Gerichtsurteil

Bedürfnisse der Eltern müssen bei Bereitstellung von Kitaplatz berücksichtigt werden

Bei der Bereitstellung eines Kitaplatzes (U-3-Betreuung) sind auch die Bedürfnisse der Eltern zu berücksichtigen. Dies bekräftigte kürzlich ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und verurteilte eine Gemeinde zu hohem Schadensersatz.

23.07.2021

Die Richter gaben einer berufstätigen Mutter recht, die gegen einen Landkreis in Hessen geklagt hatte. Sie beanstandete von März bis November 2018, keinen annehmbaren Betreuungsplatz für ihren einjährigen Sohn bekommen zu haben. Für den bereitgestellten Kitaplatz wäre die Fahrzeit viel zu lang gewesen.

23.000 Euro Schadenersatz wegen Verdienstausfall

Zunächst sprach das Landgericht Darmstadt der Mutter 18.000 Euro Schadensersatz zu. Beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main erlangte die Klägerin weitere 5.000 Euro Ausgleich für den erlittenen Verdienstausfall. Das Oberlandesgericht begründete, dass der Landkreis seine Amtspflicht zur unbedingten Gewährleistung eine Betreuungsplatzes verletzt habe (siehe Presseinformation OLG Frankfurt a. M. vom 12.07.2021).

Seit 2013 haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kinderstagespflege. Gemeinden sind per Gesetz verpflichtet, Kindern einen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen oder die Betreuung bei einer Tagesmutter zu ermöglichen.

Über 30 Minuten Fahrzeit sind nicht zumutbar

Ein Platz, so das Oberlandesgericht Frankfurt a. M., muss sowohl den individuellen Bedürfnissen des Kindes als auch seiner Eltern in zeitlicher und räumlicher Hinsicht entsprechen. Im Fall der klagenden Mutter würde die Fahrzeit von der Wohnung zum bereitgestellten Kitaplatz über 30 Minuten in Anspruch nehmen, weil auf dieser Strecke zu den üblichen Bring- und Abholzeiten erheblicher Verkehr bestehe. Bis zum Arbeitsplatz wäre die Klägerin pro Strecke 56 Minuten unterwegs. Das sei nicht zumutbar, befand das Oberlandesgericht.

Mehrere Male schon haben Eltern den Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung für ihr Kind einklagen müssen und von Gerichten Schadensersatz zugesprochen bekommen. Die Gemeinden insbesondere in Westdeutschland kommen der Nachfrage nicht nach. Es besteht ein großes Defizit an Betreuungsplätzen und Fachpersonal, wie die Süddeutsche Zeitung auf Grundlage einer Studie des Deutschen Jugendinstituts noch im Dezember 2020 berichtete. Die Finanzierung bleibt ein Streitpunkt zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Es steht noch nicht fest, ob die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Frankfurt rechtskräftig ist. Der betroffene Landkreis ist vor den Bundesgerichtshof gezogen.

Quelle: Deutscher Familienverband vom 21.07.2021

Redaktion: Silja Indolfo

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