Bildungspolitik
GEW zur OECD-Studie: „Fachkräftemangel ausgeblendet“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellt fest, dass die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2020“ den dramatischen Fachkräftemangel an Schulen und Kitas weitgehend ausblende. Der Schwerpunkt der Untersuchung „Berufliche Bildung“ berücksichtige die Qualität der Bildungsgänge nicht ausreichend.
10.09.2020
„Wir begrüßen grundsätzlich, dass der Bericht zum ersten Mal versucht, die bislang eher vernachlässigten Berufsbildungssysteme zu vergleichen. Deutschland nimmt unter anderem mit seinem Dualen System im internationalen Vergleich zwar eine ansehnliche Rankingposition ein, aber: Laut Berufsbildungsbericht haben mehr als 1,5 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss. Zudem erfasst der OECD-Bericht lediglich die Zahl der jungen Menschen in den Bildungsgängen, jedoch nicht deren Qualität“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am 8. September in Frankfurt a.M. „Die quantitativen Daten zeigen nicht, wie die Berufsbildungssysteme im Zusammenspiel mit den anderen Bereichen des Bildungswesens historisch gewachsen sind.“ Außerdem bildeten die Kriterien, auf denen die Studie fußt, die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Deutschland nicht ab. Diese sei aber eine wichtige Grundlage für das vergleichsweise hohe Ansehen der Berufsbildung im internationalen Vergleich.
Hoher Fachkräftemangel an Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern
Zu einem umfassenden Blick auf die Bildungssysteme gehört nach Auffassung der GEW auch die Frage, inwieweit es den Bildungssystemen gelingt, Pädagoginnen und Pädagogen sowie die Lehrenden an Hochschulen qualifiziert auszubilden und angemessen zu beschäftigen. „Der Fachkräftemangel an Schulen und Kitas, den die Länder zu verantworten haben, erweist sich zunehmend als Achillesferse des deutschen Bildungswesens“, betonte Tepe. „Bereits 2017 konnten die Länder viele Stellen nicht mit entsprechend qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern besetzen. Seitdem ist der Mangel beispielsweise an Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern deutlich gewachsen.“
Ein inklusives System und hoch qualifizierte Pädagoginnen und Pädagogen seien die Voraussetzung, das Kardinalproblem der Bildung in Deutschland zu lösen: Die enge Kopplung von Bildungserfolg und sozialer Herkunft sowie die Gruppe von gut 20 Prozent sogenannter Risikoschülerinnen und -schüler, deren Lese- und Rechenkompetenzen nicht ausreichen, um in der Gesellschaft Fuß zu fassen.
Trotz absoluter Ausgabensteigerung seien die relativen Investitionen Deutschlands für Bildung gemessen an dem guten Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahrzenten zurückgegangen.
„Auf dem Dresdener ‚Bildungsgipfel‘ haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten 2008 vereinbart, ab 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Bildung und Forschung zu investieren. Sieben Prozent in Bildung und drei in Forschung. Von diesem Ziel sind wir immer noch weit entfernt“, sagte Tepe. Hätte Deutschland 2017 für die Grund- bis zu den Hochschulen nicht 4,2 Prozent, sondern wie Norwegen 6,6 Prozent des BIP ausgegeben, stünden alleine diesen Bildungseinrichtungen fast 78 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, um ihre gesellschaftlich wichtigen Aufgaben zu lösen.
Quantität und vor allem Qualität des Bildungswesens verbessern
„Die Finanzierung der Bildungseinrichtungen hat mit der wirtschaftlichen Entwicklung und den wachsenden Aufgaben der vergangenen Jahre nicht Schritt gehalten. Im Vergleich zur ersten Hälfte der 2010er-Jahre ist der Anteil am BIP sogar gesunken. Bildung bekommt nicht die notwendige Wertschätzung. Das widerspricht der Rhetorik der Politikerinnen und Politiker, die immer wieder den hohen Stellenwert der Bildung für die Gesellschaft betonen“, unterstrich die GEW-Vorsitzende. Im internationalen Bildungsvergleich erfolgreiche Länder seien in der Vergangenheit einen anderen Weg gegangen. Sie hätten ihre Bildungsausgaben absolut und relativ zu ihrer Wirtschaftskraft deutlich gesteigert, wie die OECD-Studie Jahr für Jahr belegt. Deutschland müsse seine Chance nutzen, die Quantität und vor allem die Qualität des Bildungswesens zu verbessern, um den wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden. „Der Gesellschaft ist in der Corona-Pandemie deutlich geworden, woran es in der Bildung fehlt. Nun muss die Politik im Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen handeln, statt sich gegenseitig zu blockieren“, sagte Tepe.
OECD-Studie
Am 07. September 2020 veröffentlichte die OECD den jährlichen Bericht „Bildung auf einen Blick 2020“ (Education at a Glance 2020). Der Bericht hat das Ziel, anhand von quantitativen Indikatoren einen Vergleich der Bildungssysteme von 37 OECD-Staaten sowie neun Partnerstaaten zu ermöglichen.
Quelle: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom 08.09.2020
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