Qualifizierung

Anna von Behr: An Motivation für Weiterbildung mangelt es bei Erziehern nicht

Die WiFF-Projektkoordinatorin Anna von Behr

Ein Interview zu einer WiFF-Studie, die sich den Weiterbildungsmöglichkeiten von Kita-Fachkräften in sechs europäischen Ländern widmete.

03.09.2012

Eine Studie der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) am  
Deutschen Jugendinstitut vergleicht Weiterbildung für Kita-Fachkräfte in sechs Ländern mit Deutschland. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich Weiterbildung für Kita-Fachkräfte nur in manchen europäischen Ländern lohnt (<link http: www.jugendhilfeportal.de kindertagesbetreuung artikel eintrag weiterbildungen-lohnen-sich-fuer-kita-fachkraefte-nur-in-manchen-europaeischen-laendern _blank external-link-new-window external link in new>das Fachkräfteportal berichtete). 

Die Redaktion des Fachkräfteportals wollte gerne noch ein bisschen mehr über die Ergebnisse der Studie wissen und hat mit Anna von Behr, Projektkoordinatorin bei WiFF, gesprochen.

Fachkräfteportal:
Was waren für Sie die überraschendsten Ergebnisse der Studie?

Anna von Behr:
In Sachen Bildung blickt Deutschland oft nach Skandinavien. Die Studie zeigt aber, dass auch andere europäische Länder Ansätze verfolgen, die fortschrittlich sind, zum Beispiel Slowenien, wo Weiterbildungen beruflichen Aufstieg ermöglichen und Ungarn, wo Weiterbildung eine Pflicht ist. Diese Themen werden auch in Deutschland kontrovers diskutiert und es gibt hier noch keinen politischen Konsens. Eine weiterführende Forschungsfrage wäre für mich, wie sich diese ungleiche politische Steuerung auf die Fachkräfte und auf die Qualität der Praxis auswirkt.

Fachkräfteportal: 
Warum tut sich Deutschland als „Bildungsrepublik“ so schwer mit der Anrechnung von Weiterbildungen auf ein Studium in diesem Bereich?

Anna von Behr:
Wir haben in Deutschland ein sehr komplexes Bildungssystem mit gewachsenen Strukturen, an dessen Steuerung unterschiedliche Akteure beteiligt sind. Die Autonomie der Hochschulen zum Beispiel führt dazu, dass jede Hochschule selbst entscheiden kann, wie sie mit der Anrechnung von anderweitig erbrachten Lernleistungen umgeht. Noch heterogener als die Hochschullandschaft ist der Weiterbildungssektor: Hier engagieren sich Akteure auf Bund- und Länderebene, Verantwortliche der Kinder- und Jugendhilfe und auch private Anbieter für mehr Qualität und Anrechenbarkeit. Zentral gesteuert werden diese Initiativen jedoch nicht und es gibt keine Lösung für das gesamte System – abgesehen von regionalen Ansätzen wie z.B. der Zertifizierungsinitiative Frühpädagogik Südbaden. Entsprechend ist auch die inhaltliche Gestaltung der Weiterbildungen unterschiedlich, da anbieterübergreifende verbindliche Vorgaben für Themen und ihre fachliche und didaktische Aufbereitung fehlen. Auch der zeitliche Umfang der Maßnahmen sowie die Abschlüsse und die Anerkennungsverfahren sind nicht bundesweit geregelt. Diese Heterogenität führt dazu, dass es weder eine Garantie auf die Qualität der Angebote, noch auf die Anschlussfähigkeit an eine weitere formale Qualifikationsstufe gibt.

Fachkräfteportal: 
An welchem Land könnte sich Deutschland in Fragen der Kita-Weiterbildung Ihrer Meinung nach am ehesten orientieren?

Anna von Behr:
Ich denke, Deutschland kann von verschiedenen Ländern etwas lernen: Slowenien hat z.B. ein Weiterbildungssystem mit sehr guten Beförderungsstrukturen aufgebaut, in dem die Fachkräfte genau wissen, für welche Leistung sie wie viele Kreditpunkte bekommen und welche beruflichen Möglichkeiten sie damit haben. 
Methodisch-didaktisch finde ich das italienische Modell der „fortlaufenden Kompetenzentwicklung durch reflexive Teamarbeit“ sehr gut, da es den Anspruch der Theorie-Praxis-Verknüpfung konsequent umsetzt. Für eine kontinuierliche Personalentwicklung in Verantwortung der Leitung ist das gesetzlich verbriefte Weiterbildungsrecht in Ungarn richtungsweisend. Vorbildlich ist auch, dass es in Dänemark die Möglichkeit gibt, für formale Weiterbildungen ein Stipendium zu beantragen. Diese Fördermöglichkeiten im Bereich Frühpädagogik sind in Deutschland leider unterentwickelt.

Fachkräfteportal: 
5 Tage Bildungsurlaub sind nicht gerade viel für eine angemessene Weiterqualifizierung. Welche Anreize und Angebote sind Ihrer Meinung nach nötig, um Erzieher(inne)n Lust und Motivation auf Weiterbildung zu machen?

Anna von Behr:
Die Motivation der Erzieherinnen und Erzieher ist nicht das Problem. Aus unseren Befragungen wissen wir, dass 96% der befragten Fachkräfte und Leitungen in den letzten zwölf Monaten eine Weiterbildung besucht haben. Allerdings handelt es sich dabei vor allem um kurzzeitige Veranstaltungen, die den Weiterbildungsmarkt dominieren. Meiner Meinung nach müsste sowohl an den Angeboten, als auch an den Rahmenbedingungen angesetzt werden. Personelle Ausstattung und Freistellung müssen es Fachkräften ermöglichen, auch an langzeitigen Weiterbildungen teilzunehmen. Wir brauchen Formate, die auf den individuellen Bedarf der Fachkräfte eingehen, an den vorhandenen Kompetenzen anknüpfen und den Kompetenzerwerb auch dokumentieren. Der Transfer in die Praxis sollte integraler Bestandteil der Weiterbildungsdidaktik sein. Nicht zuletzt müssen die Erzieherinnen von Weiterbildungen profitieren, indem sie ihren Niederschlag auf dem Gehaltszettel finden oder weitere Bildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen eröffnen. 

Fachkräfteportal:
Vielen Dank für das Gespräch.

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