Kindertagesbetreuung

Studie zu Bürokratie in Kitas: „Die Kinder sind nicht das Problem“

Die repräsentative Studie „Bürokratie- und Verwaltungsaufwand in Kitas in Rheinland-Pfalz“ untersucht erstmals die Entwicklung der Leitungsaufgaben im Vergleich der vergangenen zehn Jahre. „Die Kinder sind nicht das Problem“ lautet eine prägnante Aussage der Studie, sondern insbesondere die zu geringe Leitungsarbeitszeit. Die Verantwortlichen hoffen, dass die Ergebnisse in der anstehenden Novellierung des Kindertagesstätten-Gesetzes Beachtung finden.

30.01.2018

Der Trierer Generalvikar Dr. Ulrich Graf von Plettenberg, Angela Thelen, Abteilungsleiterin Kitaeinrichtungen Caritasverband für die Diözese Trier und der Verantwortliche der Studie von Seiten des Institutes für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit Rheinland-Pfalz (IBEB) Prof. Dr. Armin Schneider stellten die Studie am 29. Januar in Koblenz vor.

Anstieg der Leitungs- und Verwaltungsaufgaben

Anja Nuß ist seit 24 Jahren in der Leitung tätig, davon 15 Jahre als Leiterin der katholischen Kindertagesstätte St. Laurentius in Koblenz-Moselweiß: „Die Verwaltungsaufgaben sind komplexer geworden“, sagt sie rückblickend. Sie kümmert sich insbesondere um die Gestaltung des Dienstplans der zwölf pädagogischen Fachkräfte, führt Elterngespräche, pflegt Statistiken und kümmert sich um das Qualitätsmanagement.

„Die Kita-Landschaft hat sich in den vergangenen zehn Jahren enorm verändert und weiterentwickelt“, erklärte Generalvikar Plettenberg. Der Rechtsanspruch für Kinder ab dem ersten Geburtstag auf einen Betreuungsplatz, die hohe Anzahl an Ganztagsplätzen und die Diskussion zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellten die Kitas vor hohen Herausforderungen, sagte Plettenberg. „Seit Jahren treten die Leitungen der Einrichtungen an uns heran und berichten von gestiegenen Anforderungen im Verwaltungsbereich. Immer mehr gesetzliche Vorgaben von Bundes- und Landesebene erfordern umfangreiche Dokumentationen und Berichte.“ Beispiele hierfür seien Brandschutzverordnungen, Hygienevorschriften oder Meldungen bei Personalunterschreitungen.

Leitungsdeputat zu gering

„Erstmals wurde die Entwicklung der Leitungsaufgaben im Vergleich der vergangenen zehn Jahre untersucht“, hob Prof. Schneider die Besonderheit der repräsentativen Studie, an der 84 Kita-Leitungen teilnahmen, hervor. „Die Untersuchung ergab, dass fast alle Leitungsaufgaben enorm zugenommen haben und neben Personalmangel Verwaltungsaufgaben als belastend wahrgenommen werden“, betonte Schneider mit Blick in die Ergebnisse. Das Leitungsdeputat, also der Stellenanteil für Leitungsaufgaben, sei von den Befragten als entschieden zu gering beurteilt worden.

„57 Prozent der Befragten gaben an, die Verwaltungsarbeit nicht innerhalb der Arbeitszeit ausführen zu können. Zusätzlich geben viele Leitungskräfte an, dass ihnen das nötige Know-how im Verwaltungsbereich fehle“, lautet nach Schneider die Selbsteinschätzung der Studienteilnehmer. „So hat eine Leiterin in einem Telefoninterview gesagt, ‚Ich bin keine Buchhalterin‘“. Eine Entlastung könnten neben einer höheren Anzahl an Stunden für die Leitungstätigkeit (ein erhöhtes Leitungsdeputat), einer stellvertretenden Leitung, professionelle Verwaltungskräfte, die direkt in den Einrichtungen arbeiten, sein, gaben die Teilnehmenden der Befragung an. „Diese könnten dann reine Aufgaben der Meldungen im Bereich Personal und der Dokumentation im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen bearbeiten“, erläuterte Schneider die Vorschläge der Befragten. Die Studie zeige deutliche Handlungsbedarfe auf, lautete die Einschätzung von Prof. Schneider.

Repräsentativität über die katholische Trägerschaft hinaus

„Eine zu geringe Leitungsarbeitszeit, wie sie in der hier vorliegenden Studie herausgestellt wurde, ist auch im Bundesdurchschnitt zu sehen“, stellte Schneider im Hinblick auf die Relevanz der Studie fest. „Die Tatsache, dass die Ergebnisse mit anderen Erkenntnissen zu Kitas in Rheinland-Pfalz konvergieren, lässt den Schluss zu, dass eine Repräsentativität über die katholische Trägerschaft hinaus gegeben ist.“ „Wir, die Diözesen Limburg, Mainz, Speyer und Trier, wollten aus den vielen Einzelberichten eine wissenschaftlich fundierte Aussage und Bewertungen erhalten und diese auch der Politik vorstellen“, sagte Graf von Plettenberg. „Dies geschieht am 15. Februar im Rahmen eines Fachtages in Koblenz. Zu dieser Veranstaltung ist die Praxis, Träger, Politik und Fachöffentlichkeit eingeladen“, informierte Angela Thelen.

„Selbstverständlich erwarten wir, dass die Ergebnisse der Studie bei der Novellierung des Kita-Gesetzes Beachtung finden. Dies könnte zum Beispiel in einer klaren Erhöhung des Leitungsdeputates oder in der Anerkennung von Verwaltungskräften für die Kitas münden“, erklärte Angela Thelen in Hinblick auf die politische Bedeutung der Studienergebnisse. Die Ergebnisse werden den Verantwortlichen in der Politik zur Verfügung gestellt werden, um hier fundiert Notwendigkeiten und Bedarfe zu diskutieren.

Über die Studie

Die Studie wurde von den Diözesen Limburg, Mainz, Speyer und Trier in Auftrag gegeben. Die Katholische Kirche betreibt in Rheinland-Pfalz mehr als 670 Kindertagesstätten. An der Studie haben 84 Leiterinnen von katholischen Kitas in den rheinland-pfälzischen Diözesen Limburg, Mainz, Speyer und Trier teilgenommen. Es wurden dadurch 36 Jugendamtsbezirke erfasst. Im Durchschnitt wurden in den befragten Kitas etwa 79 Kinder betreut. Die durchschnittliche Dauer der Leitungstätigkeit der befragten Leitungen beträgt etwa 14 Jahre. Weitere Informationen und die Studie sind über das Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit Rheinland-Pfalz (IBEB) an der Hochschule Koblenz abrufbar.

Quelle: Hochschule Koblenz vom 29.01.2018

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