Jugendpolitik

Deutsches Kinderhilfswerk: Mehr Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche notwendig

Eine heute vom Deutschen Kinderhilfswerk in Berlin vorgelegte Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass die Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche in Deutschland dringend ausgebaut werden müssen.

07.10.2009

„Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind ein Flickenteppich und entsprechen nicht durchgängig den Standards, die nötig und möglich sind“ erklärt Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Es liegt ein eklatanter Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention vor, die die Vorrangstellung des Kindeswohls, die Verwirklichung der Kinderrechte und die Berücksichtigung des Kindeswillens anerkennt. Bund und Länder sind aufgefordert, hier umgehend alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen zu treffen. Dabei sind die Kommunen mit einzubeziehen, da bei der Beteiligung vor Ort die Herstellung eines Lebensweltbezugs für Kinder und Jugendliche unabdingbar ist“ so Krüger weiter.

Mit der Analyse „Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland - Ein Vergleich der gesetzlichen Bestimmungen in den Bundesländern“ legt das Deutsche Kinderhilfswerk erstmalig eine umfassende Broschüre vor, in der die gesetzlichen Bestimmungen in den Bundesländern hinsichtlich der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen verglichen werden. Schwerpunkte sind dabei das Wahlrecht für Kinder und Jugendliche, Beteiligungsrechte in den Kommunen, in Kindertageseinrichtungen und vor allem in der Schule. Aber auch Fragen der Förderung von Beteiligungsrechten und die Evaluierung der Umsetzung von Beteiligungsrechten werden betrachtet.

Es kann festgestellt werden, dass es eine Vielzahl von positiven Beispielen in den Bundesländern gibt, wo die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf dem richtigen Weg ist. Diese zeigen klar und deutlich, dass die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen keine Frage der Kassenlage, sondern vor allem eine Frage des politischen Willens des Gesetzgebers ist. 

Auf der kommunalen Ebene wurden bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mittels Wahlrecht in den letzten Jahren einige Fortschritte erzielt. In sechs Bundesländern sind Jugendliche ab 16 Jahren wahlberechtigt. In Bremen soll die Altersgrenze noch in diesem Jahr ebenfalls auf 16 Jahre abgesenkt werden, und zwar auch auf der Landesebene, womit erstmalig in Deutschland Jugendliche das Wahlrecht für ein Landesparlament haben werden.

In einzelnen Gemeindeordnungen der Länder wurden die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren festgeschrieben. Die vorliegenden Erfahrungen zeigen, dass das Bewusstsein der kommunalen Ebene für die Wahrnehmung der Rechte und Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen gesteigert werden konnte. Dabei wurde deutlich, dass nur verbindliche Regelungen auch zu einer wirksamen Änderung des Verwaltungshandelns führen. 

In der Ausgestaltung der Beteiligungsrechte von Schülerinnen und Schülern ist eine sehr große Heterogenität der Bestimmungen festzustellen. So ist beispielsweise die Wahl von Klassensprecherinnen und Klassensprechern in einigen Bundesländern ab Klassenstufe 1 Pflicht (Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein), während in den anderen Bundesländern dies erst ab Klassenstufe 3, 4 oder 5 verbindlich festgeschrieben ist. Große Unterschiede gibt es auch bei der Besetzung der Konferenzen. So nehmen in Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein Schülerinnen und Schüler mit Stimmrecht an den Klassenkonferenzen teil. In Rheinland-Pfalz gehören dem Schulausschuss sowie im Saarland, in Sachsen und in Thüringen der Schulkonferenz grundsätzlich Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern im jeweils gleichen Verhältnis an. Und auch bei der Möglichkeit, an den Lehrerkonferenzen teilzunehmen, sind zahlreiche Unterschiede auszumachen.

Bei der Betrachtung der Beteiligungsrechte im Schulbereich muss festgestellt werden, dass in allen Bundesländern an verschiedenen Stellen Unterschiede zwischen der Beteiligung der Schülerinnen und Schüler und der Beteiligung der Eltern gemacht werden. Fast durchgängig werden dabei den Eltern weitergehende Beteiligungsrechte als den Schülerinnen und Schülern zugestanden. 

Das Deutsche Kinderhilfswerk gibt auch eine Reihe von Handlungsempfehlungen, wie die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland nachhaltig verbessert werden könnte. Dazu zählt auf der Bundesebene die Absenkung des Wahlalters für Europa- und Bundestagswahlen ebenso wie die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Auf der Landesebene spricht sich das Deutsche Kinderhilfswerk für eine Verankerung von Beteiligungsrechten in den Landesverfassungen, eine Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Kommunalwahlen und die Festlegung von verbindlichen Beteiligungsrechten in den Gemeindeordnungen aus. Vor allem aber müssen die Partizipationsrechte der Schülerinnen und Schüler gestärkt werden. Dazu zählen vor allem die verbindliche Wahl eines Klassensprechers ab Jahrgangsstufe 1 sowie mindestens gleiche Beteiligungsrechte von Schülervertretungen auf Schulebene sowie Stadt-/Bezirks-/Landesschülervertretungen analog der gesetzlichen Bestimmungen für Elternvertretungen. Außerdem sollten in den Klassenkonferenzen unabhängig von der Jahrgangsstufe Schülerinnen und Schüler vertreten sein. Auch bei der Besetzung der Sitze für Schülerinnen und Schüler in der (Gesamt)Lehrerkonferenz sollte es keine Einschränkungen aufgrund der Jahrgangsstufen geben. In der Schulkonferenz müssen Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer Jahrgangsstufe mindestens in Drittelparität mit Sitz und Stimme vertreten sein. Einschränkungen der Drittelparität durch Veto- und Einspruchsrechte dürfen nicht zulässig sein. 

Außerdem müssen Kinder- und Beteiligungsrechte zu einem regulären Bestandteil von Bildungs- und Rahmenplänen in Kindertageseinrichtungen und Schulen werden. Entsprechende didaktische Materialien müssen bereitgestellt und von Kindertageseinrichtungen und Schulen angeschafft werden.

Für die Analyse der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland wurden einschlägige Bundesgesetze, die Länderverfassungen und Gemeindeordnungen, Kinderförderungs- und Kindertagesstättengesetze, Schulgesetze sowie Bildungs- und Rahmenpläne der Bundesländer ausgewertet. Darüber hinaus wurde ein Fragebogen an die Staats- und Senatskanzleien der Bundesländer verschickt, der von allen Bundesländern mehr oder weniger ausführlich beantwortet wurde und eine gute Grundlage der Analyse war.

Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

 

Redaktion: Uwe Kamp

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