Jugendpolitik

Japan: Förderung und Teilhabe junger Menschen in einer alternden Gesellschaft

Die alternde Gesellschaft ist für Japan ein großes Problem. Deshalb entwickelt das Land Modelle, um junge Menschen zu fördern und gute Bedingungen für nachrückende Generationen zu schaffen. Dabei will es sich an anderen Ländern messen und orientieren und hat Fachkräfte aus Deutschland, Österreich und Neuseeland zwischen dem 13. und 27.02.2018 zu einem multilateralen Fachaustausch eingeladen. In seinem Tagungsbericht beschreibt Rick Lepa, wie sich Japan dem Ziel einer kohäsiven Gesellschaft annährt – einer Gesellschaft, die niemanden ausschließt.

20.04.2018

Japan steht wie andere Länder vor dem Problem einer alternden Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, junge Menschen zu fördern und gute Bedingungen für nachrückende Generationen zu schaffen. Dabei geht die Jugend in Japan bis 39 Jahre, ist es doch auch das Land mit der höchsten Lebenserwartung von 83,7 Jahren (Erhebung der WHO 2017). Mit dem Fachaustausch möchte sich Japan an Ländern messen und orientieren, in denen die Förderung von sozialen Vereinen und dem Gemeinwohl gezielt und nachhaltig organisiert wird. Deutschland ist als Wohlfahrtsstaat mit über einhundertjähriger Geschichte für Japaner ein gutes Beispiel. Als Teilnehmer des diesjährigen Fachaustausches durfte ich erfahren, dass Japan nicht nur an Beispielen lernen möchte, sondern auch stolz darauf ist, was es in den vergangenen Jahren bewegt und entwickelt hat.

b-lab: Eine offene Tür und ein geschützter Raum

Seit 2015 gibt es in Tokio das b-lab (Bunkyo-ward Education Center). Diese Einrichtung setzt zum einen auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen Einschränkungen und hilft unter anderem durch physiotherapeutische Maßnahmen. Weiterhin steht b-lab als ein Ort, an dem Schüler und Studenten außerhalb von Schule lernen können. Neben klassischer Bildung ist die Entwicklung von sozialen Kompetenzen ein entscheidender Faktor für ein gesundes Aufwachsen. In einem Land wie Japan, in dem es nicht unüblich ist, seine wahren Gefühle und Schwächen zu verbergen, wird im b-lab genau hier angesetzt. Junge Menschen können, ähnlich wie bei einem offenen Angebot im Bereich der Jugendarbeit, die Räumlichkeiten für eigene Aktivitäten nutzen. Hier stehen Bandräume, ein Theaterraum, einladende multifunktionale Bereiche und eine Küche zur Verfügung.

Kokichi Miyama und Shibuga Koskuke sind als Programmteilnehmer in das b-lab gekommen. Neben dem Charakter der offenen Tür möchte die Einrichtung gleichzeitig ein geschützter Raum für Jugendliche sein, in dem sie über ihre Gefühle, Ängste, Schwächen und Wünsche sprechen können. Kokichi und Shibuga haben sich ihren Schwächen gestellt, haben sich angreifbar gemacht und gleichzeitig Anerkennung erfahren. B-lab geht mit jungen Menschen bewusst diesen Prozess ein, sich selbst besser kennen zu lernen, um daraus gestärkt hervorzugehen und Verantwortung für andere zu übernehmen. Inzwischen leiten Kokichi und Shibuga eigenständig Angebote im b-lab, wie Kokichi mit einer Gitarrengruppe.

Quelle: Rick Lepa

Kokowa High School: Faktoren für ein Miteinander der Generationen

Die Präfektur Wakayama hat ebenfalls mit dem Problem einer alternden Gesellschaft zu kämpfen. Eine weitere Herausforderung ist die Abwanderung junger Menschen in andere Präfekturen und Metropolregionen. Gründe sind bessere Bedingungen und Möglichkeiten in Ausbildung und Studium sowie anschließende Arbeitsverhältnisse. Wakayama möchte nicht nur Fachkräfte zurückholen sondern bereits Grundlagen legen, dass junge Menschen in der Region bleiben. Neben dem Aufbau neuer Universitäten sollen auch infrastrukturelle Faktoren für ein Miteinander der Generationen berücksichtigt werden. Die Kokowa High School ist hierbei einen selbstkritischen Weg gegangen und hat Schüler, Eltern, Lehrer und die Kommune befragt, wie sie sich eine Schule in der Kommune vorstellen. Diese Wünsche wurden aufgenommen und mit allen Befragten weiter entwickelt. Durch das gemeinsame Bewusstmachen von Problemen wurden neue Lehrpläne erstellt und ein neues Konzept geschrieben, welches die Schule in der Kommune verwurzelt sieht, die sich zeitgleich mit der Kommune weiterentwickelt.

Die positiven Veränderungen der Beziehung zwischen Kommune und Schule, verändern sowohl die Schule als auch die Kommune. Schüler engagieren sich neben dem klassischen Unterricht in Arbeitsgemeinschaften (AG´s), in den Bereichen kommunale Aufgaben, ehrenamtliche Tätigkeiten, Anleiten von Gruppen, umweltbewusstes Handeln und Öffentlichkeitsarbeit. Durch die AG´s werden junge Menschen aktiv in die Kommune eingebunden, engagieren sich für die Menschen in ihrem Umfeld und gestalten ihre Stadt durch Ideen und praktische Arbeit. Die Identifikation mit dem Lebensraum und gute Ausbildungsmöglichkeiten können ein Schlüssel sein, den Abwanderungstrend zu stoppen und jungen Familien eine Zukunft zu geben.

Japan: Der Weg zu einer kohäsiven Gesellschaft

Japan ist sich den individuellen Bedürfnissen und Wünschen junger Menschen bewusst. Das ist nicht selbstverständlich in einer Gesellschaft, für die die Gruppe eine hohe Bedeutung genießt und nach traditioneller Vorstellung über den Interessen des Einzelnen steht. Die Förderung des Einzelnen unter Berücksichtigung seiner individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Talente führt dazu, gruppendynamische Prozesse zu fördern, indem der Einzelne mit seinen Fähigkeiten der Gemeinschaft dient und sich gleichzeitig darin verwirklicht. Das Wohl der Gruppe und der Gesellschaft lässt sich immer am Wohl des Individuums messen. Japan hat dazu die kohäsive Gesellschaft als Leitfaden für sämtliche Handlungen ausgerufen. Eine Gesellschaft, die sich dadurch profiliert, dass sie niemanden ausschließt und allen Menschen eine individuelle Förderung und gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht.

Weitere Informationen über den Fachaustausch und die jugendpolitische Zusammenarbeit mit Japan stehen auf der Webseite von IJAB zur Verfügung.

Quelle: IJAB - Fachstelle für internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Rick Lepa

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