Jugendpolitik

AGJ-Zwischenruf zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf junge Menschen

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ fordert in ihrem Zwischenruf „Jugend stärken – auch und gerade unter Corona-Bedingungen unerlässlich!“ Politik und Gesellschaft auf, die Interessen und Bedarfe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen umfänglich ernst zu nehmen und diese keinesfalls als überzogene Befindlichkeiten abzutun bzw. auf Teilhabebedingungen am formalen Bildungssystem zu beschränken.

15.07.2020

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie forderten und fordern jede/n Einzelne/n zum Verzicht. Die Kontaktbeschränkungen seit März 2020 führten und führen zu massiven Einschnitten ins soziale, aber auch wirtschaftliche Leben. Nachdem zunächst der Schwerpunkt politischen Handelns auf dem notwendigen Infektionsschutz lag, finden in der aktuellen Phase der Öffnung auch wieder stärker andere Belange Berücksichtigung. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ fordert Politik und Gesellschaft auf, die Interessen und Bedarfe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen umfänglich ernst zu nehmen und diese keinesfalls als überzogene Befindlichkeiten abzutun bzw. auf Teilhabebedingungen am formalen Bildungssystem zu beschränken. In der Gestaltung der sie berührenden Angelegenheiten sind junge Menschen einzubeziehen. Diese Krise zeigt einmal mehr, dass Jugendpolitik alle Ressorts berührt und Beteiligung unerlässlich bleibt.

Jugend muss möglich bleiben

In einem neuen Zwischenruf „Jugend stärken – auch und gerade unter Corona-Bedingungen unerlässlich!“ (PDF) dankt die AGJ zunächst den vielen jungen Menschen, die sich seit Monaten besonders für Betroffene und durch das Virus Gefährdete engagieren, Nachbarschaftshilfe leisten und Optimismus vermitteln. Corona führe, so heißt es weiter, zum Wegfall jugendspezifischer Lebensstile und strukturierender Geschehnisse, die in der Jugendphase eigentlich selbstverständlich seien. Junge Menschen mahnen zurecht an, nicht auf ihre Rolle als Schüler/-innen und Studierende reduziert werden zu wollen.

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf junge Menschen verdienen folglich mehr Aufmerksamkeit in den politischen und gesellschaftlichen Debatten. Dabei gehe es nicht darum, eine Polarität zu den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes aufzubauen. Insbesondere mit Blick auf mögliche weitere Pandemiewellen braucht es aus Sicht der AGJ jedoch einen respektvollen Diskurs darüber, wie Lebenswelten jenseits von Arbeit, Qualifikation und Kernfamilie erreichbar bleiben. Bezogen auf die Jugend seien die Entwicklungsherausforderungen Verselbstständigung und Selbstpositionierung anders nicht erfolgreich zu bewältigen. Es gehe darum, eine positive Entwicklung der individuellen Lebenswege junger Menschen zu ermöglichen, letztlich aber auch um die Prägung einer Generation. Kindern und Jugendlichen dürfe zum einen nicht der Eindruck vermittelt werden, dass sie ausschließlich in der Kernfamilie im Sinne des Infektionsschutzes gut aufgehoben sind und zum anderen Bildungs- und Betreuungsangebote vor allem deshalb geöffnet werden, damit ihre Eltern arbeiten können.

Das Gestalten einer lebenswerten Zukunft

Mit Blick auf langfristige gesellschaftliche Veränderungen, die sich aus der Pandemie ergeben könnten, fordert die AGJ, den Blick zum einen auf ein Abfangen der sich durch Corona nochmals verschärfenden sozialen Ungleichheit zu legen. Zum anderen müsse ein Schwerpunkt auf die Unterstützung junger Menschen in sogenannten Übergangssituationen liegen. Neben qualifikationsbezogener Unterstützung seien sind zwingend auch andere Bedarfe junger Menschen zu berücksichtigen. Dazu gehört es, Ferien als Freiraum für Freizeit und selbstgewählte Aktivitäten zur Persönlichkeitsentfaltung erleben zu können.

Unterstützung für junge Menschen in prekären Lagen

Junge Menschen in prekären Lebenslagen – ohne familiäre Unterstützung, in den Hilfen zur Erziehung, Wohnungslose, Care Leaver, junge Menschen mit Behinderungen und junge Geflüchtete sind am härtesten betroffen, heißt es im Zwischenruf der AGJ. Sie brauchen demnach praktischen Beistand, der sie aufsucht und Kontakt hält, die kurzfristigen Regelungsänderungen immer wieder neu erklärt und notwendige Hilfezugänge eröffnet.

(Finanzielle) Unterstützung der Strukturen

Bund, Länder, aber auch Kommunen haben Maßnahmen zur Sicherung der Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe auf den Weg gebracht, was die AGJ in ihrem Zwischenruf ausdrücklich begrüßt. Dennoch erscheint eine mittelfristige Strukturerhaltung erst durch die sogenannten Billigkeitsleistungen in einigen Ländern und die versprochene Strukturstärkung durch das Sonderprogramm des Bundes möglich. Hier werde es entscheidend darauf ankommen, wie der Bund das Programm bis September konkret ausgestaltet und die zusätzlichen 100 Millionen € zur Verfügung stellt. 

Jugendbeteiligung und Jugendpolitik

Die AGJ fordert abschließend eine fortwährende, wirksame und ernstgemeinte Jugendbeteiligung auf allen staatlichen Ebenen, um eine auf die Bedürfnisse und Interessen von Jugendlichen ausgerichtete Politik etablieren zu können . Die Corona-Krise habe die Brüchigkeit dieses Anspruches aufgedeckt. Die Perspektiven Jugendlicher und junger Erwachsener müsse wieder gehört und in politische Konzepte einbezogen werden. Die AGJ blickt dabei auf alle staatlichen Ebenen, auf die unterschiedlichsten Politikfelder und selbstverständlich auch auf die Kinder- und Jugendhilfe selbst. Die Eigenständige Jugendpolitik biete letztendlich auch in Krisenzeiten ausreichend Anknüpfungspunkte für jugendgerechtes Handeln, dies müsse von den verantwortlichen Akteur(inn)en jedoch auch gewollt und umgesetzt werden.

Der vollständige Zwischenruf „Jugend stärken – auch und gerade unter Corona-Bedingungen unerlässlich!“ steht als PDF auf den Internetseiten der AGJ zum Download zur verfügung.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

Redaktion: Kerstin Boller

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