlichen Antrags- und Verrechnungsregelungen für Leistungen müssen vereinfacht werden. Langfristig sollte hierzu eine Stelle geschaffen werden, die für die Auszahlung aller Leistungen für Kinder zuständig ist, um so den Zugang zu den Leistungen zu vereinfachen.
  6. Kinder dürfen nicht von Sanktionen gegen die Eltern getroffen werden. Daher spricht sich die Kinderkommission für die Streichung von Sanktionen im SGB II aus.
  7. Kinder und Jugendliche müssen die Möglichkeit erhalten, an sportlichen Aktivitäten, an Angeboten musischer Bildung und Jugenderholungsmaßnahmen unabhängig von ihrer finanziellen und sozialen Situation teilzunehmen. Solche Angebote sind daher genauso auszubauen wie Angebote und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit.
  8. Bildung, auch frühkindliche, darf nicht vom sozialen Status von Kindern und Jugendlichen abhängen. Zu prüfen ist, inwiefern zukünftig dieser Anspruch in allen Bundesländern etwa durch beitragsfreie Kindertageseinrichtungen erfüllt werden kann. Angebote frühkindlicher Bildung und Betreuung sind weiter zu stärken. Insbesondere ist dabei die Sprachförderung in den Blick zu nehmen. Selektionsprozesse in der schulischen Bildung müssen vermindert werden. Zu prüfen sind hier insbesondere Modelle des längeren gemeinsamen Lernens aller Kinder.
  9. Angebote der sozialen Infrastruktur, wie der öffentliche Personennahverkehr, kommunale Einrichtungen, Sporteinrichtungen, Bibliotheken und Mediatheken, Kin-der- und Jugendzentren, Musikschulen, Museen und andere kulturelle oder Erholungseinrichtungen sollten so gestaltet werden, dass sie für Kinder und Jugendliche finanzierbar, barrierefrei und niedrigschwellig nutzbar sind.
  10. Im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sollte es zukünftig ein eigenes Kapitel zur Kinderarmut geben.

Quelle: Deutscher Bundestag vom 14.03.2017

 

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