Familienpolitik

Verbände verlangen mehr Kindergeld

Familienverbänden geht die von der Bundesregierung geplante Anhebung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages nicht weit genug. So sprach der Deutsche Familienverband in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 20. Mai von einem "enormen Nachholbedarf", da Kindergeld und -freibetrag schon seit 2010 nicht mehr erhöht wurden.

21.05.2015

Inzwischen sei nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Kindesexistenzminimums garantiert. Die von der Bundesregierung vorgesehenen Erhöhungen sind nach Ansicht des Familienverbandes "völlig unzureichend". Ähnlich äußerte sich der Familienbund der Katholiken.

Erhöhung des steuerlichen Kinderfreibetrages

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (<link http: dip21.bundestag.de dip21 btd external-link-new-window gesetzentwurf>18/4649) sieht vor, dass der steuerliche Grundfreibetrag (aktuell 8.354 Euro) rückwirkend zum 1. Januar 2015 um 118 Euro auf 8.472 Euro erhöht werden soll. Ab dem 1. Januar 2016 ist eine weitere Anhebung um 180 Euro auf dann 8.652 Euro vorgesehen. Der steuerliche Kinderfreibetrag beträgt aktuell 7.008 Euro (einschließlich Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung) und soll rückwirkend zum 1. Januar 2015 um 144 Euro auf 7.152 Euro je Kind erhöht werden. Ab 1. Januar 2016 ist eine erneute Anhebung um 96 Euro auf 7.248 Euro vorgesehen.

Insgesamt Erhöhung des Kindergeldes um 6 Euro geplant

Das Kindergeld beträgt derzeit monatlich 184 Euro für das erste und zweite Kind, 190 Euro für das dritte Kind und 215 Euro für das vierte Kind und weitere Kinder. Es soll rückwirkend ab 1. Januar 2015 um vier Euro monatlich je Kind erhöht werden. Ab dem 1. Januar 2016 ist eine Erhöhung um weitere zwei Euro monatlich je Kind vorgesehen.

Nach Ansicht des Familienverbandes muss der Kinderfreibetrag auf die Höhe des Grundfreibetrages angehoben werden. Und der Verzicht auf eine rückwirkende Erhöhung des Kinderfreibetrages für 2014 sei "verfassungsrechtlich hoch problematisch". Diese Ansicht vertrat auch der Familienbund der Katholiken, der sich außerdem für eine Anhebung des Kindergeldes um zehn Euro pro Monat aussprach.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge und der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine hielten eine rückwirkende Erhöhung ab 2014 für "verfassungsrechtlich geboten". Johannes Selder, Richter am Bundesfinanzhof, argumentierte dagegen: Seiner Ansicht nach reicht der bisherige Kinderfreibetrag in diesem Jahr aus und sei 2016 geringfügig zu niedrig: "Somit ist es auch verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Kinderfreibetrag nicht bereits für das Jahr 2014 angehoben wurde."

Unterschiedliche Wirkung von Kindergeld und Kinderfreibetrag

Mehrere Sachverständige gingen auf die unterschiedliche Wirkung von Kinderfreibetrag und Kindergeld ein. Nach geltendem Recht prüfen die Steuerbehörden in jedem Fall, ob Kindergeld oder Freibetrag günstiger sind und wenden die für den Steuerzahler günstigere Regelung an. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte, der Dualismus von Kindergeld und Kinderfreibetrag sei verfassungsrechtlich nicht zwingend und führe zu einer verteilungspolitischen Schieflage. Denn die Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge steige progressiv mit dem Einkommen der Eltern.

"Der Familienausgleich sollte so erfolgen, dass jedes Kind dem Staat gleich viel wert ist und nicht bestehende Ungleichheiten noch verstärken", forderte der DGB, der die vorgesehene Kindergelderhöhung um sechs Euro in zwei Jahren als unzureichend bezeichnete. Der Deutsche Verein wies darauf hin, dass durch eine gleiche Entlastung 120.000 Kinder aus der Armut geholt werden könnten.
Professor Joachim Wieland (Universität Speyer) machte die unterschiedliche Wirkung von Kindergeld und Freibetrag an Zahlen deutlich. 2014 wurden beim ersten und zweiten Kind 2.208 Euro Kindergeld pro Kind gezahlt. "Dem steht eine steuerliche Entlastung von 3.327 Euro bei Steuerpflichtigen gegenüber, die den Reichensteuersatz von 45 Prozent sowie den Solidaritätszuschlag zahlen." Da jedes Kind Anspruch auf staatliche Förderung in gleicher Höhe habe, sollte die steuerliche Entlastung durch einen Grundfreibetrag erfolgen, schlug Wieland vor. Einen Verzicht auf eine rückwirkende Erhöhung ab 2014 hat für ihn das Merkmal "eindeutiger Verfassungswidrigkeit".

Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erhöhen

Auch wenn der Gesetzentwurf dazu keine Regelung enthält, war der Freibetrag für Alleinerziehende ein Thema der Anhörung. Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof und Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, verwies auf den Vorschlag des Bundesrates, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende um 600 Euro auf 1.908 Euro anzuheben und den Entlastungsbetrag nach der Kinderzahl gestaffelt für jedes weitere Kind um jeweils 240 Euro anzuheben. Der Vorschlag findet auch in den Koalitionsfraktionen Zustimmung. Die Erhöhung sei geeignet, "dieser Diskussion mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung des Existenzminimums in rechtskonformer Weise Rechnung zu tragen", so Brandt. Die Mehrbelastungen für Alleinerziehende sind nach Ansicht von Professor Anne Lenze (Hochschule Darmstadt) nach derzeitiger Datenlage zwar nicht konkret feststellbar, aber mit Sicherheit höher als die Entlastungswirkungen des derzeitigen Betrags und des Bundesrats-Vorschlages.

<link http: dip21.bundestag.de dip21 btd external-link-new-window drucksache>>> Zum Gesetztesentwurf zur Anhebung des Grundfreibetrags, des
Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags

Quelle: Deutscher Bundestag, hib – heute im bundestag Nr. 263 vom 20.05.2015

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