Bildungspolitik

Die UN-Behindertenrechtskonvention - reif für die Schule?

Eine Schule, die für alle Kinder zugänglich ist, forderten Experten, die am Samstagabend auf Initiative der Aktion Mensch beim Ökumenischen Kirchentag das Thema „Die UN-Behindertenrechtskonvention - reif für die Schule?" vor mehr als 200 Gästen diskutierten.

17.05.2010

München. „Zwei parallel nebeneinander laufende Systeme sind auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht wünschenswert“, machte der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, klar. Die Aktion Mensch hatte zur derzeit äußerst kontrovers diskutierten Thematik eingeladen, um der Debatte neue Impulse in Richtung Inklusion zu geben. „Es liegt nicht an den oftmals angeführten Finanzzwängen, dass Kindern mit einem besonderen Betreuungsbedarf der Zugang zur Regelschule verwehrt wird“, erläuterte der Vorstand der Aktion Mensch, Martin Georgi. „Die Mittel im Bereich Bildung müssen nur sinnvoll umgeschichtet werden.“ Die Aktion Mensch setze sich im Rahmen ihrer Förderaktivitäten dafür ein, dass Inklusion - auch im Bildungsbereich - Wirklichkeit werde. Sie fördere etwa Modellprojekte, die Eltern von behinderten Kindern über ihre Rechte aufklären und sie dabei unterstützen, einen Regelschulplatz für ihr Kind zu finden. In ihrer Rolle als Förderer und Mittler, geht es der Aktion Mensch auch immer darum, zur Vernetzung der einzelnen Initiativen beizutragen und „die Lobby für Gleichberechtigung im Schulsystem zu stärken“. 

Zu Beginn der Diskussion hatte Marianne Hirschberg von der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte klargestellt, dass sich Deutschland mit der Annahme der UN-Konvention verpflichtet habe, die Rahmenbedingungen für gleiche Bildungschancen für alle zu schaffen. „Dieses Recht gilt ab sofort und kann auch eingeklagt werden.“ Gemeinschaft sei für alle Beteiligten ein unschätzbarer Zugewinn, betonte der Schlagersänger und Musiktherapeut Guildo Horn, denn „jeder Mensch muss lernen wie er mit Andersartigkeit umgeht.“ Oftmals würde Bildung als reines Aufnehmen von Wissen missverstanden, dabei sei Bildung vor allem das Lernen vom Gegenüber, das gemeinsame Erwerben von Sozialkompetenz. „Das habe bei meiner Arbeit mit geistig behinderten Menschen selbst erfahren. Die Ehrlichen, Unverklemmten, wirklich Normalen sitzen oft in den Einrichtungen.“ 

Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, unterstrich die nachhaltig positiven Folgen einer gemeinsamen Schule für Kinder mit und ohne Behinderung: „Wer als Kind nie Kontakt zu Behinderten hatte, wird auch später als Unternehmer keinen Menschen mit Behinderung einstellen - so wird einer separierten Gesellschaft Vorschub geleistet.“

Martin Georgi, Vorstand der Aktion Mensch, verwies letztlich darauf, dass natürlich nicht nur die Schule anders gestaltet werden müsse auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft. „Wir haben unsere Förderung neu ausgerichtet, um in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Freizeit den Abbau von Sondereinrichtungen und -maßnahmen zu fördern“, so Georgi. „Die Lotterieteilnehmer ermöglichen Vieles - die Fördergelder belegen beispielhaft, was die Aktion Mensch als „Lückenfüller“ leisten kann. Viel stärker aber ist unsere Forderung an diese Gesellschaft, dass Lücken erst gar nicht entstehen“, so der Vorstand der Aktion Mensch weiter.

Diskussion auf Inklusionsstühlen 

Beflügelt wurde die Diskussion von den „Inklusionsstühlen“, die am Stand der Aktion Mensch auf dem Ökumenischen Kirchentag von Besuchern gestaltet worden waren, und auf denen die Experten sowie Moderatorin Jutta vom Hofe Platz nahmen. Auf insgesamt über 500 Stühlen war bis Samstagabend am Stand der Aktion Mensch eine farbenfrohe Stuhlskulptur entstanden. Mehr als 2500 - meist junge Menschen - hatten ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und damit dem Inklusionsgedanken Ausdruck verliehen. „Die Stühle stehen für Individualität. Das gesamte Gebilde in seiner Unterschiedlichkeit symbolisiert aber auch Gemeinschaft. So vielfältig sieht auch eine inklusive Gesellschaft aus, die Menschen mit Behinderung von Anfang an einbezieht. Wir sind begeistert, wie viele Menschen durch ihr Mitwirken zeigen, dass sie sich gemeinsam mit uns dafür einsetzen", erklärte Martin Georgi.

Inklusion löst Integration ab 

Inklusion ist der Schlüsselbegriff der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die 2009 auch in Deutschland in Kraft trat. Inklusion bezeichnet das selbstverständliche und gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen von Anfang an und löst den Begriff der Integration ab. Konkret bedeutet das: gleiche Chancen für alle im Bildungssystem, am Arbeitsmarkt, bei Wohnmöglichkeiten und der Zugänglichkeit von Arztpraxen, Internetangeboten oder Universitäten. Dasselbe gilt auch im Bereich der Freizeitgestaltung - zum Beispiel beim Mitwirken in einem Verein oder beim Besuch von Kultureinrichtungen.

Herausgeber: Aktion Mensch

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