Armut im frühen Grundschulalter

Arbeiterwohlfahrt - Bundesverband e.V.

Strukturebene: Bund

Kinder, die heute in Armut leben, bleiben arm und auch ihre Kinder werden arm sein. Das geht aus einer Studie der Arbeiterwohlfahrt (AWO) über Kinderarmut in Deutschland hervor. Aus dem Kreislauf von Armut durch Einkommensbenachteiligung sowie verminderte Bildungschancen ist demnach nur schwer zu entkommen. „Armut wächst mit“, erklärte AWO-Bundesvorsitzender Manfred Ragati bei der Vorstellung der Studie unter dem Titel „Armut im frühen Grundschulalter“ in Berlin.

 

Die Ergebnisse sind eindeutig: Aus der Armut gibt es kaum ein Entkommen. Die Situation der beobachteten Kinder und Familien hat sich bis auf wenige Ausnahmen verschärft – und damit die Folgen. Die Armut hat sich verfestigt, der gesundheitliche Zustand der Kinder oftmals verschlechtert und aus den Einzelgängern, die arme Kinder häufig bereits im Kindergarten waren, sind in der Grundschule Außenseiter geworden – sie können mit Gleichaltrigen nicht ins Kino oder Schwimmbad gehen und werden seltener zu Hause besucht.

 

Aus der Armutsfalle auszubrechen gelingt nur selten, weil auch die Bildungschancen armer Kinder deutlich geringer sind. „Wir können enge Zusammenhänge zu den PISA-Ergebnissen herstellen“, sagte Ragati. „Wenn Armut sich in der Biografie der Kinder und in den Familien fortsetzt, so wie in den meisten untersuchten Fällen, dann sind die Entwicklungschancen dauerhaft und in erheblichem Maße eingeschränkt.“

 

In einer ersten repräsentativen Untersuchung aus dem Jahr 2000 hatte das Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) im Auftrag der AWO belegt, dass in jedem siebten der 14 Millionen deutschen Kinderzimmer die Armut mitspielt. ("Gute Kindheit – Schlechte Kindheit", Sozialbericht 2000 der Arbeiterwohlfahrt) In der 2003 veröffentlichten Vertiefungsstudie wurden benachteiligte Familien und deren Kinder über drei Jahre beobachtet, befragt und bis ins Vorschulalter begleitet.

 

Zwei Untersuchungsergebnisse seien besonders auffällig: Kinder aus „fortgesetzt“ armen Familien haben nicht nur größere Schulprobleme, sie werden zum Teil auch später eingeschult. „Die Bildungskrise in Deutschland ist zu aller erst ein sozialpolitischer Skandal“, erklärte Ragati. Und: Benachteiligte Kinder sind in höherem Maße gesundheitlich beeinträchtigt. „Allein diese Feststellung erscheint noch einmal in einem besonderen Licht im Zusammenhang mit der Debatte um höhere Eigenanteile der Krankenversicherten“, so der AWO-Bundesvorsitzende. „Weitere Eigenbeteiligungen bedeuten auch, armen Kindern mehr gesundheitliche Risiken aufzubürden“.

 

Als Folge des Berichts fordert die AWO unter anderem:

 

Die Stärkung realistischer Familienmodelle. Die Vielzahl von Familienformen heute haben mit der bürgerlichen „Maßfamilie“ des 19. Jahrhunderts nur noch wenig zu tun. Gleichwohl sind Steuerrecht und staatliche Hilfestrukturen nach wie vor daran ausgerichtet.

 

Flexiblere Beschäftigungsangebote vor allem für Alleinerziehende. Dort wo Alleinerziehenden der Wiedereinstieg in den Beruf geglückt ist, hat sich auch die Lebenssituation der Kinder verbessert. Hier rücken insbesondere die verschiedenen Module des Hartz-Konzeptes in den Blickpunkt.

 

Ausreichende Angebote der Kinderbetreuung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wobei Betreuung nicht mit „Verwahrung“ verwechselt werden darf. Nötig sind Förderangebote gerade für schulisch benachteiligte arme Kinder. Die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe für Grundschulkinder sind außerdem unzureichend und müssen für diese Altersgruppe ausgeweitet werden.

 

Entlastung von Familien mit Kindern bei der Sozialversicherung sowie eine Grundsicherung durch eine stärkere einkommensabhängige Kinder- und Familienförderung. Nach wie vor senkt die Geburt von Kindern das Wohlstandsniveau der Familie, sind Kinder ein Armutsrisiko. Kinder müssen demnach bei den Beiträgen zu den Sozialversicherungen (wie es das Bundesverfassungsgericht fordert) stärker berücksichtigt werden.

 

Förderangebote speziell für benachteiligte Kinder. Um aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen brauchen arme Kinder besonders intensive und auf ihre individuelle Situation abgestellte Förderung.

 

Für die meisten Forderungen gilt: Was heute Millionen kostet, spart morgen Milliarden.

 

Bei der Folgestudie „Armut im frühen Grundschulalter“ des ISS im Auftrag der AWO wurden 185 der 900 Kinder und deren Familien aus der ersten Untersuchung „Gute Kindheit – Schlechte Kindheit“ befragt. In 27 Fallbeispielen wurde die Situation detailliert untersucht.

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