Bildungspolitik
Lehrer und Kommunen fordern Korrekturen des Gesetzentwurfs zur Inklusion
Lehrerorganisationen und die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen haben in einem gemeinsamen Appell an die Landespolitik die nötigen Rahmenbedingungen gefordert, die Inklusion überhaupt gelingen lassen können.
11.09.2013
Anlässlich der Beratungen des Schulausschusses zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz am 11. September 2013 (Mittwoch) wenden sich Lehrerorganisationen und die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen mit einem gemeinsamen Appell an die Landespolitik.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Philologen-Verband, der Verband Bildung und Erziehung sowie der Verband Sonderpädagogik e.V. und die kommunalen Spitzenverbände Städtetag NRW, Landkreistag NRW sowie Städte- und Gemeindebund NRW stehen voll hinter dem Grundgedanken der Inklusion und der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention – allerdings vermissen sie nach wie vor die nötigen Rahmenbedingungen, welche die Inklusion überhaupt gelingen lassen können.
Die Expertenanhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung hat Anfang Juni 2013 deutlich gemacht, dass Gutachter, Vertreter der Kommunen, Gewerkschaften und Lehrerverbände sowie andere Experten den Gesetzentwurf für nicht durchdacht halten und ihn daher in der jetzigen Form ablehnen. Wir erwarten vom Parlament, dass die vorgebrachten Kritikpunkte angemessen berücksichtigt werden und der Gesetzentwurf entsprechend geändert wird. Die letzte Chance, den Gesetzentwurf tragfähig zu gestalten, so der Appell der Lehrerorganisationen und der kommunalen Spitzenverbände, muss in den Ausschussberatungen bis zum 18. September genutzt werden.
Vor allem fehlen gesetzliche Standards für die Inklusion, die allen Beteiligten Sicherheit und verlässliche Strukturen etwa für eine genaue Schulentwicklungsplanung geben, sowie eine Zusicherung der erforderlichen Finanzmittel für die bauliche, sächliche und personelle Ausstattung. Qualität in der Inklusion gibt es nur mit mehr Ressourcen für mehr Sonderpädagogen, die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte in allen Schulformen und Schulstufen, Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen, Schulbegleiter, Pflege- und Assistenzkräfte, inklusionsgeeignete Lehr- und Lernmittel, die Herstellung von Barrierefreiheit, die Schaffung genügender Klassen- und Differenzierungsräume sowie die Schülerbeförderung. Die bisher von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus.
Neben Aussagen zur generellen Finanzierung und einer Anerkennung der Konnexität vermissen die Lehrerorganisationen und kommunalen Spitzenverbände eine realistische Kostenfolgeabschätzung, die über Jahre hinweg eine vernünftige Planung und Umsetzung der Inklusion überhaupt erst ermöglicht. Das Argument, eine solche Schätzung sei wegen der Komplexität des Vorhabens nicht möglich, ist seit Vorlage eines entsprechenden Gutachtens im Juli dieses Jahres durch die kommunalen Spitzenverbände entkräftet. In dem Gutachten wurde exemplarisch für die Stadt Essen sowie für den Kreis Borken nachgewiesen, dass selbst bei Ausbau der Inklusion unter einfachsten Qualitätsstandards erhebliche Mehrkosten für die Kommunen entstehen. Die zugrunde gelegten Prognoseverfahren sind auf alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen übertragbar. Die kommunalen Spitzenverbände weisen die von der Landesregierung geäußerte Kritik an dem Gutachten zurück, da die Bildungs- und Finanzwissenschaftler deutliche Mehrbelastungen der Kommunen überzeugend dargelegt haben. Das Land muss den Kommunen die zusätzlichen Kosten, die durch das Gesetz entstehen, erstatten. Andernfalls sind die Kommunen leider gezwungen, Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgericht in Münster erheben zu müssen. Das Menschenrecht auf Inklusion darf nicht standortabhängig werden. Dies würde den verfassungsrechtlich gebotenen gleichwertigen Lebens- und Bildungsverhältnissen widersprechen.
Alle Verbände betonen gemeinsam: Inklusion darf nicht scheitern. Die Lehrerorganisationen und die Kommunen wollen das gemeinsame Lernen mit allen Kräften unterstützen, das Land darf dabei jedoch nicht den Großteil der Verantwortung auf die Kommunen und die Lehrkräfte abwälzen. Vielmehr muss es im Interesse aller Kinder die benötigten Stellen schaffen und den kommunalen Schulträgern die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen.
Quelle: GEW Nordrhein-Westfalen vom 10.09.2013
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