Bildungspolitik

GEW: "Bildungsrepublik Deutschland ist Fata Morgana"

"Die Bildungsrepublik Deutschland ist eine Fata Morgana. Allen Rechentricks der Finanzminister, Sonntagsreden der Politiker und Bildungsgipfeln zum Trotz: Im internationalen Vergleich investiert Deutschland weiterhin viel zu wenig in sein Bildungswesen", sagte Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), in einer ersten Reaktion auf die am Dienstag vorgestellte OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2010".

08.09.2010

"Um international nicht noch weiter abgehängt zu werden, müssen Bund und Länder endlich die Bremsen lösen und die während des Bildungsgipfels vereinbarten finanziellen Ziele auch anpacken - statt die Bildungsausgaben nur schön zu rechnen: Sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Bildung und drei Prozent für Forschung sind die Messlatte. Pensions-Ausgaben für ehemalige Lehrkräfte hellen zwar die Statistik auf, die Qualität des aktuellen Bildungsangebotes verbessern sie aber um keinen Deut." Jährlich rund 40 Milliarden Euro mehr als bisher müssten für die Bildung ausgegeben werden, damit der gewünschte und benötigte quantitative und qualitative Ausbau des Bildungsbereichs möglich wird.

Thöne wies darauf hin, dass höhere Studier- und Akademikerquoten in anderen Staaten einher gehen mit einer besseren Finanzausstattung des Bildungsbereichs. Die Bundesrepublik mit ihrem hochselektiven Bildungswesen steuere dagegen in einen massiven Akademiker- und Fachkräftemangel. "Wer früh in Köpfe und Entwicklung der Kinder investiert sowie Heranwachsende in einem integrativen Bildungssystem bestmöglich fördert, muss sich keine Sorgen um gut qualifizierte Menschen machen", sagte Thöne. Die steigende, aber immer noch weit unter OECD-Schnitt liegende Studierendenquote sei auch darauf zurückzuführen, dass die wachsende Zahl junger Menschen, die ihren Hochschulzugang in anderen Staaten erworben, aber in Deutschland ein Studium begonnen haben, mitgezählt werden. Seit Jahren sinke dagegen die Quote der Abiturienten aus Deutschland, die ein Studium aufnehmen.

"Im Bildungsbereich ist der Pädagogenmangel schon jetzt sichtbar: An Kitas, Schulen und Hochschulen fehlen mehrere zehntausend Lehrende. Die Unterrichtsversorgung an Schulen wird immer schlechter, weil die Länder zu wenige Lehrkräfte ausbilden und einstellen. Schon jetzt sind an den Schulen in Deutschland rund 25 Prozent weniger qualifizierte Lehrende beschäftigt als im OECD-Schnitt", unterstrich Thöne.

"Wer mehr Studierende und Akademiker haben will, muss die enge Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungschancen durchbrechen. Dieser Prozess beginnt mit mehr und qualitativ hochwertigen Angeboten in der Kita, verlangt aber auch, den Zugang zu den Hochschulen zu erleichtern und Anreize für die Aufnahme eines Studiums zu schaffen - statt die dringend notwendige Bafög-Reform auf Eis zu legen", betonte der GEW-Vorsitzende. Insbesondere mit Blick auf den Lehrermangel verlangte er, dass die pädagogischen Berufe gesellschaftlich deutlich aufgewertet werden müssten. "Das muss sich auch in höheren Einkommen niederschlagen", sagte Thöne. Er erinnerte daran, dass die Gehälter der Lehrkräfte in den vergangenen Jahren deutlich gesunken seien, gleichzeitig sei die Arbeitsverdichtung gestiegen. "So schrecken wir die jungen Menschen ab, die wir benötigen, um den Lehrermangel an den Schulen zu beenden", sagte Thöne. Er machte sich außerdem dafür stark, dass sich die Hochschulen endlich konsequent für Menschen öffnen, die sich im Beruf qualifiziert haben: Auch ohne traditionelle Hochschulberechtigung dürften diesen keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie ein Studium beginnen wollen.

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