Kindertagesbetreuung

Es braucht noch viel Reform in der Ausbildung von frühpädagogischen Fachkräften

Es diskutierten auf dem Podium (von li. nach re.): Prof. Wassilios Fthenakis, Prof. Renate Zimmer, die Moderatorin, die Erzieherin Isabell Gora und Prof. Wolfgang Beudels.

Das war das Fazit einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Was bewegt sich in den Ausbildungs- und Studiengängen zur frühkindlichen Bildung?“ im Rahmen eines Bildungskongresses auf der Frankfurter Buchmesse.

17.10.2011

„Lernen bewegt“ war der Titel des Bildungskongresses im Rahmen der Frankfurter Buchmesse am 14. Oktober 2011 und um Bewegung ging es auch in der abschließenden Podiumsdiskussion. Prof.  Wassilios Fthenakis, Prof. Renate Zimmer, Prof. Wolfgang Beudels und die Erzieherin Isabell Gora diskutierten darüber, was sich in der Ausbildungs- und Studiengängen zur frühkindlichen Bildung bisher bewegt hat und noch bewegen muss.

Der Hessische Sozialminister Stefan Grüttner, der die Podiumsdiskussion mit einem Grußwort einleitete, hatte den französischen Philosophen und Frühscholastiker Abélard zitierend daran erinnert, dass ein Kind kein Gefäß sein, das man füllen müsse, sondern ein Feuer, das entzündet werden wolle. Und das war eigentlich der Tenor des ganzen Tages gewesen: Kinder wollen lernen. Sie sind neugierige, experimentierfreudige, wissenshungrige kleine Erdenbürger, aber sie brauchen die richtige Anleitung und ein angemessenes Lernfeld für eine optimale Entwicklung und beides ist nicht immer gegeben. Besonders Prof. Fthenakis ging hart mit den Ausbildungsbedingungen in Deutschland ins Gericht. Er verglich das Bildungssystem in Deutschland mit einem Hochhaus, an dem viele Architekten mitentworfen hätten, aber die Verbindungstreppen der einzelnen Stockwerke fehlten. Insgesamt basiere das Bildungssystem noch auf Überzeugungen und Idealen des 20. Jahrhunderts. Es hätten sich aber wesentliche Determinanten verschoben. Wissen sei nicht mehr Selbstzweck und entsprechend bedürfe es einer neuen Architektur des Bildungshochhauses. Hierfür gebe es bereits nachahmenswerte Beispiele aus anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Italien.

Isabell Gora, die Frau aus der Praxis auf dem Podium, beklagte den mangelnden Praxisbezug in der Ausbildung. Hier fand sie große Unterstützung von Prof. Zimmer, Direktorin des Niedersächsischen Instituts für Frühkindliche Bildung und Entwicklung, die betonte, die Verbindung von Theorie und Praxis sei gerade in der frühkindlichen Bildung zwingend. Prof. Zimmer bedauerte, dass es in der Ausbildung besonders an Zeit fehle. Wichtig war ihr in Anlehnung an den Eingangsspruch von Abelard, dass auch die Erzieherin brennen müsse und dafür müssten bereits in der Ausbildung die Grundlagen gelegt werden. 

Prof. Beudels von der FH Koblenz berichtete aus seinem Forschungsprojekt zur motorischen und psycho-sozialen Entwicklung von Kindern im Vorschul- und Grundschulalter. Viel zu oft würden Kinder als auffällig abgestempelt, die sich eigentlich ganz normal und kindgemäß verhalten würden. Nicht das Kind sei anormal, sondern seine Umgebung. Toben, Raufen, Kämpfen gehörten zum kindlichen Ausdrucksrepertoire einfach dazu. Beudels warf auch die Frage in die Runde, was eine pädagogische Fachkraft im Bereich der Bewegungsförderung mitbringen müsse. Braucht es eine Allround-Kraft im Bereich der frühkindlichen Bildung oder muss es zur Bewegungsförderung möglicherweise spezialisierte Fachkräfte geben?

Prof. Zimmer brachte das alte Thema der unzureichenden Bezahlung von pädagogischen Fachkräften in der frühkindlichen Bildung auf. Solange die Bezahlung von Lehrern und Erziehern so ungleich wäre,  könne man von Letzteren nicht immer mehr und mehr an Qualifizierung erwarten. Was eine pädagogische Fachkraft im Bereich der frühkindlichen Bildung am Ende der Ausbildung mitbringen müsse, umriss Prof. Fthenakis mit acht Kernkompetenzen, die er im Rahmen seiner Forschungstätigkeit herausgearbeitet habe. Dazu gehörten vor allem eine hohe Interaktionskompetenz, eine Reflexionskompetenz und eine Beobachtungs- und Dokumentationskompetenz.

Einen Blick warf das Podium zum Ende der Diskussion noch auf die Rolle der Eltern. Übereinstimmung bestand darin, dass diese in ihrer Funktion als gleichberechtigte Partner im Erziehungsbemühen mit ins Boot geholt werden müssten auf gar keinen Fall vernachlässigt werden dürften. Eltern würden immer noch viel zu oft als Zaungäste betrachtet. Dass Eltern mit oft hohen Leistungserwartungen Erziehungs- und Bildungsprozesse auch erschweren können, berichteten gleichermaßen überzeugend Prof. Beudels aus der Forschung und Isabell Gora aus der Praxis. Frau Gora erzählte, dass sie gute Erfahrungen mache, indem sie die Eltern bei Elternabenden einfach das machen lasse, was die Kinder auch machten zum Beispiel im Bereich der Bewegungsförderung. Das wirke meistens überzeugend auf Eltern.

Zum Abschluss der Runde plädierte Prof. Fthenakis noch einmal dafür, dass Bewegung schön und gut sei, aber sie müsse auch mental stattfinden und vor allem im Bildungssystem. Der Applaus des Publikums gab ihm dabei Recht.  

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