Bildungspolitik

Bildungsförderalismus: GEW fordert Kooperationsgebot

Berlin/Frankfurt a.M. – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich dafür stark gemacht, das Grundgesetz zu ändern und das mit der Föderalismusreform I 2006 verabschiedete Kooperationsverbot für den Bildungsbereich wieder zu kippen.

19.03.2012

„Wir brauchen mehr Kooperation, wir brauchen ein Kooperationsgebot: Bund, Länder und Kommunen müssen an einem Strang ziehen, um die Probleme im Bildungsbereich zu lösen“, sagte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne am Montag  in Berlin während einer Anhörung im Bundestag zur Frage des Kooperationsverbotes. Thöne vertrat die Gewerkschaften. „Es ist unverantwortlich gegenüber Lernenden und Beschäftigten, dass der Bund die Länder bei notwendigen Projekten nicht mehr finanziell unterstützen darf. Vorhaben wie das erfolgreiche Ganztagsschulprojekt, 2003 von der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) initiiert, sind heute nicht mehr möglich. Deshalb begrüßt die Bildungsgewerkschaft ausdrücklich, dass jetzt Bewegung in die Diskussion um das Kooperationsverbot gekommen ist.“ Der GEW-Vorsitzende warnte jedoch vor einem Schnellschuss, der eine nachhaltige Lösung behindere, sollten sich Bund und Länder nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen können.

Thöne betonte, dass der Wettbewerbs- und Konkurrenz-Föderalismus in der Bildungspolitik auf dem Rücken der Lernenden, Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen ausgetragen werde. „Das Kernproblem: Die finanzstarken Länder laufen den finanzschwachen davon und der Bund hat keine Möglichkeiten, seine finanziellen Möglichkeiten zielführend einzusetzen. Ein Trend, den die Schuldenbremse in den kommenden Jahren massiv verschärfen wird. Die Folge: Bildungsgerechtigkeit nimmt ab, während der Bund viel Geld in Projekte investiert, deren bildungspolitischer Ertrag fragwürdig ist“, unterstrich der GEW-Vorsitzende.

„7,5 Millionen funktionale Analphabeten, 17 Prozent der 20- bis 29-Jährigen ohne Berufsausbildung, 60.000 Jugendliche ohne Schulabschluss jährlich, der Krippenausbau vor dem Scheitern, die Studierendenquote trotz überfüllter Hochschulen zu gering. Diese Probleme lassen sich mit Kirchtumspolitik und Konkurrenz nicht lösen. Kein Wunder, dass sich eine überwältigende Mehrheit der Menschen eine länderübergreifende Bildungspolitik wünscht“, sagte Thöne.

Der gescheiterte Dresdner Bildungsgipfel 2008 habe die Probleme des Bildungsföderalismus offenkundig gemacht. Bund und Länder hatten über alle ideologischen Grenzen hinweg angekündigt, das Trennende zurückstellen und die Probleme gemeinsam anzugehen: Zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollten künftig in Bildung und Forschung investiert werden. „Die Realität sieht jedoch anders aus: Statt Investitionen stehen Kürzungen auf der Tagesordnung. Es ist deshalb grundsätzlich richtig, wenn Bund und Länder endlich daran gehen wollen, die Weichenstellung von 2006 zu korrigieren. Es ist allerdings inkonsequent, wenn sie ausschließlich darum feilschen, ob der Bund nur Finanzhilfen gewähren oder ob er auf die Bildungspolitik auch stärker Einfluss nehmen kann – und ob er dies nur im Bereich der Hochschulen oder auch in der allgemeinen Bildung dürfen soll“, hob Thöne hervor.

„Bund und Länder müssen eine Diskussion führen, die die drängenden Sachfragen löst und zugleich dauerhaft verlässliche Strukturen für einen kooperativen Bildungsföderalismus schafft“, sagte der GEW-Vorsitzende. „7,5 Millionen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können, sind kein Problem einzelner Bundesländer. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal, der nur gemeinsam gelöst werden kann.“ Die Änderung des Grundgesetzes sei das eine, die praktische Zusammenarbeit danach das andere. Beide seien unverzichtbar. Das Ziel einer Verfassungsänderung müsse die Gesamtverantwortung von Bund und Ländern in der Bildungspolitik sein, ein Kooperationsgebot das Ergebnis. „Nur so können das Recht auf gute Bildung und Chancengleichheit für alle Menschen durchgesetzt werden“, unterstrich Thöne.

Quelle: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

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