Bildungspolitik

Startschuss für europäische Ausbildungsallianz

Die EU-Bildungsminister wollen ihre Berufsbildungssysteme reformieren. Dazu haben sie ein Berliner Memorandum verabschiedet. Vorbild ist die duale Ausbildung in Deutschland.

12.12.2012

Bei der Europäischen Berufsbildungskonferenz in Berlin haben sich Bildungsministerin Annette Schavan und die EU-Bildungsminister von Spanien, Portugal, Griechenland, Lettland, der Slowakei und Italien auf ein Memorandum verständigt. Sie wollen bei der Reform ihrer Berufsbildungssysteme künftig enger mit Deutschland zusammenarbeiten.

Deutschland als Vorbild

Rund ein Viertel der Jugendlichen in Europa zwischen 14 und 25 Jahren ist arbeitslos. Mit dem Berliner Memorandum wollen die EU-Bildungsminister dem Trend entgegenwirken und so die Zukunft der jungen Generation sichern.
In Spanien und Griechenland sind rund 55 Prozent arbeitslos, in Portugal und Italien 40 und in Frankreich 26 Prozent. Mit nur 8,1 Prozent Jugendarbeitslosigkeit ist Deutschland ein positiver Außenseiter - und Vorbild für die europäischen Nachbarn.
Duale Ausbildung macht Deutschland stark
Zu einem erheblichen Teil wird dies dem dualen Ausbildungssystem zugeschrieben. Entsprechend groß ist das Interesse am deutschen System der beruflichen Bildung.
Das Memorandum enthält zahlreiche Maßnahmen zur Einführung eines Systems der beruflichen Bildung nach deutschem Vorbild. Bis 2020 wollen die Minister erreichen, dass 80 Prozent aller jungen Menschen in der EU Arbeit haben.
"Wir geben heute den Startschuss für eine europäische Ausbildungsallianz", sagte Schavan. Der Zustand sei unhaltbar, dass so viele Menschen in Europa arbeitslos seien. "Wir müssen alles tun, um die Zukunftschancen der nächsten Generation zu sichern", so Schavan weiter.

Hilfestellung für junge Arbeitslose

Damit sich der Europäische Bildungsraum und Arbeitsmarkt entwickeln, sollen Auszubildende, Fachkräfte und Wissenschaftler mobiler werden. Für 2013 stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung deshalb 10 Millionen Euro für Pilotprojekte mit Kammern und Betrieben in den Partnerländern bereit. 30.000 Austausche sollen in Form von Praktika oder Ausbildungsphasen realisiert werden.
Beim Bundesinstitut für Berufliche Bildung wird eine Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation eingerichtet. Eine Anlaufstelle für die steigenden internationalen Fragen zum deutschen Berufsbildungssystem sei notwendig, betonte Schavan.
Die Europäische Kommission und das Europäische Zentrum zur Förderung der Berufsbildung unterstützen diesen Prozess. Die EU-Kommission setzt in ihrer neuen Strategie "Rethinking Education" einen Schwerpunkt auf die praxisorientierte Ausbildung. Zur Finanzierung sollen ab 2014 maßgeblich das neue Bildungsprogramm "Erasmus für alle" und der neue Europäische Sozialfonds beitragen. Zudem will die Kommission mit einer "Europäischen Allianz für Lehrlingsausbildung" weitere Staaten in den Reformprozess integrieren.

Jobgarantie für alle unter 25

Die Europäische Kommission will ein Programm "Jugend in Beschäftigung bringen" auflegen. Darin werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, allen EU-Bürgern unter 25 Jahren künftig innerhalb von vier Monaten eine Beschäftigung zu garantieren.
Die Regierungen sollen eine "Jugendgarantie" abgeben, hatte Sozialkommissar László Andor Anfang Dezember in Brüssel gefordert. Als Vorbild gelten vergleichbare Initiativen in Österreich, den Niederlanden, Finnland und Norwegen. Die Jugendgarantie sieht vor, dass Jugendliche spätestens vier Monate nach Ende ihrer Ausbildung oder nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes eine neue Stelle, einen neuen Ausbildungsplatz oder aber zumindest einen Praktikumsplatz bekommen.

Hohe Kosten durch Jugendarbeitslosigkeit

Andor sagte, den EU-Mitgliedstaaten entstünden hohe Kosten, wenn sie sich nicht verpflichteten, jungen Menschen unter 25 Jahren eine adäquate Stelle oder zumindest einen Praktikumsplatz zu verschaffen. Den 17 Ländern der Euro-Zone würde die Jugendgarantie laut International Labour Organization 21 Milliarden Euro kosten; das entspricht 0,45 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung.
Die EU-Agentur Eurofound beziffert die Kosten der Jugendarbeitslosigkeit dagegen auf 153 Milliarden Euro pro Jahr an Sozialleistungen und entgangenen Steuereinnahmen. Das entspricht 1,21 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. Wenn die Jugendlichen keine Perspektive am Arbeitsmarkt erhielten, käme langfristig auch noch die Belastung für die Sozialkassen hinzu. Deshalb müsse es gelingen, dass wirklich jeder Jugendliche in Europa die Möglichkeit zu einer Ausbildung bekomme, so Schavan.

Exportschlager Duale Ausbildung

Das US-Meinungsforschungsinstitut Nations Brands Index bewertet Deutschland als fortschrittliches Land mit einer qualifizierten Bevölkerung. Auf einigen Feldern gilt Deutschland als vorbildlich. Das betrifft die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und das duale System der Berufsausbildung.

Die duale Berufsausbildung feiert in so unterschiedlichen Ländern wie Großbritannien, Schweden, Südafrika oder Malaysia ihr Comeback. Der spanische Bildungsminister Wert will sich bei seinen Bildungsreformen an der dualen Ausbildung in Deutschland orientieren. Auch Frankreich überlegt, einige Elemente aus der deutschen Ausbildung zu übernehmen. "Die Kombination von Theorievermittlung und praktischer Anwendung im Betrieb hat die berufliche Bildung zu einem Erfolgsmodell des deutschen Bildungswesens gemacht", stellte Ministerin Schavan fest.
Beim Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs im Mai 2012 wurde ein Pakt für Wachstum und Beschäftigung in Höhe von 120 Milliarden Euro beschlossen. Rund 55 Milliarden Euro aus dem Europäischen Sozialfonds sind noch nicht für konkrete Projekte gebunden. Sie sollen für wachstumssteigernde Maßnahmen und zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit genutzt werden. Die EU-Kommission hat rund 7,3 Milliarden Euro bereitgestellt, um Jobs für junge Leute zu schaffen. Außerdem wurden damit kleine und mittlere Unternehmen gefördert, die Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen hatten. Die Kommission schätzt, dass davon mindestens 460.00 Jugendliche und 56.000 kleine und mittlere Unternehmen profitieren.

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 11.12.2012

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