Vorlesen und Erzählen in Familien mit Migrationshintergrund

Stiftung Lesen

Strukturebene: Bund

Erstmals präsentiert eine Studie Zahlen zum Vorlese- und Erzählverhalten in Familien mit Migrationshintergrund. Anlass ist der bundesweite Vorlesetag am 26. November.

 

Familien mit Migrationshintergrund legen ein sehr unterschiedliches Vorleseverhalten an den Tag. In 36 Prozent dieser Familien lesen die Mütter, in 12 Prozent von ihnen die Väter ihren Kindern täglich vor, in jeder achten Familie liest jedoch niemand vor. Das Gleiche gilt für einen zweiten wichtigen Impuls zur Vermittlung von Sprach- und Lesekompetenz: das Erzählen von Geschichten. In 30 Prozent der Familien wird es von der Mutter, in 13 Prozent der Familien vom Vater täglich praktiziert, in fast jeder vierten Familie erzählt allerdings niemand den Kindern Geschichten.

 

Die repräsentative Studie „Vorlesen und Erzählen in Familien mit Migrationshintergrund“, die Mitglieder der größten Migrantengruppen zu Wort kommen lässt, ist die vierte Untersuchung, mit der die Deutsche Bahn, die Wochenzeitung DIE ZEIT und die Stiftung Lesen das Vorleseverhalten in Deutschland untersuchen. „Viele Fakten widersprechen gängigen Vorstellungen“, erklärt Dr. Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen: „Ein großer Familienverbund mit mehreren Generationen in einem Haushalt bedeutet etwa noch lange nicht, dass hier viele Vorlese- und Erzähl-Akteure tätig sind – meist sind es die Mütter, mit Abstrichen die Väter.“ Hinzu komme: Familien aus Regionen mit klassischer mündlicher Erzähltradition verhalten sich sehr unterschiedlich. Eltern mit arabischem Migrationshintergrund zeigen sich im Unterschied zu Eltern mit türkischem Migrationshintergrund sehr aktiv. Ein weiteres Ergebnis der Studie: In Migrantenhaushalten mit muslimischer Prägung spielen religiöse Inhalte zwar eine große, jedoch keine größere Rolle als in christlichen Haushalten.

 

Laut Studie ist neben dem Bildungsabschluss das Herkunftsland ein wichtiger Vorlese- bzw. Erzähl-Indikator: In Familien aus Osteuropa und Russland, den arabischen Ländern sowie dem ehemaligen Jugoslawien seien beide Traditionen verbreitet, dann folgt West- bzw. Südeuropa. In der größten Migrantengruppe, den Familien aus der Türkei, wird beides am wenigsten praktiziert: Fast die Hälfte der Eltern in dieser Gruppe erzählt nie Geschichten, jedes dritte Elternpaar liest nie vor.

 

Heinrich Kreibich, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, zieht das Fazit: „Gerade dort, wo weder Vorlesen noch Erzählen in der familiären Tradition eine Rolle spielen, muss so früh wie möglich angesetzt werden, um junge Eltern zu sensibilisieren. Hier geht es um elementare Sprachförderung in Kooperation mit Kinderärzten sowie vielen anderen Akteuren, auf die wiederum Vorlesemaßnahmen aufbauen – und somit um ein hohes Investment. Es ist aber notwendig – im Interesse aller Menschen, die in Deutschland leben.“

 

Unter unten stehendem Link finden Sie die Ergebnisse der Studie.

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