Jugendpolitik

Bundestagswahl 2013: Sozialpädiater fordern politische Umsetzung von Kinderbewusstsein

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) fürchtet, dass Kinder und Jugendliche angesichts der andauernden europäische Finanz- und Wirtschaftskrise bei der Bundestagswahl wieder einmal in Vergessenheit zu geraten drohen.

06.08.2013

Dennoch finden sich in den Wahlprogrammen aller Parteien zum Teil sehr konkrete Aussagen, um hierzulande politisches Handeln im Sinne eines stärkeren Kinderbewusstseins voranzubringen. Gerade auch daran werden insbesondere Familien die Parteien bei der Stimmabgabe am 22. September 2013 messen, ist die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) überzeugt.

Doch woran macht sich das fehlende Kinderbewusstsein fest? Zum Beispiel daran, dass schon seit längerer Zeit fast jedes fünfte Kind der unter Dreijährigen in Deutschland in Armut leben muss. Oder daran, dass jedes siebte Kind keine verlässliche Beziehung in der frühen Kindheit zu einer Bezugsperson aufbauen kann. Oder auch an den ca. 70.000 "verlorenen Kindern", die in jedem Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen.

Um Kinderbewusstsein in Deutschland fest zu verankern, müssten Kinderrechte gesetzlich geschützt werden. Im Alltag sei es eben nicht selbstverständlich, dass alle Kinder Träger der Grundrechte unserer Verfassung sind, kritisiert Dr. Christian Fricke, Präsident der DGSPJ. Deshalb fordert Fricke einen neuen Artikel 2a im Grundgesetz der Bundesrepublik, der die Rechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie den Vorrang des Kindeswohls bei allem staatlichen Handeln festschreibt. Das allein würde die Position von Kindern als eigenständige und gleichberechtigte Grundrechtsträger erheblich aufwerten.

Weitere zentrale Forderungen der DGSPJ an die Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl sind:

  •    Schaffung des Amtes eines "Kinderbeauftragten des Deutschen     Bundestages." Dieser müsse allerdings dann von seinen Befugnissen genauso wie der Wehrbeauftragte ausgestattet werden. Zudem müssten auch über die bisher rund 100 Kommunen und Bundesländern hinaus weit mehr regionale Kinderbeauftragte eingerichtet werden.
  •    Weiterentwicklung des Inklusionsgedankens, wobei insbesondere die Stellung des Schularztes zum Beispiel für begleitende Maßnahmen der Eingliederungshilfe (Schulbegleitung, Einsatz eines Integrationshelfers) deutlich gestärkt werden müsste.
  •    Qualitative Verbesserung der Betreuung der unter 3-jährigen in    Kindertageseinrichtungen. Notwendig dafür ist eine ausreichende Anzahl von Erzieherinnen sowie deren qualifizierte Aus- und Fortbildung.

Doch auch bei der multiprofessionellen Versorgung von entwicklungsgestörten oder behinderten Kindern und Familien liegt in Deutschland derzeit einiges im Argen. Zwar können Eltern auf ein Netz von 141 Sozialpädiatrischen Zentren zugreifen, die neben ihrer fachlichen Kompetenz auch zu einer Koordinationsstelle mit anderen Fachleuten aus Kindergarten und Schule ebenso wie aus der Jugendhilfe geworden sind. Gerade deshalb fordert DGSPJ-Vizepräsident Dr. Helmut Hollmann von den Parteien:

  •    Die Sicherstellung einer tatsächlich kostendeckenden Finanzierung der SPZ's im medizinisch-therapeutischen Bereich

  • Die Klärung der seit 1992 nicht geregelten Refinanzierung für sozial- und heilpädagogische Leistungen

  • Längere Fristen für die Erneuerung der Ermächtigung.

Insbesondere der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) dürfe nicht weiter ab-, sondern müsse stärker ausgebaut werden. Gerade für besonders benachteiligte, bildungsferne und sozial belastete Familien biete der KJGD die Chance, auch mit aufsuchenden interdisziplinären Angeboten Kinder und Jugendliche mit besonderem Bedarf in Krippen, Kindergärten und Schulen zu erreichen. Auch bei den "Frühen Hilfe" im Rahmen des Kinderschutz-Gesetzes müssten Gesundheits- und Jugendhilfe weit besser verzahnt werden und speziell die Kinder- und Jugendärzte nicht nur punktuell, sondern flächendeckend einbezogen werden. Erst wenn diese und weitere Maßnahmen (mehr unter www.dgspj.de) konsequent umgesetzt würden, könne sich hierzulande nach Ansicht Frickes und Hollmanns ein stärkeres Kinderbewusstsein entwickeln. Alle verantwortlichen Politiker müssten sich unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl und ihrer Parteicouleur darüber im Klaren sein, dass sich unsere Gesellschaft fehlendes Kinderbewusstsein angesichts der demographischen Entwicklung mit immer weniger Kindern auf Dauer nicht mehr leisten kann.

Quelle: Dt. Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin vom 05.08.2013

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