Jugendpolitik

„Keine Minderjährigen in der Bundeswehr!“ – Bündnis kritisiert Rekrutierung zum Girls'Day

Anlässlich des Girls'Day hat ein neues Bündnis von 13 Friedens-, Kinderrechts-, Bildungs- und kirchliche Organisationen die Werbung der Streitkräfte bei Schülerinnen für den Beruf der Soldatin und die Rekrutierung Minderjähriger in Deutschland scharf kritisiert. Zudem ist die Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr!“ gestartet.

28.03.2019

Unter Überschriften wie „in Tag als Soldatin“ oder „Attraktive Uniformen“ werben über 100 Einrichtungen der Bundeswehr für mehr als 3.600 Angebote zum bundesweiten Tag der Berufsorientierung für Mädchen ab der fünften Klasse. 2018 hat die Bundeswehr 1.679 minderjährige Soldaten eingestellt, darunter 313 Mädchen. Dagegen protestiert die am 27. März gestartete Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr!“, in der sich 13 Friedens-, Kinderrechts-, Bildungs- und kirchliche Organisationen zusammengeschlossen haben.

Verharmlosung der Auswirkungen

„Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere. Das muss bei der Berufsorientierung junger Mädchen rüberkommen“, unterstrich Ilka Hoffmann, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für Schule. „Bereits 15-jährige Mädchen werden für einen Beruf umworben, der viele Risiken mit sich bringt von Traumatisierungen bis hin zum Tod«, sagte Hoffmann. Mögliche persönliche Folgen würden bei diesen Angeboten ebenso verharmlost wie die verheerenden Auswirkungen von Kriegen für die Zivilbevölkerung. „Diese Desinformation junger Menschen muss beendet werden. Das Vorgehen lehnen wir aus politischen, pädagogischen und kinderrechtlichen Gründen ab“, betonte die GEW-Schulexpertin.

Eine Armee ist kein Platz für Kinder und Jugendiche

„Jedes Jahr kommt es bei der Bundeswehr zu schweren Rechtsverstößen und Kinderrechtsverletzungen“, sagte Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte beim Kinderhilfswerk terre des hommes. „So waren in den Jahren 2017 und 2018 minderjährige oder gerade volljährig gewordene Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr von sexualisierten Ritualen, sexueller Belästigung und Vergewaltigung betroffen. Bei Bundeswehrübungen kam es zudem zu schweren Verletzungen und Todesfällen von Soldatinnen und Soldaten. Das zeigt: Eine Armee ist kein Platz für Kinder und Jugendiche! Wir fordern die Bundesregierung auf, die Rekrutierung von minderjährigen Soldatinnen und Soldaten sofort einzustellen, die militärische Werbung bei Schülerinnen und Schülern zu beenden und die Kinderrechte zu schützen und einzuhalten.“

Zunehmende Zahl Minderjähriger beim Militär

Auch die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) monierte die Praxis der Rekrutierung Minderjähriger. „Es ist skandalös, dass die deutsche Armee seit 2011 11.500 Minderjährige an der Waffe ausgebildet hat“, stellte Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK, fest. Etwa ein Fünftel der jungen Menschen seien in den letzten beiden Jahren Mädchen gewesen. „Die zunehmende Zahl Minderjähriger beim Militär ist Folge der massiven Werbung in Schulen, Arbeitsagenturen, auf Messen, im Internet und im Rahmen von Angeboten der Berufsorientierung wie dem Girls‘ Day. Dieser Militarisierung öffentlicher Räume wollen wir Einhalt gebieten“, so Glaßer.

Unnötig und nicht zeitgemäß

„Die Praxis der Rekrutierung Minderjähriger ist unnötig und nicht zeitgemäß“, sagte Philipp Ingenleuf für das Netzwerk Friedenskooperative, das ebenfalls zu den Mitgründern des Bündnisses gehört. Deutschland gehöre zu einer kleinen Minderheit von UN-Staaten, die Minderjährige immer noch für das Militär rekrutieren. „Damit steht die Bundesregierung in Widerspruch zu ihrem Schutzauftrag gegenüber Minderjährigen und macht sich bei der internationalen Ächtung des Einsatzes von Kindersoldaten unglaubwürdig“, hob Ingenleuf hervor. Auch Deutschland müsse sich bei der Rekrutierung von Soldaten endlich an den internationalen „18-Jahres-Standard“ halten.

Hintergrund

Am 28. März 2019 fand der Girls’Day auch bei der Bundeswehr statt. Wie das Bundesverteidigungsministerium mitgeteilt hat, haben deutschlandweit über 100 Dienststellen rund 4.000 Schülerinnen die Möglichkeit gegeben, den Arbeitgeber Bundeswehr „zu entdecken und in vermeintlich klassische Männerberufe hineinzuschnuppern“. Wer nicht  vor Ort sein konnte, hatte die Gelegenheit, live Antworten auf Fragen rund um eine Karriere bei der Bundeswehr auf Instagram zu erhalten. In Berlin konnten 50 Schülerinnen im Bundesministerium der Verteidigung mit aktiven Soldatinnen ins Gespräch kommen – darunter einem weiblichen Navigationsoffizier der Marine, Feldjägerinnen und Soldatinnen aus der Sanität. Auch die Möglichkeit, eine zivile Ausbildung zur Fluggerätmechanikerin bei der Bundeswehr zu absolvieren, wurde den Teilnehmerinnen vorgestellt.

Neben dem Girls’Day nahm die Bundeswehr auch an dem zeitgleich stattfindenden Boys’Day teil, in dessen Rahmen interessierten Jungen Bereiche vorgestellt werden, die (derzeit noch) frauendominiert sind. So gewährte beispielsweise das Marinefliegerkommando in Nordholz Einblicke in die Verwaltung und den Gesundheitsbereich oder die Helmut-Schmidt Universität in Hamburg in die Berufswelt rund um die Bibliothek.

Weitere Informationen zu den Aktivitäten der Bundeswehr rund um den Girls'- und Boys'Day finden sich beim Bundesverteildigungsministerium.

Quelle: terre des hommes e.V. vom 27.03.2019 sowie Bundesministerium der Verteidigung vom 27.03.2019

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