Urteil

Anspruch auf Hilfe nach 19 SGB VIII für unter Betreuung stehende junge Volljährige (Az.: 2 L 234/07 )

Verwaltungsgericht Aachen

Anspruch auf Hilfe nach 19 SGB VIII für unter Betreuung stehende junge Volljährige

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 18.07.2007

Az.: 2 L 234/07

 

Das Verwaltungsgericht Aachen verpflichtete im Wege der einstweiligen Anordnung den örtlichen Jugendhilfeträger, einer unter Betreuung stehenden 22-jährigen schwangeren Frau vorläufig Hilfe nach § 19 SGB VIII in einer Mutter-Kind Einrichtung zu bewilligen.

 

Die Berechtigung der Betreuerin, den Anspruch nach dem SGB VIII gegenüber dem Jugendamt und auf dem Rechtsweg zu verfolgen, resultiert nach Ansicht des Gerichts aus der Zusammenschau ihrer Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Heim- und Behördenangelegenheiten. Bei einer anderen Betrachtung wäre der Betreuerin eine sachgerechte Wahrnehmung der Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmungsrecht und Behördenangelegenheiten nicht möglich.

 

Der Hilfegewährung steht nach der Auffassung des VG Aachen nicht entgegen, dass die junge Frau in den letzten vier Jahren aufgrund ihrer geistigen Behinderung Eingliederungshilfe nach den Bestimmungen der §§ 39 ff BSHG bzw. der §§ 53 ff SGB XII erhalten hat. Im vorliegenden Fall ließen die vorliegenden Unterlagen und der ärztliche Befund nicht den Schluss zu, dass eine Förderung nicht mehr Erfolg versprechend erscheine. Zudem hatte die werdende Mutter im Laufe der Schwangerschaft unerwartete Entwicklungsfortschritte gemacht und eigene Ressourcen gezeigt, die es möglich erscheinen ließen, dass sie mit Unterstützung und Hilfe von außen nach einiger Zeit in der Lage sein werde, ein eigenverantwortliches, selbstständiges Leben mit dem Kind zu führen. Der Erlass der einstweiligen Anordnung scheiterte vorliegend auch nicht daran, dass die junge Frau während ihres Aufenthaltes in der Einrichtung voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, eine schulische oder berufliche Ausbildung zu absolvieren.

 

Der von dem Jugendamt aufgezeigten Perspektive, das Kind nach der Geburt zu Lasten der Jugendhilfe getrennt von der Mutter in einer Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen, ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt. Entsprechend der in Art. 6 Grundgesetz verfassungsmäßig garantierten Elternrechte und -pflichten hat die staatliche Unterstützung der Mutter bei der Erziehung ihres Kindes Vorrang. Eine auf das Jugendhilferecht gestützte Trennung komme erst im Falle eines Scheiterns der Eltern in Betracht. Gründe, dass von im vorliegenden Fall anders zu verfahren sei, sind nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht gegeben.

 

Das Urteil ist im Volltext veröffentlicht auf den Seiten des Justizportals NRW unter www.justiz.nrw.de (siehe Hyperlink) und hier in der Rechtsprechungsdatenbank.

 

Quelle: Newsletter "Rechtsfragen der Jugendhilfe", Informationen des Landschaftsverbandes Rheinland, Ausgabe 7

 

Herausgabedatum

07/2007

Weitere Themen

Förderung der Erziehung in der Familie
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