Kindertagesbetreuung

Studie: Vom "Traumjob Erzieher/-in" kann keine Rede sein

Nach einer von der GEW-nahen Max-Traeger-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie ist die materielle Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen alarmierend.

24.11.2010

Nach einer von der GEW-nahen Max-Traeger-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie ist die materielle Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen alarmierend. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik an der TU Dortmund hat die aktuellen Daten des Mikrozensus 2008 ausgewertet und in einem 60-seitigen Bericht zusammengefasst. Ihr Fazit: Von einem attraktiven Beruf, für den nur genug geworben werden muss, um den enormen Arbeitskräftebedarf zu decken, kann keine Rede sein.

Der Nachwuchs findet überwiegend nur noch zeitlich befristete Stellen, mit der weit verbreiteten Teilzeitbeschäftigung leben viele auf Hartz-IV-Niveau und mit 54 Jahren ist man so ausgepowert, dass man frühzeitig in Rente geht. Und das mit einer Rente, die häufig Altersarmut bedeutet. Ein Blick auf die Daten im Einzelnen:

"Kita? – Lieber was anderes!“

Ein Drittel der für eine pädagogische Tätigkeit in einer Kindertagesstätte Ausgebildeten verlässt das Berufsfeld. Besonders hoch ist die Abwanderungsrate bei männlichen Erziehern und Kinderpflegern – vier von zehn Männern kehren dem Arbeitsfeld den Rücken. Noch höher sind die Zahlen bei Pädagoginnen und Pädagogen mit Migrationshintergrund: Nur etwa die Hälfte (50,4 Prozent) bleibt auf Dauer in der Kita.

Berufsfeld Kita – weiblich und deutsch

Nur 8,2 Prozent des frühpädagogischen Personals hat einen Migrationshintergrund. Dabei ist das Merkmal „Migrationshintergrund“ etwa doppelt so häufig bei Kinderpflegerinnen (14 Prozent) anzutreffen wie bei Erzieherinnen (7,6 Prozent). Zum Vergleich: Bei den unter sechsjährigen Kindern liegt der Migrantenanteil bei 30,3 Prozent.

Einen Minusrekord hält das Merkmal Geschlecht: Nur sage und schreibe 3,4 Prozent sind männlich – 3,3 Prozent der Erzieher und 4,7 Prozent der Kinderpfleger

Mit Burnout in die Rente und dann ein Leben in Armut

Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen gehen insgesamt im Durchschnitt mit 59 Jahren in den Ruhestand. Ein Viertel davon gibt als Begründung für den vorzeitigen Ruhestand gesundheitliche Probleme an. Diejenigen, die wegen Krankheit den Beruf aufgeben, gehen bereits mit 54 Jahren in Rente.

Eine Erzieherin, die vom 21. bis zum 59. Lebensjahr ununterbrochen Vollzeit gearbeitet hat, kommt bei einem Bruttoeinkommen von 2.500 Euro auf eine Monatsrente in Höhe von rund 876 Euro. Dass eine Erzieherin das Renteneintrittsalter von 67 Jahren erreicht, ist angesichts der Belastungen in diesem Beruf nicht zu erwarten. Somit werden alle Beschäftigten in Kindertagesstätten mit erheblichen Rentenabschlägen rechnen müssen.

Kein Auskommen mit dem Einkommen

Das Nettoeinkommen von Erzieherinnen liegt 224 Euro unter dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen. Bei den Kinderpflegerinnen beträgt der Abstand 392 Euro. Angesichts der verstärkten Bemühungen, mehr Männer für frühpädagogische Berufe zu gewinnen, lohnt ein Blick auf das Nettoeinkommen männlicher Erwerbstätiger. Im Durchschnitt aller Berufe erzielen Männer ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.876 Euro. Erzieher kommen auf 1.595 Euro und Kinderpfleger auf 1.193 Euro. Der Abstand von 281 Euro bzw. 683 Euro gibt einen Hinweis darauf, warum es so schwer ist, Männer für einen frühpädagogischen Beruf zu werben.

Im Durchschnitt aller Erwerbstätigen ist es 90 Prozent der Beschäftigten möglich, ihren Lebensunterhalt aus eigener Erwerbsarbeit zu bestreiten. Von den Beschäftigten mit frühpädagogischer Ausbildung schaffen es knapp 90 Prozent, mit dem Verdienst ihren Lebensunterhalt zu sichern. Erzieherinnen liegen mit 92 Prozent etwas darüber, Kinderpflegerinnen jedoch erheblich unter dieser Quote. Nur 71 Prozent der in diesem Beruf Beschäftigten verdienen so viel, dass sie damit ihre Lebenshaltungskosten decken können. Acht Prozent der Kinderpflegerinnen erhalten zusätzlich zu ihrem geringen Verdienst Transfergeldleistungen nach Hartz IV.

Viele Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, die nur eine Teilzeitbeschäftigung haben, erzielen ein so geringes Einkommen, dass sie ihren Lebensunterhalt damit nicht bestreiten können. Nur bei 65 Prozent derer, die weniger als 21 Stunden arbeiten, reicht das Einkommen zur Existenzsicherung. Bei denjenigen, die bis zu 34 Stunden arbeiten, sind es 82 Prozent. Besonders betroffen sind alleinerziehende Erzieherinnen.

Berufsanfänger armutsgefährdet

Insbesondere Kinderpflegerinnen haben ein hohes Armutsrisiko. Bei einem Einpersonen-Haushalt gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 786 Euro im Monat verdient. 12 Prozent der Kinderpflegerinnen sind armutsgefährdet. Überdurchschnittlich armutsgefährdet sind die unter 25-Jährigen, sowohl die Erzieherinnen als auch Kinderpflegerinnen: 18 Prozent, d. h. fast jede fünfte frühpädagogische Fachkraft, sind zu Beginn ihres Berufslebens mit einem Nettoeinkommen von unter 786 Euro armutsgefährdet.

Eigentlich könnten sie studieren: Knapp 30 Prozent der Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen haben eine Fachhochschul- oder Hochschulreife. Bei den unter 35-jährigen Erzieherinnen sind es sogar 37 Prozent.

Pädagogik in Teilzeit

Ein das Arbeitsfeld seit langem prägendes Strukturmerkmal ist die hohe Teilzeitbeschäftigung. Lediglich die Hälfte der Erzieherinnen und nur 30 Prozent der Kinderpflegerinnen haben eine Vollzeitstelle. Im Westen geht die Vollzeitquote bei beiden Berufsgruppen kontinuierlich zurück: Von 65 Prozent in den 1990er-Jahren über 56 Prozent im Jahr 2000 auf 50 Prozent im Jahr 2008. Im Osten liegt die Zahl der Vollzeitstellen weit darunter, erholt sich aber langsam. So ist dort die Vollzeitquote von 37 Prozent im Jahr 2000 auf 44 Prozent im Jahr 2008 gestiegen. Die wenigen Männer, die in diesem Arbeitsfeld tätig sind, haben zu 62 Prozent eine Vollzeitstelle.

Von allen Teilzeitbeschäftigten würden insgesamt 30 Prozent gerne Vollzeit arbeiten, wenn man ihnen eine entsprechende Stelle anbietet, bei den Erzieherinnen sind es allerdings nur 13 Prozent.

Befristung doppelt so hoch wie in anderen Berufen

Zu den Strukturmerkmalen von Arbeitsverhältnissen gehört auch die Sicherheit des Arbeitsverhältnisses. Hier gibt es einen neuen Befund: Zwar haben 85 Prozent der Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen eine zeitlich unbefristete Stelle, von den unter 25-jährigen Fachkräften aber nur 49 Prozent. Auffällig ist auch, dass die Befristungsquote bei Frühpädagog/innen mit Migrationshintergrund um zehn Prozentpunkt höher liegt als bei Personen ohne Migrationshintergrund (24 Prozent gegenüber 14 Prozent). Die Quote der befristeten Beschäftigungsverhältnisse bei Frühpädagog/innen ist damit doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Berufe. Unter diesen Umständen, so zeigen regionale Studien, verlassen viele junge Fachkräfte das Arbeitsfeld Kindertagesstätte nach kurzer Zeit wieder, weil sie in anderen Tätigkeitsbereichen eine höhere Arbeitsplatzsicherheit finden.

Bernhard Eibeck
Frankfurt am Main, Oktober 2010

Die vollständige wissenschaftliche Studie können Sie hier herunter laden. Sie ist in gedruckter Form zum Preis von 5 Euro (inkl. Versandkosten) erhältlich bei: broschueren@gew.de

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