Jugendpolitik

Jugend braucht mehr! AGJ positioniert sich zur Weiterentwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik

Die Eigenständige Jugendpolitik wurde entwickelt, um Politik und Gesellschaft eine Orientierung bei der Gestaltung der Lebensphase Jugend zu bieten – und zwar anhand der Interessen und Bedürfnisse der Jugend selbst. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ äußert sich in ihrem Positionspapier „Jugend braucht mehr! Eigenständige Jugendpolitik voranbringen und weiterdenken“ zu aktuellen jugendpolitischen Entwicklungen. Sie bekräftigt die Notwendigkeit einer Eigenständigen Jugendpolitik und plädiert für die Weiterentwicklung und Umsetzung einer kohärenten Politik, die gute Rahmenbedingungen für die Lebensphase Jugend schafft. Eingefordert wird eine jugendgerechte Politik auf allen staatlichen Ebenen.

07.07.2020

Das Papier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ beinhaltet eine Reflexion aktueller jugendpolitischer Herausforderungen und schärft den Blick für Jugendpolitik als Gegenwarts- und Zukunftspolitik. Die Ziele und vielfältigen Handlungsfelder für die Eigenständige Jugendpolitik werden auf einen aktuellen Stand gebracht, vielfältige Bemühungen und Aktivitäten verschiedener politischer Ebenen werden abgebildet. Das Papier verdeutlicht die thematische Bandbreite der Eigenständigen Jugendpolitik als gesellschaftspolitisches Handlungsfeld und unterstreicht zugleich die jugendpolitische Dimension aller Politikfelder.

Die AGJ benennt benennt in ihrem Papier Forderungen an die politischen und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure, deren Handeln Einfluss auf die Lebenslagen von jungen Menschen hat und fordert eine jugendgerechte Politik auf allen staatlichen Ebenen ein. Die AGJ fordert Politik und Gesellschaft auf, die Herausforderungen und die konkreten Bedürfnisse von Jugendlichen in ihren Debatten und im Handeln stets zu berücksichtigen. Dazu zählt die Verankerung von wirksamen Partizipationsmöglichkeiten. Die AGJ will dafür sensibilisieren, dass sowohl den politischen Akteur(inn)en auf unterschiedlichen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) als auch den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe eine aktive Rolle bei der Umsetzung der Ziele Eigenständiger Jugendpolitik zukommt und will so ein Bewusstsein für die jeweilige Verantwortung schaffen. Um zu weiteren fachlichen Diskursen anzuregen, setzt sich die AGJ in diesem Positionspapier mit der Rolle der Kinder- und Jugendhilfe als Akteurin Eigenständiger Jugendpolitik auseinander und fordert dazu auf, Reflektionen zur eigenen Ausgestaltung und Umsetzung jugendpolitischer Anforderungen aufzunehmen. 

Eigenständige Jugendpolitik als Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe

Die Kinder- und Jugendhilfe gestaltet die Lebensrealität junger Menschen in Deutschland maßgeblich mit und vertritt die Vielfalt der Interessen ihrer Zielgruppe im politischen Raum. Diese besondere anwaltschaftliche Funktion ist Teil ihres gesetzlichen Auftrags (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII). Dabei ist die Jugendhilfe eine wichtige Stimme bei Beratungen zu Themen, die Jugendliche betreffen, sie ist Schnittstelle zwischen der Jugend und weiteren Teilen der Gesellschaft wie Schule, Berufswelt, Gesundheitswesen und kann damit neue Perspektiven auf Jugendliche in die Gesellschaft hineintragen.

Die Jugendhilfe steht in der Verantwortung, die eigenen Jugendbilder für ihr politisches und alltägliches Handeln zu reflektieren, ihre Expertise selbstbewusst vorzutragen und gleichzeitig Jugend zu befähigen, ihre Interessen selbst zu vertreten. Sie muss dazu beitragen mediale oder politische Jugendbilder, die oft verkürzt, eindimensional und auf Probleme fokussiert sind, zu korrigieren und die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf junge Menschen darzustellen. Jugendhilfe ist also in Bezug auf eine Eigenständige Jugendpolitik Gestalterin und wichtige Expertin und stellt die Interessen und Bedürfnisse ihrer Zielgruppen in den Mittelpunkt ihrer eigenen Arbeit.
Daraus folgt der politische Auftrag an die Jugendhilfe eine entsprechende jugendgerechte Politikgestaltung einzufordern, an der Seite junger Menschen für Veränderungen einzutreten und die institutionelle Gestaltung der Lebensphase Jugend kritisch zu begleiten.

Grundlage hierfür ist die umfassende Öffnung der Jugendhilfe für die Mitwirkung von Jugendlichen als ihr natürlicher Partner – im Sinne ihres gesetzlichen Auftrags. Strukturelle Neuerungen wie Jugendinteressensvertretungen der stationären Hilfen, Nutzer/-innen-Plena in der offenen Arbeit oder die Einbindung Jugendlicher in die Jugendhilfeplanung sind Schritte in die richtige Richtung und können langfristig wirken, um die Leistungen und Angebote der Jugendhilfe noch besser an die Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen. Damit wird auch der von der Eigenständigen Jugendpolitik eingeforderte Paradigmenwechsel vollzogen: weg von der Problemorientierung, hin zur Interessen- und Bedarfsorientierung.

  • Die Jugendhilfe ist zentrale Akteurin Eigenständiger Jugendpolitik und hat – nach innen und außen – durch ihre Träger und Fachkräfte einen Gestaltungsauftrag für verbesserte Lebenslagen junger Menschen.
  • Die AGJ will alle Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe dazu anregen, diese Anforderung in ihren jeweiligen Strukturen zu reflektieren und im Sinne ihres Auftrages nachzukommen.
  • Der gesetzliche Auftrag der Partizipation gilt für die gesamte Kinder- und Jugendhilfe und wird insbesondere in der Kinder- und Jugendarbeit realisiert. Jugendliche müssen diesbezüglich befähigt werden, ihre Interessen selbst zu vertreten.

Forderungen und Positionierungen der AGJ

Politik für die Lebensphase Jugend

Jugend muss in der Vielfalt ihrer Lebenswirklichkeiten wahr- und ernstgenommen werden. Die Lebensphase Jugend braucht mehr Aufmerksamkeit von Politik und Gesellschaft.

  • Die AGJ setzt sich dafür ein, dass die Bedürfnisse und Interessen Jugendlicher im gesellschaftlichen Handeln und politischen Wirken Berücksichtigung finden und fordert die Weiterentwicklung und Stärkung jugendpolitischer Instrumente, wie Kinder- und Jugendberichte, Kinder- und Jugendpläne des Bundes und der Länder sowie der Jugendhilfeausschüsse.
  • Die AGJ fordert eine fortwährende, wirksame und ernstgemeinte Jugendbeteiligung auf allen staatlichen Ebenen, um eine auf die Bedürfnisse und Interessen von Jugendlichen ausgerichtete Politik etablieren zu können.
  • Die Corona-Krise hat die Brüchigkeit des Anspruches aufgedeckt, im Sinne junger Menschen zu handeln – die AGJ fordert folglich ein, weitreichende jugendrelevante Entscheidungen stets aus Sicht der Jugend heraus und mit Blick auf jugendliche Interessen zu denken. Die Eigenständige Jugendpolitik bietet in Krisenzeiten ausreichend Anknüpfungspunkte für jugendgerechtes Handeln, dies muss von den verantwortlichen Akteur(inn)en jedoch auch umgesetzt werden.
  • Die AGJ tritt für realistische Wahrnehmungen einer vielfältigen Jugend ein, kritisiert pauschale Jugendbilder in den öffentlichen Diskursen und regt dazu einen generationenübergreifenden Dialog an.
Jugendgerechte Politikkonzepte aller staatlichen Ebenen

Das Ziel einer umfassenden Jugendgerechtigkeit fordert eine reflektierte Berücksichtigung von Jugend und jugendlichen Lebenswelten in allen Politikfeldern und benötigt dementsprechend eine politische Prioritätensetzung. Die AGJ sieht weiteren Handlungsbedarf auf allen staatlichen Ebenen für die (Weiter-) Entwicklung einer kohärenten und umfassenden Eigenständigen Jugendpolitik.

  • Aktuelle soziale Herausforderungen und Veränderungen in der Lebensphase Jugend müssen in die Jugendpolitik von Bund, Ländern, Kommunen und auf europäischer Ebene einfließen. Für eine verbindliche Umsetzung Eigenständiger Jugendpolitik sollte diese strukturell und gesetzlich verankert werden.
  • Die AGJ begrüßt den Kabinettsbeschluss zur Umsetzung der gemeinsamen Jugendstrategie der Bundesregierung im Sinne einer Ermöglichung kohärenter Jugendpolitik und entsprechende Initiativen in den Ländern für ressortübergreifendes Handeln.
  • Die AGJ regt an, im Sinne der Jugend auch kommunal fachbereichsübergreifende Strategien für Jugendpolitik zu entwickeln und in kommunalen Prozessen zu verankern.
  • Jugendpolitik in Europa muss aus Sicht der AGJ ebenfalls als Ressort- und Querschnittspolitik umgesetzt und zum Gestaltungsmerkmal eines gemeinsamen, solidarischen und sozialen Europas werden.
Jugendpolitisches Handeln der Kinder- und Jugendhilfe

Den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe obliegt die Verantwortung, im Sinne der Jugend zu agieren, zu sensibilisieren und beständig ein jugendgerechtes Handeln einzufordern.

  • Die AGJ unterstreicht ein modernes Verständnis der Kinder- und Jugendhilfe und sieht diese als natürliche Partnerin bei der selbstbestimmten Durchsetzung von Interessen junger Menschen. Dabei sind alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe aufgefordert, diesen Auftrag wahrzunehmen und weiterzuentwickeln.
  • Die AGJ plädiert dafür, die Lebensphase Jugend bei der kommunalen Jugendhilfeplanung als eigenständige Phase stärker in den Blick zu nehmen und junge Menschen hieran umfassender zu beteiligen.
  • Die AGJ sieht es als dringend erforderlich an, die Strukturen der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit zu sichern und – angesichts der derzeitigen Krise – grundlegend zu stabilisieren und (neu) zu verankern.

Eigenständige Jugendpolitik ist ein Prozess – die Diskurse um sie können daher nicht abgeschlossen werden. Die Realisierung braucht eine beständige Auseinandersetzung im politischen Raum sowie die Unterstützung und Aufmerksamkeit der gesamten Kinder- und Jugendhilfe.

Download

Das vollständige 15-seitige Positionspapier „Jugend braucht mehr!  – Eigenständige Jugendpolitik voranbringen und weiterdenken“ (PDF, 106 KB) steht zum Download auf den Seiten der AGJ zur Verfügung.

Neben dem oben stehenden Auszug (Kapitel 5 und 6) ist das Papier wie folgt gegliedert:

  1. Einführung und Grundannahmen Eigenständiger Jugendpolitik
  2. Anfänge, Entwicklungen und jugendpolitische Erfolge
  3. Thematische Bandbreite Eigenständiger Jugendpolitik
  4. Weiterentwicklungsmöglichkeiten Eigenständiger Jugendpolitik
  5. Eigenständige Jugendpolitik als Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe
  6. Forderungen und Positionierungen der AGJ

Ansprechperson für dieses Positionspapier ist die Koordinatorin des AGJ-Projektes jugendgerecht.de – Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik: Heidi Schulze.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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