Kindertagesbetreuung
Bertelsmann Stiftung: Zu wenig Erzieherinnen in Kitas
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass die Qualität in der frühkindlichen Bildung oft auf der Strecke bleibt.
25.07.2014
In der frühkindlichen Bildung bleibt gute Qualität oftmals auf der Strecke, weil viele Kindertageseinrichtungen nicht genügend Erzieherinnen haben. Die Personalschlüssel für Kitas in Deutschland weichen teilweise erheblich von einem kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis ab und sind zudem von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich. In Bremen und Baden-Württemberg ist eine Erzieherin in den Krippen durchschnittlich für drei Kinder zuständig, in Sachsen-Anhalt hingegen für mehr als sechs Kinder. "Wir brauchen dringend einheitliche Qualitätsstandards, die in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt sind", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Würden die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel für alle Kitas in Deutschland verbindlich gelten, wären 120.000 zusätzliche Erzieherinnen erforderlich.
Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, dass bei den unter Dreijährigen eine Erzieherin für höchstens drei Kinder verantwortlich ist. Für die Altersgruppe ab drei Jahren sollte der Personalschlüssel nicht schlechter als 1 zu 7,5 sein. "Politik und Praxis sollten sich auf bundesweite kindgerechte Standards einigen, damit alle Kita-Kinder in Deutschland gute Bildungschancen haben", sagte Dräger. Diese Standards müssten in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt werden. Dort könnten auch Zeitbudgets für Leitungsaufgaben sowie Qualitätskriterien für Fort- und Weiterbildungen sowie die Mittagsverpflegung festgelegt werden. Erst kürzlich hatte eine Studie der Bertelsmann Stiftung beim Kita-Essen erhebliche Defizite offen gelegt. "Der Kita-Rechtsanspruch hat die Bundesländer gezwungen, die Quantität der Kita-Plätze zu erhöhen. Nun sollte ein Bundes-Kita-Gesetz dafür sorgen, dass auch überall die Qualität stimmt", sagte Dräger.
Von angemessenen Betreuungsverhältnissen in ihren Kitas sind die Bundesländer nach wie vor unterschiedlich weit entfernt. Das geht aus dem aktuellen "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" hervor, mit dem die Bertelsmann Stiftung seit sechs Jahren die Entwicklung der Kindertageseinrichtungen beobachtet. Auffällig ist vor allem das Ost-West-Gefälle: Während in den ost-deutschen Krippen sich eine Erzieherin um durchschnittlich 6,3 Kinder kümmern muss, kommen im Westen 3,8 Kinder auf eine Erzieherin. Dieses statistische Betreuungsverhältnis sieht im Kita-Alltag sogar noch ungünstiger aus. Weil eine Erzieherin aufgrund von Teamgesprächen, Fortbildung und Urlaub höchstens 75 Prozent ihrer Arbeitszeit für pädagogische Arbeit nutzen kann, betreut sie im Osten tatsächlich mindestens acht und im Westen fünf Kinder.
Den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung von 1 zu 3 entsprechen bei den Krippen derzeit am ehesten die Personalschlüssel in Bremen (1 zu 3,2) und Baden-Württemberg (1 zu 3,3). In Sachsen-Anhalt hingegen ist eine Erzieherin für durchschnittlich 6,7 Kinder zuständig. Ähnlich groß sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern auch für Kinder ab drei Jahren. Statistisch liegt in dieser Altersgruppe der Personalschlüssel im Westen bei 1 zu 9,1 und im Osten bei 1 zu 12,7. Vorzeigeländer sind erneut Bremen (1 zu 7,7) und Baden-Württemberg (1 zu 8). Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern, wo eine Erzieherin für fast doppelt so viele Kinder (1 zu 14,9) verantwortlich ist.
Um die Personalschlüssel bundesweit den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung anzupassen, sind 120.000 zusätzliche Erzieherinnen erforderlich. Nach Berechnungen der Stiftung verursacht das jährlich zusätzliche Personalkosten von rund fünf Milliarden Euro. Verglichen mit den derzeit im Kita-Bereich anfallenden Personalkosten in Höhe von rund 14 Milliarden Euro bedeutet dies einen Anstieg um mehr als ein Drittel (36 Prozent). "Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung, die sich aber lohnt, weil die Kita-Qualität entscheidend ist für gutes Aufwachsen und faire Bildungschancen aller Kinder", sagte Dräger.
Ohne stärkeres finanzielles Engagement des Bundes in der frühkindlichen Bildung sind diese Ausgaben allerdings für die meisten Bundesländer und Kommunen kaum zu stemmen. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt deshalb, in einem Bundes-Kita-Gesetz festzulegen, für welchen bundesweit einheitlichen Standard der Bund welche Unterstützung leistet.
Zum "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme":
Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitors sind Auswertungen von Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken sowie einer Befragung aller zuständigen Fachministerien der Bundesländer durch die Bertelsmann Stiftung. Stichtag für die Datenerhebung war der 1. März 2013. Die Berechnungen hat der Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut / Technische Universität Dortmund durchgeführt. Zu unterschiedlichen Themen finden Sie Daten und Fakten zu den frühkindlichen Bildungssystemen im Internet unter <link http: www.laendermonitor.de _blank external-link-new-window external link in new>www.laendermonitor.de.
Die in der Pressemitteilung angegebenen Betreuungsrelationen beziehen sich jeweils auf das Verhältnis Vollzeitkraft zu Ganztagskind. Der Personalschlüssel umfasst die Gesamtarbeitszeit einer Erzieherin, die sie einerseits direkt mit Kindern verbringt und darüber hinaus für weitere Aufgaben benötigt wie z. B. Elterngespräche, Teamsitzungen, Fortbildung oder die Kooperation mit anderen Institutionen. Für diese Aufgaben benötigt sie mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit. Hieraus ergibt sich bei einem Personalschlüssel von 1 zu 3 im Kita-Alltag eine Fachkraft-Kind-Relation von einer Vollzeitkraft zu vier Ganztagskindern.
Quelle: Bertelsmann Stiftung vom 25.07.2014
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