Podiumsdiskussion

Was Familien in der Corona-Pandemie wirklich brauchen

Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim BMFSFJ diskutierten in Berlin, wie unterschiedlich Familien von der Pandemie betroffen sind und wie Familienpolitik noch gezielter ausgerichtet werden kann, um Abhilfe zu schaffen: genauer hinschauen, zuhören und verstehen, was Familien – aber auch Kinder, Jugendliche und Eltern für sich genommen – brauchen. Dies ist dringend geboten, um diejenigen zu erreichen, die Unterstützung besonders benötigen.

25.02.2022

„Weg mit der Gießkanne: Was Familien in der Corona-Pandemie wirklich brauchen“ war der Titel der gemeinsamen Fachveranstaltung des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim BMFSFJ und der Stiftung Ravensburger Verlag am 24. Februar in Berlin. Mehr als 700 Zuschauende verfolgten die Podiumsdiskussion und die Keynote von Bundesministerin Anne Spiegel vor Ort in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg und im Livestream.

„Für Kinder, Jugendliche und Eltern ist die lange Pandemiephase eine Belastung und hat allgemein zu einer Reduktion der wahrgenommenen Lebensqualität geführt. Gleichwohl gibt es Gruppen von betroffenen Familien, die meist schon vor der Pandemie besondere Herausforderungen aufwiesen oder wirtschaftlich durch die Pandemie in Not geraten sind, die jetzt der besonderen Unterstützung bedürfen“: Mit diesen Worten eröffnete Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats, die Veranstaltung. „‘Weg mit der Gießkanne‘ heißt also, solche Probleme gezielt zu adressieren und gestufte Ansätze der Unterstützung voran zu bringen. Es geht also nicht um Gleiches für alle (Equality), sondern darum allen die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie jetzt benötigen (Equity).“

Bundesministerin Anne Spiegel konnte kurzfristig aufgrund einer Coronainfektion nicht an der Veranstaltung teilnehmen. Sie übermittelte jedoch folgende Botschaft an die Teilnehmenden: „Nach zwei schwierigen Pandemiejahren ist es mein Ziel, besonders die belasteten Kinder, Jugendlichen und Familien zu stärken. Dafür möchten wir das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit auf den Weg bringen und eine Kindergrundsicherung entwickeln. In einem ersten Schritt wird es einen Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder geben. Zudem ist klar: eine verlässliche Betreuung hält Eltern den Rücken frei und stärkt Bildungschancen. Deshalb treiben wir die Qualität und den Ausbau von Kitas und Ganztagsbetreuung stark voran.“

Zeit, Geld, Infrastruktur

Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), ging in ihrem Impulsreferat dann näher darauf ein, was aktuelle Daten über die Belastung unterschiedlicher Gruppen zeigen. „Bereits vor der Pandemie war klar, dass der familienpolitische Mix aus Zeit, Geld und Infrastruktur für die unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich zusammengesetzt werden muss. Die Pandemie hat sehr deutlich gezeigt, wie wichtig für alle Familien Infrastrukturleistungen sind. Finanzielle Leistungen sollten aber gezielt auf die Familien ausgerichtet werden, welche diese aufgrund von pandemiebedingten Einkommenseinbußen benötigen. Mehr Zeit brauchen viele Familien auch, um sich von der Pandemie zu erholen, auch dies muss künftig bei der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit bedacht werden.“

Podiumsdiskussion

Die Diskussion zeigte nochmals deutlich, wie unterschiedlich die Bedarfe der verschiedenen Familien sind und dass auch Familien einem starken Druck ausgesetzt sind, die klassischerweise nicht unbedingt zu den vulnerablen Gruppen gehören. Frau Prof. Andresen ging auf die Situation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein. Umfragen haben ergeben, dass diese Altersgruppe das Gefühl habe, dass in der Pandemie ihre Bedürfnisse von der Politik nicht wahrgenommen wurden. Hier sei es sehr wichtig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten und Jugendpolitik ins Zentrum zu rücken. Als konkrete und kurzfristige Maßnahme empfiehlt Frau Prof. Diehl mehr finanzielle Mittel für Sprachkurse und informelle Treffen wie Schul-AGs zur Verfügung zu stellen, um die Situation von Geflüchteten und Migranten, für die mit den Schulschließungen nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch der Integration weggefallen war und so schon bestehende Bildungsunterschiede verstärkten, zu verbessern. Mehrfach wurde auch betont, dass generell ein Bürokratieabbau und eine bessere Vernetzung auf allen Ebenen dringend geboten sei, um Familien und Kindern Unterstützung niedrigschwellig zukommen zu lassen.

Über den Wissenschaftlichen Beirat für Familienfragen beim BMFSFJ

Der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen berät das Bundesfamilienministerium unabhängig und ehrenamtlich in allen Fragen der Familienforschung und Familienpolitik. In seiner jetzigen Form wurde er 1970 gegründet und ist damit eines der ältesten politischen Beratungsgremien der Bundesrepublik Deutschland. Er äußert sich eigenständig und unabhängig zu Schwerpunktfragen der Familienpolitik: www.bmfsfj.de/beiratfamilienfragen 

Über die Stiftung Ravensburger Verlag

Die Aufgaben der gemeinnützigen Stiftung orientieren sich an den Programmen und Überzeugungen des Stifters Ravensburger AG. Im Fokus stehen Kinder und Familien, Bildung und Erziehung. Die Stiftung fördert Initiativen und entwickelt mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis selbst Forschungs- und Bildungsprojekte. Deren Ergebnisse sollen Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen unterstützen. Zugleich möchte die Stiftung die Familien- und Bildungspolitik anregen und kritisch begleiten.

Quelle: Stiftung Ravensburger Verlag vom 24.02.2022

Redaktion: Kerstin Boller

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