Bildungspolitik

Stoch stellt grundlegende Veränderung der Bildungslandschaft vor

Vom 25. bis 29. März 2014 ist die Bildungsmesse didacta zu Gast in Stuttgart. Baden-württembergischer Kultusminister Andreas Stoch stellte auf der didacta 2014 am 25. März ein neues "Bildungsland Baden-Württemberg" vor.

27.03.2014

Die Gesellschaft verändert sich, und mit ihr auch die Anforderungen an die Bildungspolitik. Gerade im internationalen Vergleich tut sich Deutschland jedoch schwer mit neuen Konzepten. Einen Ausblick auf die künftige Bildungslandschaft Baden-Württembergs gab Kultusminister Andreas Stoch am Dienstag auf der Bildungsmesse didacta in Stuttgart. Motto: "Bildung, die allen gerecht wird."

Ganztagsschule als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen

Die etwa in Frankreich oder Skandinavien weit verbreitete Ganztagsschule wird hier zu Lande zwar schon lange diskutiert, fand sich jedoch "politisch eher auf den hinteren Rängen", wie Stoch es formulierte. Man sei einfach davon ausgegangen, "dass die Kinder nachmittags zuhause sein sollten. Doch die Gesellschaft hat sich verändert, es gibt Alleinerziehende und Doppelverdiener. Auf diese Veränderungen müssen wir reagieren und die Chancen nutzen." Nicht zuletzt seien Ganztagsschulen auch der Schlüssel zur besseren Förderung von Kindern aus so genannten "bildungsfernen" Familien. Die Schule werde als Lernort gestärkt und zu einem Lebensort, an dem auch "weitere Kompetenzen" vermittelt würden. Freilich könne man "nicht alles den Lehrern aufbürden", sondern benötige "multiprofessionelle Teams", um das breite Lern- und Freizeitangebot zu stemmen.

Individuelle Förderung an der Gemeinschaftsschule

Als weiteren Ansatzpunkt nannte Stoch die – ebenfalls nicht unumstrittene – Gemeinschaftsschule. "Wir müssen es schaffen, mit einer unterschiedlichen Leistungsfähigkeit als Chance umzugehen", plädierte er. Es gelte, den Schulbetrieb noch stärker an den Fähigkeiten des Einzelnen zu orientieren und "möglichst wohnortnah eine Vielfalt von Angeboten" zu schaffen. Man wolle "aus dem reichen pädagogischen Handwerkszeug das Optimale herausnehmen und so die optimale Förderung für das einzelne Kind erreichen. Die Frage ist nicht, wie wir einzelne Schularten erhalten, sondern, welche pädagogischen Elemente bei den Schülern Anklang gefunden haben." Die Gemeinschaftsschulen, die ihren Betrieb bereits aufgenommen hätten, liefen jedenfalls "hervorragend". Zum kommenden Schuljahr solle es über 200 Gemeinschaftsschulen im Lande geben.

Regionale Strukturveränderungen gegen das Schulsterben

Sorge indes bereitet dem Minister das Schulsterben. "Bis vor einigen Jahren gab es in Baden-Württemberg rund 1200 Hauptschulen, inzwischen sind 400 Standorte verschwunden", sagte Stoch. "Um dem Schulsterben Einhalt zu gebieten, haben wir zusammen mit den Kommunen ein Konzept entwickelt. Gerade in ländlichen Gegenden sind die Schulstandorte geschwächt. Dadurch sinkt nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Wirtschaftskraft, die bei uns nicht in städtischen Zentren geballt, sondern regional verteilt ist." Es sei daher wichtig, "die Möglichkeit zu einem adäquaten Schulabschluss individuell und wohnortnah zur Verfügung zu stellen. Das wird erhebliche Veränderungen mit sich bringen, aber ohne regionale Strukturveränderungen wird das Schulsterben weiter zunehmen." Angesichts sinkender Schülerzahlen lasse sich trotz aller Bemühungen aber nicht jeder Standort halten – "man braucht eine gewisse Mindestgröße."

Keine "blinde Akademisierung"

Insgesamt sei entscheidend, "dass man auch an anderen Stellen das Richtige tut", sagte Stoch. So gebe die Landesregierung 300 Millionen Euro für den U3-Bereich aus, bei den Grundschulen werde der Ganztagsausbau forciert. Auch die beruflichen Schulen wolle man weiter stärken. Hier habe man das Unterrichtsdefizit auf einen "historischen Tiefstand" gesenkt. "Wir müssen die Wertschätzung der beruflichen Ausbildung stärken. Es bringt nichts, den Trend zur Akademisierung blind weiterzutreiben."

"Großprojekt" Inklusion

Als "riesengroße Herausforderung" bezeichnete Stoch die Inklusion, die Einbindung lernschwacher oder behinderter Kinder in die Regelschule. "Bis zur Schulgesetzänderung werden wir die Voraussetzungen für eine Inklusion in hoher Qualität schaffen", kündigte er an, sah dabei allerdings auch Gefahren wie eine Überforderung der Lehrer oder mögliche Abwehrreaktionen der Eltern. Daher sei ein behutsames Vorgehen gefordert. "Eckpunkte" seien "gruppenbezogene Angebote und eine Zwei-Lehrer-Systematik". Eine wichtige Rolle spielten auch Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen, also "verschiedene Personen im schulischen Kontext, die Verantwortung für das jeweilige Kind tragen. Wir sind es nicht gewöhnt, auf diese Weise zu arbeiten, und es funktioniert nur dann, wenn sich alle für alle Kinder verantwortlich fühlen." Solche "Großprojekte" seien freilich nicht möglich bei gleichzeitiger Streichung von Lehrerstellen im bislang geplanten Umfang. Wie die beschriebenen Ganztags- oder Gemeinschaftsschulprojekte stelle die Inklusion eine "grundlegende Veränderung der Bildungslandschaft" dar.

Quelle: didacta - die Bildungsmesse vom 26.03.2014

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