Jugendpolitik

Gemeinsame Erklärung: Bekämpfung von Kinderarmut muss Priorität haben

In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Nationale Armutskonferenz und zahlreiche Kinder-, Jugend- Familien- und Wohlfahrtsverbände die Bundesregierung auf, gegen die Armut von Kindern, Jugendlichen und ihrer Familien vorzugehen. Mehr als drei Millionen Kinder und Jugendliche leben in Deutschland in Armut. Maßnahmen wie die Erhöhung des Kindergeldes würden bei in Armut lebenden Familien nicht ankommen, vielmehr müßte die Familienförderung „vom Kopf auf die Füße“ gestellt werden.

09.11.2018

Anlässlich des 13. Treffens der Menschen mit Armutserfahrung fordern die Nationale Armutskonferenz und die im „Ratschlag Kinderarmut“ zusammengeschlossenen Verbände die Bundesregierung auf, „mit großer Priorität wirksam und zielgerichtet die Armut von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien zu bekämpfen“.

„Mehr als drei Millionen Kinder und Jugendliche erfahren jeden Tag Ausgrenzung und Armut. Besonders betroffen sind Kinder, die in Familien von Alleinerziehenden leben. Knapp 40 Prozent leben mit Sozialleistungen“, berichtet Erika Biehn, Vorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viele Betroffene ihr letztes Hemd geben, um das Nötigste für Ihre Kinder finanzieren zu können. Das können und wollen wir nicht weiter hinnehmen!“

Mehr als drei Millionen Kinder und Jugendliche

Maßnahmen wie die Erhöhung des Kindergeldes würden bei in Armut lebenden Familien nicht ankommen, da sie auf Leistungen wie das Arbeitslosengeld II oder den Unterhaltsvorschuss angerechnet würden, heißt es in der Erklärung. Die geplanten Reformen des Kinderzuschlags und des Bildungs- und Teilhabepakets seien unzureichend.

„Zwar wird jetzt eine Erhöhung des Schulbedarfspakets angekündigt, aber wiederum gibt es keine ordentliche Bedarfsermittlung“, kritisiert Barbara Eschen, Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz. „Wir wissen aus Studien der Diakonie, dass bis zu 200 Euro für Schulmaterial fällig sind. Es reicht nicht aus, die bisherigen 100 Euro Pi mal Daumen zu erhöhen, ohne nachzurechnen, was wirklich nötig ist.“ Außerdem müssten das schulische Mittagessen und der ÖPNV für Schulkinder kostenlos werden.

Familienförderung vom Kopf auf die Füße stellen

Wesentliche Probleme würden sich durch die bisherige Konstruktion der Familienförderung ergeben, so Alexander Nöhring, Geschäftsführer des Zukunftsforums Familie, der familienpolitische Fachverband der Arbeiterwohlfahrt. „Bisher bekommen nicht die ärmsten Familien die stärkste Hilfe. Ein undurchschaubares Dickicht aus Kindergeld, Kinderfreibetrag, Basiselterngeld, Kinderregelsatz, Kinderzuschlag und Unterhaltsvorschuss sorgt dafür, dass gerade in Armut Lebende Familien ihre sozialen Rechte nicht durchsetzen können. Wir müssen die Familienförderung vom Kopf auf die Füße stellen: Dafür brauchen wir ein einheitliches Existenzminimum für alle Kinder und besondere und unbürokratische Hilfen für die, die sie am dringendsten benötigen“, so Nöhring.

„Um Kindern eine gerechtere Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, muss das Recht auf ihr soziokulturelles Existenzminimum gesichert sein. So gibt es auch die UN-Kinder-rechtskonvention in den Artikeln 26 und 27 vor. Sprudelnde Steuereinnahmen durch die positive wirtschaftliche Lage in Deutschland und die dadurch vorhandenen Verteilungsspielräume müssen konsequenter für eine grundlegende Reform der Familienförderung genutzt werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, erklärt: „Bisher wurde viel angekündigt – aber wenig umgesetzt. Leistungen müssen alle Familienformen erreichen, egal ob verheiratet oder nicht, Alleinerziehende ebenso wie Familien mit vielen Kindern. Besonders wichtig ist die Infrastruktur vor Ort – vom Schwimmbad über Sozialarbeit bis hin zu Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern, die nicht mehr weiter wissen.“

Armut verhindert die Chance auf Teilhabe in und an der Gesellschaft

„Politik und Gesellschaft darf die Bedingungen, unter denen von Armut betroffene Kinder und Jugendliche leben, nicht länger hinnehmen“ betont auch Matthias Schröder, Vorstandsmitglied des Deutschen Bundesjugendrings. Der Deutsche Bundesjungendring (DBJR) ist Mitglied der Nationalen Armutskonferenz und schließt sich der Erklärung ausrücklich an. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene befinden sich in einer besonders tiefgreifenden Umbruchphase ihres Lebens. „Junge Menschen brauchen gute Bedingungen, um den Start in ein selbstständiges Leben zu bewältigen. Gerade was Bildung und Teilhabe angeht. Dazu zählt die unbürokratische Ermöglichung von Teilnahme an Freizeitaktivitäten genauso wie die Förderung des Schulbedarfs, eine Mindestausbildungsvergütung und bezahlbarer Wohnraum“ sagt Schröder und verweist auf die entsprechenden Beschlüsse des DBJR.

Die Gemeinsame Erklärung (PDF, 121 KB) mit einem Verzeichnis aller unterzeichnenden Organisationen bei der AWO als Download zur Verfügung. Die kinder- und jugendpolitischen Stellungnahmen des DBJR finden sich dort.

 Quelle: AWO Bundesverband e.V. vom 07.11.2018

Back to Top