Kinderrechte

Deutsches Kinderhilfswerk: Kinderrechte in familiengerichtlichen Verfahren stärken

Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt anlässlich der Bundestagsdebatte am 15.05.2020 über die Qualität der familiengerichtlichen Verfahren und Fortbildung der Familienrichter/-innen eine Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Justizverfahren an. Dazu gehört aus Sicht der Kinderrechtsorganisation eine bundesweite Verpflichtung zur Fortbildung für alle Richter/-innen, die in ihren Verfahren mit Kindern zu tun haben.

15.05.2020

Bisher gibt es eine Fortbildungspflicht von Richter(inne)n, die in Verfahren mit Kindern zu tun haben, lediglich in vier Bundesländern (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und seit Kurzem Hamburg). Gerade das Kinderrecht auf Beteiligung durch kindgerechte Anhörungen sowie Berücksichtigung der Kindesinteressen kommt nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes in vielen Verfahren viel zu kurz. Hier braucht es kompetente Familienrichterinnen und -richter, um ein Verständnis für die Wichtigkeit der Kinderrechte im Verfahren zu stärken, so das Deutsche Kinderhilfswerk.

Thema Kinderrechte in der juristischen Ausbildung stärken

„Die Anhörung von Kindern vor Gericht muss vor allem kindgerecht sein. Dafür brauchen Familienrichterinnen und -richter Einfühlungsvermögen, Freundlichkeit und Respekt den Kindern gegenüber, oder auch einen Blick auf eine Zeiteinteilung in Verfahren adäquat für das Alter des Kindes. Richterinnen und Richter müssen in der Lage sein, einen altersgerechten Einstieg in das Gespräch zu finden und eine Vertrauensbasis mit dem Kind aufzubauen. Auch der richtige Abschluss des Verfahrens ist enorm wichtig. Es muss sichergestellt sein, dass dem Kind die Entscheidung kindgerecht erklärt wird. Deshalb sollten das Familienrecht und die Kinderrechte viel stärker bereits in der juristischen Ausbildung eine Rolle spielen, und das Recht und die Pflicht zu Fortbildungen für alle Familienrichterinnen und -richter gesetzlich verankert werden“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Zusammenarbeit mit Akteuren anderer Fachrichtungen

„Richterinnen und Richter müssen auch in der Lage sein, mit involvierten Akteuren anderer Fachrichtungen wie Jugendämtern, Verfahrensbeiständen und Sachverständigen zusammenzuarbeiten, um das Kindeswohl zu ermitteln und die Aussagen des Kindes richtig zu bewerten. Hierzu braucht es beispielsweise Kenntnisse zur Entwicklungspsychologie. Psychiatrische und medizinische Grundkenntnisse sind ebenfalls wünschenswert. Dies ist erforderlich, um Verhaltensweisen des Kindes richtig deuten und beispielsweise durch Sachverständige festgestellte Verletzungen eines Kindes richtig einordnen zu können“, so Lütkes weiter.

Kindeswohl in den Fokus nehmen

Neben den familiengerichtlichen Verfahren sollte aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes auch das Kindeswohl in Strafverfahren stärker in den Blick genommen werden. Dafür sollte ein eigenständiges Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Strafverfahren mit minderjährigen Opferzeuginnen und -zeugen in der Strafprozessordnung festgeschrieben werden, um dem Kindeswohlvorrang gemäß der UN-Kinderrechtskonvention in Strafverfahren Rechnung zu tragen. Zudem sollten richterliche Videovernehmungen bei minderjährigen Opfern von Sexualdelikten und anderen schweren Gewalttatbeständen in Ermittlungsverfahren mit ersetzender Wirkung für das Hauptverfahren zum bundesdeutschen Standard werden, damit Kinder nicht öfter als nötig zu traumatischen Erlebnissen befragt werden müssen.

Spezialisierung für Jugendschutzverfahren schaffen

Neben der bundesweiten Verpflichtung zur und Ermöglichung von Fortbildungen für alle Richterinnen und Richter, die in ihren Verfahren mit Kindern zu tun haben, tritt das Deutsche Kinderhilfswerk dafür ein, Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Schwerpunktgerichte für Jugendschutzverfahren bei der Strafjustiz zu schaffen. Denn bei mehr als 750 Amts- und Landgerichten kann nicht jede Richterin oder jeder Richter in allen Spezialgebieten zu Hause sein. Durch die Spezialisierung bestimmter Gerichte muss nicht jedes einzelne Amts- und Landgericht die Ressourcen für die Videovernehmung und die Schulungen der Richterinnen und Richter zur Vernehmung von Kindern aufbringen. Daher wäre es ratsam, diese Verfahren über Gerichtsbezirksgrenzen hinweg zu konzentrieren – wie man es aus dem Wirtschaftsstrafrecht oder bei Staatsschutzsachen kennt.

Weitergehende Informationen zum Thema „Kindgerechte Justiz“ stehen auf der Webseite des Deutschen Kinderhilfswerks zur Verfügung.

Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Redaktion: Uwe Kamp

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