Jugendsozialarbeit

„Wer passt hier nicht zu wem?" – AGJ gibt Handlungsempfehlungen für Unterstützungsmöglichkeiten sozial benachteiligter Jugendlicher

Das Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ nimmt in den Blick wie sich Benachteiligung auf Jugendliche auswirkt, welche Unterstützungsbedarfe bestehen und welche Möglichkeiten und Angebote die Jugendhilfe für benachteiligte Jugendliche bietet. Angesichts der Zuständigkeiten mehrerer Rechtskreise diskutiert das Papier außerdem, ob es rechtlicher Änderungen bedarf bzw. wie die Umsetzungspraxis zu verbessern ist, damit benachteiligte Jugendliche ein passendes und verlässliches Angebot erhalten.

13.07.2018

Alle jungen Menschen sind beim Aufwachsen mit Anforderungen und Erwartungen konfrontiert, denen sie sich stellen müssen. Sie sollen in die Gesellschaft hineinwachsen und ihren Platz darin finden. Dafür, dass ihnen dies gelingt, macht unsere Gesellschaft sie zum größten Teil selbst verantwortlich. Neben ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung müssen Jugendliche also einen Prozess der gesellschaftlichen Integration meistern – innerhalb unterschiedlicher sozialer Gefüge, wie der Familie oder der Peergroup, und an verschiedenen Lebensorten.

Die Bewältigung der damit verbundenen drei Kernherausforderungen Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung, wie sie der 15. Kinder- und Jugendbericht benennt, wird für einen Teil der jungen Menschen durch verschiedene Formen der Benachteiligung erschwert. Für andere Jugendliche vollzieht sich die Bewältigung der Herausforderungen ohne größere Schwierigkeiten. Zu wesentlichen Benachteiligungen führt die Lebenslage Armut , die eine gesellschaftliche Teilhabe gefährdet und häufig mit Bildungsbenachteiligung einhergeht. Benachteiligte Jugendliche erleben sich in ihrer individuellen Lebenssituation oft als nicht handlungsfähig. Die Angst zu scheitern und das Gefühl abgehängt zu sein, sind bei diesen jungen Menschen stark ausgeprägt. Dies dominiert auch das Erleben in der Schule, wo sie die Erfahrung machen, nicht ernst genommen und ausgegrenzt zu werden oder überfordert zu sein. Vielen gelingt dann auch der erfolgreiche Abschluss der Schule, der Einstieg in eine Berufsausbildung und in das Erwerbsleben nicht ohne Hilfe.

Um Benachteiligungen auszugleichen und betroffene Jugendliche in ihrer sozialen Teilhabe sowie bei ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung und dem Einstieg in die Arbeitswelt zu unterstützen, sieht das SGB VIII Leistungen nach § 13 vor. Konkret sind dies sozialpädagogische Hilfen, Unterstützung beim Erwerb beruflicher Fähigkeiten, pädagogisch begleitete Vermittlung in berufliche Maßnahmen und das Jugendwohnen.

Es ist jedoch zu beobachten, dass ein Teil der Jugendämter Leistungen nach § 13 SGB VIII in nur geringem Umfang oder gar nicht anbietet . Junge Menschen mit entsprechendem Förderbedarf werden stattdessen in Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (SGB III) vermittelt oder an die Jobcenter (SGB II) verwiesen. Da diese Maßnahmen andere Zielstellungen haben, bleibt eine Förderung mit Hilfe der professionellen Instrumente der Jugendhilfe den betroffenen Jugendlichen oft vorenthalten, obwohl sie diese benötigen. Teilweise kommen sie aufgrund dieser Fehlallokation nicht in den für sie vorgesehenen Maßnahmen an, sondern gehen zwischen den Systemen verloren. In vielen Fällen führt diese strukturelle Fehlentwicklung dazu, dass sie sich enttäuscht von den Hilfesystemen abwenden und nicht mehr erreicht werden können.

Mit diesem Positionspapier nimmt die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ in den Blick, wie sich Benachteiligung auf Jugendliche auswirkt und welche Unterstützungsbedarfe bestehen. Es wird dargestellt, welche Möglichkeiten die Jugendhilfe für benachteiligte Jugendliche bietet. Angesichts der Zuständigkeiten mehrerer Rechtskreise diskutiert das Papier, ob es rechtlicher Änderungen bedarf bzw. wie die Umsetzungspraxis zu verbessern ist, damit benachteiligte Jugendliche ein passendes und verlässliches Angebot erhalten. Abschließend werden Handlungsbedarfe formuliert.

Von welchen Benachteiligungen sind junge Menschen betroffen?

Im § 13 SGB VIII Absatz 1 und 2 werden zwei Arten von Benachteiligungen von jungen Menschen unterschieden: „1) die strukturelle soziale Benachteiligung: Davon betroffen sind junge Menschen, die aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe in ihren persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, in ihrem Zugang zu Bildung, Ausbildung und Beruf sowie allgemein in ihrer Teilhabe an der Gesellschaft systematisch eingeschränkt werden; 2) die individuelle Beeinträchtigung: Als individuell beeinträchtigt werden junge Menschen angesehen, wenn persönliche Merkmale es ihnen erschweren, bestimmte, für ihre Entwicklung und die gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft wichtige psychische, kognitive oder soziale Anforderungen zu erfüllen“. Zwischen den Auswirkungen beider Benachteiligungsarten können Wechselbeziehungen bestehen. Nachfolgend werden einige dieser Benachteiligungs- bzw. Beeinträchtigungslagen näher betrachtet.

Junge Menschen in prekären Lebenslagen

Jenseits der allgemeinen Herausforderung Jugendlicher, sich in einer schnell wandelnden Welt zurechtzufinden, prägen insbesondere unsichere Zukunftsaussichten das Lebensgefühl benachteiligter junger Menschen. Ihnen fehlen soziale Anerkennung sowie Erfahrungen der eigenen Stärke und Handlungsfähigkeit. Soziale Benachteiligung lässt sich als Mangel an Verwirklichungschancen beschreiben. Häufig kommt materielle Unsicherheit als Mangel an Teilhabechancen hinzu. Jede/-r fünfte Jugendliche in Deutschland wächst in Armut auf. Charakteristische Benachteiligungen, welche die „Lebenslage Armut“ prägen, sind Bildungsbenachteiligung, fehlende gesellschaftliche Zugehörigkeit und Teilhabe, höhere Gesundheitsrisiken, materielle Entbehrungen, Diskriminierung und ein beständiger „existenzieller Druck“. Benachteiligungsfaktoren können kumulieren, sich gegenseitig bedingen und selbstverstärkende Verläufe in Gang setzen.

Schlechte (Aus-)Bildungschancen

Der 15. Kinder- und Jugendbericht bestätigt erneut den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Viele Jugendliche, die in prekären Lebenslagen aufwachsen, erleben in der Schule Selektionsprozesse zu ihren Ungunsten. Etwa 6 Prozent der Jugendlichen beenden die Schule ohne Abschluss. Bei Jugendlichen ohne Schulabschluss und auch bei Jugendlichen mit schlechtem Hauptschulabschluss misslingt vielfach der Übergang in Ausbildung. Dies hat gravierende Konsequenzen zur Folge. So zählte der Berufsbildungsbericht 2018 über 2 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren, die ohne Berufsabschluss geblieben sind. Damit verbunden ist ein erhöhtes Risiko der Arbeitslosigkeit, wie Untersuchungen zeigen. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber, die trotz Ausbildungsabsicht nicht in ein Ausbildungsverhältnis einmünden konnten, ist ungeachtet der vielerorts günstigen Angebotssituation mit über 80.000 jungen Menschen pro Jahr sehr hoch.

Gefährdungen und fehlende Ressourcen in der Herkunftsfamilie

Die Familie ist die zentrale Unterstützungsressource, um Herausforderungen und Krisen im Übergangsprozess zu bewältigen. Die Familien eines Teils der Jugendlichen sind aufgrund ihrer sozialen Situation und der Bildungsvoraussetzungen der Eltern weniger gut in der Lage, ihre jugendlichen Kinder hinreichend zu fördern und in ihrem Übergangsweg zu bestärken. Einige Jugendliche erhalten in ihrer Familie keine ausreichende emotionale Unterstützung, sie fühlen sich unerwünscht oder sind sogar in ihrer seelischen bzw. körperlichen Unversehrtheit bedroht. Andere haben keinen Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie und leben in wechselnden Unterkünften, meist ohne ein gut funktionierendes Unterstützungssystem. Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist ein zunehmendes Problem: Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) schätzt eine Zahl von 37.000 wohnungslosen Jugendlichen bis 26 Jahren in Deutschland. Des Weiteren existieren Jugendliche, die von den sozialen Sicherungssystemen zeitweise nicht mehr erreicht werden und somit keinerlei Hilfe mehr in Anspruch nehmen. Das DJI schätzt, dass deutschlandweit ca. 21.000 Minderjährige zu den so genannten „entkoppelten Jugendlichen“ gezählt werden können.

Erkrankungen und Notlagen

Problemlagen in Familien, wie pflegebedürftige Angehörige, Suchterkrankungen oder psychische Erkrankungen z.B. der Eltern, belasten junge Menschen zusätzlich. In diesen Fällen sind es häufig die Jugendlichen, die eine Unterstützungsfunktion für ihre Familie übernehmen und dadurch keine Zeit, Kraft und Unterstützung für sich selbst finden. Aber auch andere Notlagen, wie eigene psychische oder körperliche Erkrankungen, (zugeschriebene) Behinderungen, prekäre Wohnsituationen, Überschuldung, Armut, Gewalterfahrungen oder Suchtprobleme sind Benachteiligungsfaktoren.

Fluchterfahrungen

Die Situation geflüchteter Jugendlicher ist häufig geprägt von Traumatisierung, der Erfahrung fehlender Zugehörigkeit sowie aufenthaltsrechtlicher Unsicherheit und damit einhergehender unmittelbarer Existenzängste. Bei unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen, die ohne Eltern oder Verwandte geflohen sind, kommt der fehlende familiäre Halt als Problembelastung hinzu. Die Adressatengruppe der jungen geflüchteten Menschen ist in den letzten Jahren zunehmend in das Blickfeld des § 13 gerückt.

Welche Formen der Unterstützung benötigen insbesondere benachteiligte Jugendliche, um die Herausforderungen des Aufwachsens bewältigen zu können?

Herausforderungen des Aufwachsens

Wie der 15. Kinder- und Jugendbericht ausführlich darlegt, ist die Jugendphase – für alle jungen Menschen – von den drei oben genannten Kernherausforderungen gekennzeichnet. So müssen junge Menschen berufliche und soziale Handlungsfähigkeit sowie eine Allgemeinbildung erlangen (Qualifizierung), soziokulturelle, ökonomische und politische Verantwortung übernehmen (Verselbstständigung) und eine Balance zwischen individueller Freiheit und sozialer Zugehörigkeit finden (Selbstpositionierung). Die Bewältigung der drei Kernherausforderungen bedeutet auch, sich mit unübersichtlichen Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Dabei verlaufen diese Prozesse oft nicht linear, sondern sind mitunter geprägt von Brüchen, Umorientierungen und Pendelbewegungen zwischen Abhängigkeit und Selbstständigkeit. Zugleich stehen junge Menschen unter einem hohen Erfolgsdruck, wobei ihr Übergangserfolg in hohem Maße ihrer Eigenverantwortung zugeschrieben wird. Obwohl sich für Jugendliche – auch mit Unterstützung der Jugendhilfe – immer wieder Freiräume ergeben, die sie selbstständig verantworten und strukturieren können, besteht doch insgesamt der Trend, Freiräume abzubauen und z.B. Bildungsprozesse zu beschleunigen. Das heißt, Räume, in denen junge Menschen sich ausprobieren und Fehler machen können und nicht unmittelbar für ihr Verhalten bewertet werden, verschwinden tendenziell. Die Jugendphase ist somit schon länger kein Moratorium mehr für Experimentiererfahrungen. Auf benachteiligte Jugendliche wirkt diese Entwicklung besonders herausfordernd, da gerade sie die Möglichkeit des sich Erprobens brauchen, um Selbstwirksamkeit zu spüren und Vertrauen in die eigene Entscheidungsfähigkeit zu gewinnen.

Unterstützung bei Übergängen

Der Übergang in das Erwachsenenalter bringt zudem vielfältige Ungewissheiten und Unsicherheiten mit sich. Er beinhaltet eine Vielzahl unterschiedlicher Übergänge, die erst in der Summe zu einer dauerhaften gelingenden Verselbstständigung führen. Hierzu können unter anderem die Ablösung von den Eltern und der Übergang Schule-Beruf gezählt werden. Diese Prozesse sind nicht mit dem 18. Lebensjahr abgeschlossen. Jugendliche und junge Erwachsene stehen bis weit in das dritte Lebensjahrzehnt vor der Anforderung immer wieder neue Übergänge zu meistern. Um Verwerfungen zu vermeiden, sind hier konstante und verlässliche Begleitangebote zu unterbreiten. Denn krisenhafte Phasen lassen sich besser meistern, wenn Ansprechpersonen da sind, die zuhören und Halt geben. Sie können durch das Aufzeigen verschiedener Möglichkeiten helfen, eigene Entscheidungen zu treffen. Familie, Peers und andere Instanzen sind in dieser Zeit wichtige Unterstützungssysteme. Sind hier die notwendigen Ressourcen nicht vorhanden (emotional, finanziell unterstützend etc.), hat das System der Kinder- und Jugendhilfe die Hilfestellung zu leisten, die ansonsten häufig von den Eltern als verlässliche Begleitung übernommen wird.

Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Stabilisierung

Benachteiligten Jugendlichen fehlen häufig die Erfahrungen von Selbstwirksamkeit, Selbstvertrauen und die aus positiven Erfahrungen gewonnene Zuversicht, für den eigenen Lebensweg richtige Entscheidungen zu treffen. Dies führt dazu, dass sie sich damit schwertun, sich dadurch als weniger handlungsfähig erleben und Enttäuschungen schwieriger verarbeiten. Die Unterstützungsangebote für diese Jugendlichen sollten deshalb insbesondere deren Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit fördern und sie ermutigen, Wünsche und Bedürfnisse zu formulieren sowie eigene Entscheidungen zu treffen.

Die Stabilisierung junger Menschen in problematischen Lebenssituationen, etwa einer schwierigen Wohn- oder Beziehungssituation bzw. einer materiellen Notlage, ist Voraussetzung für den Erfolg von Förderangeboten, die auf eine Teilhabe an Ausbildung und Erwerbsleben zielen. Es gilt, für konkrete Probleme Lösungswege aufzuzeigen und junge Menschen zu ermutigen, (wieder) selbst aktiv zu werden und ihre beruflichen Ziele zu verfolgen.

Welche Antworten hat die Kinder- und Jugendhilfe und insbesondere die Jugendsozialarbeit?

Neben anderen politischen und gesellschaftlichen Bereichen ist es insbesondere Aufgabe der Jugendhilfe, junge Menschen dabei zu unterstützen, alterstypische Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Im Zentrum des Jugendhilferechts stehen die Förderung der Entwicklung der Persönlichkeit und die Stabilisierung der sozialen und psychischen Entwicklung. Für junge Menschen, deren „altersgemäße gesellschaftliche Integration nicht wenigstens durchschnittlich gelungen ist“ und die bei ihrer beruflichen und insbesondere bei ihrer „sozialen Integration besonderer Förderungs- und Vermittlungsbemühungen bedürfen“ , wurde der § 13 zur Jugendsozialarbeit als eigenständiger Bereich zwischen den erzieherischen Hilfen und der Kinder- und Jugendarbeit geschaffen. Jugendsozialarbeit enthält Elemente aus beiden Handlungsfeldern, zielt aber vorrangig darauf ab, benachteiligte junge Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf zu unterstützen.

Aufgaben der Jugendsozialarbeit

Das Aufgabenfeld der Jugendsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Hilfen für die schulische und berufliche Ausbildung, die Eingliederung in die Arbeitswelt und die soziale Integration (§ 13 Absatz 1 SGB VIII). Dazu gehören sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen (Absatz 2) und Wohnformen während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung (Absatz 3). Während die sozialpädagogischen Hilfen und die Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen sich an benachteiligte junge Menschen unter 27 Jahren wenden, setzt das Leistungsangebot des sozialpädagogisch betreuten Wohnens während einer Ausbildung keine individuelle Beeinträchtigung oder soziale Benachteiligung voraus. Lediglich die sozialpädagogischen Hilfen nach § 13 Absatz 1 SGB VIII sind mit einer Soll-Vorschrift versehen. In den beiden weiteren Leistungsbereichen (Abs. 2 und 3) können Förderleistungen im Einzelfall gewährt werden.

Angebotsformen

Der Gesetzgeber verzichtet auf eine konkrete Auflistung von Angebotsformen. Vielmehr legt er es in die Hände der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, im Rahmen ihrer gesetzlichen Gesamt- und Planungsverantwortung zu definieren, welche Personengruppen und Einzelpersonen betroffen sind, deren Bedarfe zum Ausgleich von Benachteiligungen oder individuellen Beeinträchtigungen zu erheben und entsprechende bedarfsgerechte und abgestimmte Angebote und Strukturen zur Verfügung zu stellen. Die Angebote der Jugendsozialarbeit werden individuell (Case Management, Beratung), als Gruppen- und/oder sozialraumbezogene Leistungen, oft ergänzend und unterstützend zu oder gemeinsam mit relevanten „Regelangeboten“ (Schule, Ausbildung, Arbeitswelt) erbracht oder ersetzen diese, wenn die adäquate Förderung der jungen Menschen gemäß SGB VIII dort nicht möglich ist.Bund und Länder können die kommunalen Leistungen der Jugendsozialarbeit durch Programme unterstützen und ergänzen. Auch die Weiterentwicklung der Angebote anzuregen ist eine Aufgabe von Bund und Ländern. Aus fachlicher Sicht ist es dabei wichtig, dass die Programme in sinnvoller Ergänzung der örtlichen Angebote ausgestaltet werden.

Was sind spezifische Potenziale der Jugendsozialarbeit für benachteiligte Jugendliche?

Grundlegende Handlungsprinzipien

Hinsichtlich der beschriebenen Bedarfe benachteiligter Jugendlicher spielen die Handlungsprinzipien der Jugendsozialarbeit eine zentrale Rolle für das Gelingen der Unterstützungsleistungen. Subjektorientierung, Partizipation und Freiwilligkeit sind die Grundlagen der Angebote. Sie sind von der Idee geleitet, die Jugendlichen ergebnisoffen zu beraten, ihnen verschiedene Wege aufzuzeigen und ihnen auch zuzugestehen, Wege zunächst einzuschlagen und dann wieder zu ändern, das heißt, Umwege und Freiräume zu ermöglichen und Jugendliche dabei trotzdem zu unterstützen aber auch „dranzubleiben“. Zentrales Ziel ist es, dass Jugendliche die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen machen können und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt werden.

Ganzheitliche Förderung und verlässliche Beziehungen

Die Angebote der Jugendsozialarbeit stellen – anders als die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des SGB III und II – die Förderung der Persönlichkeit und der Entwicklung des jungen Menschen in allen Lebensbereichen in den Mittelpunkt. Mit ganzheitlich angelegten Hilfen kann die Jugendsozialarbeit flexibel auf die individuellen Bedarfe reagieren. Der junge Mensch mit seinen konkreten Stärken bildet den Ausgangspunkt der Förderung und gestaltet diese als Expertin und Experte in eigener Sache mit. Die sozialpädagogischen Fachkräfte entwickeln gemeinsam mit den Jugendlichen Lösungswege und neue Lebensperspektiven. Durch Kontinuität und Verlässlichkeit entsteht eine positive und stabilisierende Beziehung. Unterstützende Personen, die benachteiligte Jugendliche zuverlässig begleiten und stärken, sind für die Stabilisierung und Entwicklung von jungen Menschen von hoher Bedeutung.

Stabilisierung und Stärkung durch niedrigschwellige Angebote

Junge Menschen in prekären Lebenssituationen brauchen eine grundlegende Stabilisierung, bevor sie Maßnahmen zur Ausbildungsförderung oder beruflichen Eingliederung erfolgreich wahrnehmen können. Hier sind niedrigschwellige und aufsuchende Angebote der Jugendsozialarbeit nötig, die dabei helfen, Zugänge zu Förderungen zu schaffen und perspektivisch grundständige Lebensbereiche abzusichern, wie etwa die materielle Versorgung oder die Familien- und Wohnsituation. Eine Stabilisierung der Jugendlichen steht im Mittelpunkt der Förderung, die nur über ein professionelles und stabiles Beziehungsangebot gelingen kann. Diese Beziehung bildet den Ausgangspunkt für konkrete Schritte mit entsprechenden Hilfen.

Welche Unterstützungsleistungen für benachteiligte Jugendliche gibt es neben der Jugendsozialarbeit, und wie wirken sie mit ihr zusammen?

Schnittstellen zu anderen Leistungssystemen und Rechtskreisen am Übergang Schule Beruf

Neben der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) sind weitere Leistungssysteme – und damit so genannte „Rechtskreise“ – für die Förderungen und Unterstützung von jungen Menschen im Übergang in Ausbildung zuständig: insbesondere die Schulen (Schulgesetze der Länder), die Arbeitsförderung (SGB III) sowie die Grundsicherung (SGB II). § 13 SGB VIII regelt, dass jungen Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf zum Ausgleich sozialer Benachteiligung und zur Überwindung individueller Beeinträchtigung sozialpädagogische Hilfen angeboten werden sollen, um ihre schulische und berufliche Ausbildung und ihre soziale Integration zu fördern. Zudem kann die Jugendsozialarbeit auch schulische oder berufliche Bildungsmaßnahmen selbst anbieten, wenn diese nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen angemessen und für den Jugendlichen passend sichergestellt werden (Absatz 2). Er verpflichtet die Jugendsozialarbeit zudem, ihre Angebote mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abzustimmen (Absatz 4).

Schnittstelle zur Schule – schulbezogene Jugendsozialarbeit

Eine zentrale Schnittstelle besteht mit der Schule. Sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte junge Menschen erfahren im Regelsystem Schule häufig Ausgrenzung und Segregation. Die Kinder- und Jugendhilfe sieht sich in die Verantwortung genommen, Schulen bei der Ausgestaltung des Alltags zu unterstützen und Schülerinnen und Schülern Angebote zu machen. So leisten die unterstützenden Angebote der schulbezogenen Jugendsozialarbeit einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und zur schulischen Teilhabe junger Menschen. Sie werden im Interesse der Jugendlichen in enger Abstimmung mit der jeweiligen Schule vor Ort entwickelt. Es gibt sowohl kooperative Angebote von Schule und Jugendhilfe als auch individuelle sowie Gruppenangebote der Jugendsozialarbeit am Lebensort Schule. Hierzu zählen u. a. Schulsozialarbeit, präventive Angebote zur Vermeidung von Schulabsentismus, alternative Lernorte oder besondere berufsorientierende Angebote.

Leistungen der Arbeitsförderung an der Schnittstelle zur Jugendsozialarbeit

Die meisten beruflichen Bildungsmaßnahmen werden durch die Arbeitsförderung (SGB III) angeboten. Ihr Ziel ist die Vermeidung bzw. Verkürzung von Arbeitslosigkeit und, im Falle der jungen ausbildungssuchenden Menschen, die Einmündung in Ausbildung sowie die Sicherung des Ausbildungserfolges. Zur Zielgruppe gehören zunächst alle jungen Menschen, die eine Ausbildung machen oder arbeiten wollen und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, sowie diejenigen, die bisher ohne Ausbildung gearbeitet haben. Zudem stehen allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren verbindlich die Leistungen der Berufsberatung und Berufsorientierung zu; dies gilt auch für ALG II-Beziehende. Das SGB III hat auch die Zielgruppe der benachteiligten jungen Menschen im Blick. So können z. B. lernbeeinträchtige und sozial benachteiligte junge Menschen mit Maßnahmen der Berufsvorbereitung, Ausbildungsbegleitung, außerbetrieblichen Berufsausbildung sowie Einstiegsqualifizierung und Leistungen aus dem so genannten Vermittlungsbudget unterstützt werden. Die Teilnahme benachteiligter junger Menschen an diesen Angeboten hat jedoch nicht zur Folge, dass diese nicht mehr Zielgruppe der Jugendsozialarbeit sind. Diese kann und sollte ergänzend zum Beispiel sozialpädagogische Beratung und Begleitung anbieten, wenn dies sinnvoll oder erforderlich ist.

Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende an der Schnittstelle zur Jugendsozialarbeit

Eine weitere Schnittstelle mit Blick auf benachteiligte junge Menschen im Übergang Schule-Beruf besteht mit dem SGB II zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Im Vordergrund des SGB II stehen die Vermeidung oder Verkürzung der Hilfebedürftigkeit bei der Sicherung des Existenzminimums und der Erhalt oder die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit. Auf der Grundlage des Prinzips des Förderns und Forderns sollen erwerbsfähige junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren, die Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, unverzüglich in eine Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden. Damit soll die finanzielle Hilfebedürftigkeit bzw. staatliche Alimentierung möglichst schnell aufgelöst werden. Auch hier gilt: Die Teilnahme an entsprechenden Angeboten führt nicht dazu, dass die Jugendsozialarbeit nicht mehr zuständig wäre. Auch hier ist im Einzelfall zu klären, welche ergänzenden Angebote durch die Jugendsozialarbeit sinnvoll sein können.

Verpflichtung zu rechtkreisübergreifenden Kooperationen

Alle Rechtskreise sind über die jeweiligen Sozialgesetzbücher zur Kooperation verpflichtet. Kooperationen mit dem Schulbereich müssen über die Schulgesetze der Länder geregelt werden, wo derzeit unterschiedliche Regelungen bestehen. Der Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe ist nach § 81 SGB VIII zur Kooperation verpflichtet (genannt sind explizit Schulen, Träger des SGB II und die Arbeitsagenturen). Der SGB II-Träger ist nach § 18 Absatz 1 SGB II zu einer engen Kooperation mit den Akteuren vor Ort verpflichtet. Zudem hat der Gesetzgeber dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe im § 13 Absatz 4 SGB VIII ein spezifisches und umfassendes Kooperationsgebot auferlegt, damit Jugendliche mit einem besonderen Förderbedarf (möglichst) ganzheitlich betreut werden können.

Welche Probleme und Konflikte treten auf?

Förderangebote entsprechen nicht individuellen Bedarfen und Ressourcen

Arbeitsförderung, Grundsicherung für Arbeitssuchende und Jugendsozialarbeit weisen eine Schnittmenge bei ihren Zielgruppen auf, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele: Verkürzung der Arbeitslosigkeit und Beendigung des Leistungsbezuges stehen einer umfassenden Förderung und Stärkung junger Menschen zur gesellschaftlichen Teilhabe gegenüber. Die Jugendsozialarbeit kann Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen dann anbieten, wenn eine dem Entwicklungsstand des Jugendlichen entsprechende Ausbildung (oder Beschäftigung) nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird. Da die Arbeitsförderung ihre Angebote stark standardisiert hat und die Vergabeunterlagen für Jugendlichen-Maßnahmen von der Bundesagentur für Arbeit zentral erstellt werden, sind diese für die individuellen Bedarfe vieler benachteiligter Jugendlicher längst nicht immer passfähig. So wird zentral eine einzige Leistungsbeschreibung mit bundesweiter Geltung unabhängig von möglichen Unterschieden in der Zielgruppe und regionalen Besonderheiten für den Vergabeprozess erstellt. Dadurch ist das Förderangebot in hohem Maße vorstrukturiert und viele der benachteiligten und beeinträchtigten jungen Menschen können durch diese Angebote der Bundesagentur für Arbeit nicht erfolgreich gefördert und in den Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt integriert werden. Trotz zunehmend verbesserter Ausbildungsmarktsituation liegt der Anteil junger Erwachsener im Alter von 20-34 Jahren ohne Berufsausbildung seit Jahren bei mehr als 13 % (2016: sogar 14,3%) .

Hilfen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II setzen ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Anpassungsbereitschaft auf Seiten der jungen Menschen voraus. In einer so genannten Eingliederungsvereinbarung muss sich der oder die Jugendliche verpflichten, die Angebote des Trägers zur Eingliederung auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt anzunehmen. Äußern Jugendliche Widerstände, haben abweichende Vorstellungen zur beruflichen Perspektive oder sind nicht in der Lage, sich in die Abläufe zu integrieren, sind sie von Sanktionierungen bedroht, die bei jungen Menschen unter 25 Jahren bei wiederholten Pflichtverletzungen und regelwidrigem Verhalten zu einer hundertprozentigen Kürzung des Arbeitslosengelds II ggf. inklusive der Kosten für die Unterkunft führen können. Im Jahr 2017 beispielsweise wurden 3.317 unter 25-Jährige voll sanktioniert, so dass eine komplette Leistungskürzung vorlag. Seit Jahren werden diese, im Vergleich zu den über 25-Jährigen verschärften, Sanktionsregeln von Verbänden der Wohlfahrtspflege und der Jugendsozialarbeit kritisiert und deren Abschaffung gefordert.

Neben den Förderangeboten aus den Rechtskreisen SGB II und III werden von berufsschulischer Seite eine Reihe von Angeboten im Übergang Schule-Beruf unterbreitet. Darunter fallen diverse Bildungsgänge in Berufsfachschulen, Berufsgrundbildungsjahr, Berufsvorbereitungsjahr, unterschiedliche Bildungsgänge an Berufsschulen, und das Vorpraktikum für die Erzieherausbildung. Dieses vielfältige Angebot der Berufsschulen macht etwa 75% des Übergangsbereiches aus. Doch auch in diesen Angeboten werden keine Berufsabschlüsse vermittelt, in einigen der angebotenen Bildungsgängen können Schulabschlüsse, in weiteren können berufliche Kenntnisse erworben werden, die in Einzelfällen auf eine Berufsausbildung anrechenbar sind. Allerdings bieten die schulischen Bildungsgänge für junge Menschen mit negativen Schulerfahrungen und häufigen Misserfolgserlebnissen im schulischen Kontext kein attraktives Lernangebot auf dem Weg in eine Ausbildung. Mindestens aber wird hier eine intensive sozialpädagogische Begleitung der Schülerinnen und Schüler ohne Berufsausbildungsmöglichkeit bzw. zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung benötigt, um hier eine ganzheitliche Förderung realisieren zu können.

Ganzheitliche und stabilisierende Unterstützung fehlt

Als problematisch erweist sich zudem, wenn in Maßnahmen der Arbeitsförderung oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende an der beruflichen Integration gearbeitet wird, ohne dass zugleich die Lösung von Problemen oder Konflikten in grundständigen Lebensbereichen (Wohnen, Beziehungen, etc.) in Angriff genommen wird. Dies geht häufig mit einer Überforderung der jungen Menschen einher. Häufige Abbrüche von Förderangeboten sind die Folge. Dieses Misserfolgserlebnis ist dann, vor dem Hintergrund einer bereits durch schulisches Scheitern und fehlender Selbstwirksamkeit geprägten Biografie, die Wiederholung einer bekannten Negativerfahrung. Kann die notwendige Unterstützung in dieser Phase nicht durch die Herkunftsfamilie geleistet werden, so muss sie durch professionelle Hilfe ergänzt bzw. ausgeglichen werden. Die Arbeit in und mit der Familie spielt darüber hinaus eine wichtige Rolle, um Stabilität in grundständige Lebensbereiche der Jugendlichen zu bringen.

Zusammenarbeit der Rechtskreise muss verbessert werden

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit sind grundlegend formuliert. Leider beschränkt sich in der Praxis die Zusammenarbeit oft darauf, dass jeder Träger nach einem Sozialgesetzbuch in seinem Rechtskreis agiert und Kooperationen nur auf dem Wege des Kombinierens einzelner Maßnahmen der jeweiligen Rechtskreise entstehen. Eine ganzheitliche Begleitung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf würde jedoch gemeinsame Planungen von Förderangeboten und eine gemeinsame Durchführung voraussetzen. Dem sind aufgrund der unterschiedlichen Förderziele und Förderrahmen in den Sozialgesetzbüchern kaum überwindbare Grenzen gesetzt. Jugendberufsagenturen mit dem Ziel, eine systematische Zusammenarbeit der Rechtskreise zu erreichen, setzen hier an, werden jedoch in der Praxis unterschiedlich umgesetzt.

Komplizierte Vorrang- / Nachrang-Regelungen

Die Schnittstellen zwischen den drei Gesetzbüchern sind vielfältig und schwer zu durchschauen. Grundsätzlich ist in § 10 Absatz 1 SGB VIII festgelegt, dass die Verpflichtungen anderer Träger, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schule, nicht durch das SGB VIII berührt werden. So sind Leistungen der Arbeitsförderung vorrangig gegenüber Leistungen nach dem SGB VIII. Das wird auch für den Bereich der beruflichen Eingliederung in § 13 Absatz 2 SGB VIII ausdrücklich betont. In § 10 Absatz 3 SGB VIII ist hingegen ein genereller Vorrang der Jugendhilfeleistungen gegenüber Leistungen nach dem SGB II festgelegt. Allerdings gilt u.a. für Leistungen nach § 3 Abs. 2 SGB II (Vermittlung in Arbeit) und §§ 14 bis 16g des SGB II (Leistungen zur Eingliederung in Arbeit) ein spezielles Vorrangverhältnis gegenüber dem SGB VIII. Das bedeutet, dass in diesem speziellen Überschneidungsbereich die Jugendsozialarbeit zurücktritt.

Zudem gilt der Vorrang natürlich nur für die jungen Menschen, die nicht vom Leistungsbezug im SGB II ausgeschlossen sind. Ausgeschlossen sind alle jungen Menschen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, denn diese erhalten Hilfen zum Lebensunterhalt nach § 39 SGB VIII und sind damit nicht hilfebedürftig i.S.d. SGB II. Ein Leistungsausschluss des SGB II ist dann gerechtfertigt, wenn die Unterbringung in einer stationären Einrichtung (z.B. HZE, Psychiatrie, Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe) der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Wege steht.

Darüber hinaus ist die Leistung im SGB II vorrangig, wenn die psychosoziale Betreuung (§ 16a SGB II) in Konkurrenz zu sozialpädagogischer Begleitung nach § 13 SGB VIII steht. Da quantitativ und qualitativ durch die Arbeitsagenturen nach dem SGB II aber keine bedarfsgerechten Angebote zur Hilfestellung für die Berufsintegration zur Verfügung stehen, ist die nachrangige Leistungspflicht des SGB VIII (mehr als eigentlich gesetzlich intendiert) aktiviert.

Der neu eingeführte § 16h SGB II, der am 1. August 2016 in Kraft trat, ist per se nachrangig gegenüber den Jugendhilfemaßnahmen. Seine Einführung eröffnet den Jobcentern jedoch die Möglichkeit, bei nicht ausreichendem Vorhandensein von Angeboten nach § 13 SGB VIII selbst spezifische Hilfen anzubieten und diejenigen unter 25- Jährigen, die von den Systemen nicht mehr erreicht worden sind, zu unterstützen. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des § 16h SGB II auf einen Bedarf reagiert, der offensichtlich durch eine nur ungenügende Bereitschaft der Öffentlichen Träger der Jugendhilfe, entsprechende Angebote gemäß § 13 SGB VIII zur Verfügung zu stellen, entstanden ist. Die Jobcenter bekommen durch den neuen § 16h SGB II die Möglichkeit, die Gruppe der schwer erreichbaren Jugendlichen im SGB II-Bezug oder mit hoher Wahrscheinlichkeit mit SGB II-Leistungsansprüchen zu erschließen und sie durch zusätzliche Unterstützungs- und Betreuungsleistungen zu fördern und mit ihnen zu arbeiten. Wünschenswerter als diese Lösung wäre es gewesen, im SGB VIII die Leistungen nach § 13 mit einer höheren rechtlichen Verbindlichkeit zu versehen. Dies hätte auch dazu beigetragen, die Leistungen für die Zielgruppe aus einer Hand gestalten zu können, anstatt gleichartige Leistungen nun über die unterschiedlichen Logiken von zwei Sozialgesetzbüchern auszugestalten.

Was ist zu tun, um die beschriebenen Probleme zu lösen?

Handlungsempfehlungen und Forderungen der AGJ: Leitgedanke aller Angebote muss sein, allen Jugendlichen eine altersgerechte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen und die entsprechenden Ressourcen für alle zugänglich zu machen. Will eine Gesellschaft Chancengleichheit verwirklichen, so muss sie die Voraussetzungen für gleichberechtigte Teilhabe schaffen. Die Jugendsozialarbeit kann mit ihrem spezifischen Angebot und ihrer besonderen Haltung gegenüber den jungen Menschen mit Benachteiligung hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

Vernetzung der Systeme verbessern

Nicht die oder der Jugendliche muss sich aus dem unübersichtlichen Zusammenspiel der Rechtssysteme mit den entsprechend unterschiedlichen Zielstellungen die Unterstützungsangebote zusammenstellen, sondern die gesellschaftliche Hilfeleistung muss ganzheitlich und abgestimmt zur Wirkung kommen. Grundsätzlich müssen deshalb Unterstützungsangebote zur Förderung benachteiligter Jugendlicher noch stärker vernetzt gedacht werden.

Die unterschiedlichen Systeme und die in ihnen tätigen Fachkräfte stehen in der Verantwortung, diese Vernetzung umzusetzen und aufeinander zuzugehen. Nur in einem guten Zusammenspiel aller Systeme und Rechtskreise, mit denen der/die Jugendliche in Berührung kommt (Jugendhilfe, Gesundheitssystem, staatliche bzw. kommunale ökonomische Unterstützungsleistungen, Schule, Justiz, sportliche, kulturelle und soziale Strukturen vor Ort), kann eine nachhaltige, passgenaue Hilfeleistung erfolgen.

Jugendberufsagenturen – oder eine andere Form der engen und verbindlichen Zusammenarbeit der drei Rechtsträger – werden benötigt, damit junge Menschen in prekären Lebenslagen gezielte und koordinierte Unterstützung erhalten. Ihre Einführung war ein erster Schritt, weitere quantitative wie qualitative Schritte müssen folgen: Da der Begriff „Jugendberufsagentur“ nicht mit Qualitätskriterien unterlegt und zu deren Arbeit keine gemeinsamen Entscheidungskompetenzen gehören, hängt das Gelingen in der Praxis derzeit vom Engagement und der Innovationsbereitschaft der handelnden Akteure vor Ort ab.

Verlässliche und kontinuierliche Förderung in der Kinder- und Jugendhilfe sichern

Damit allen Jugendlichen ermöglicht wird, die Kernherausforderungen des Aufwachsens erfolgreich zu bewältigen, wird eine verlässliche und kontinuierliche Förderstruktur in der Kinder- und Jugendhilfe benötigt. Nur so kann es gelingen, dass auch junge Menschen aus prekären Lebenskonstellationen die notwendige Unterstützung erfahren, die durch Bezugspersonen in ihrem privaten Umfeld nicht gewährleistet werden kann. In der Jugendphase sind es besonders die individuellen sozialpädagogischen Hilfen der Jugendsozialarbeit, die für gelingende Übergangsprozesse gebraucht werden. Die Kinder- und Jugendhilfe muss trotz der Schnittstellenproblematik ihre Verantwortung für die Zielgruppe verstärkt wahrnehmen und ihre spezifischen Angebote sicherstellen.

So sollten Entscheidungen über die Unterstützung junger Menschen ausschließlich an deren Bedarfen und auf der Grundlage pädagogischer Erkenntnisse getroffen werden; fiskalische Gesichtspunkte dürfen nicht entscheidungsleitend sein. Die Jugendsozialarbeit sollte hier bewusster und klarer mit ihrer Verantwortung umgehen. Dabei sollten erreichbare Angebote für benachteiligte und schwer erreichbare Jugendliche geschaffen und allen betreffenden Jugendlichen Zugänge zu diesen ermöglicht werden. Der Kern der Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen liegt in einer vertrauensvollen und verlässlichen Beziehung. In diesem Zusammenhang sollte auch der Anspruch auf Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) verbindlicher ausgestaltet werden.

Die AGJ sieht zusammenfassend folgende Handlungsbedarfe

  • Es bedarf einer dauerhaften finanziellen Ausstattung der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII in allen Jugendamtsbezirken. Hier sind die Kommunen als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gefordert, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen. Dabei sollen die Länder gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag (§ 82 Abs. 2 SGB VIII) die Kommunen materiell und konzeptionell unterstützen.
  • Im Rahmen einer SGB VIII – Reform solle zudem seitens des Bundesgesetzgebers sichergestellt werden, dass die Angebote der Jugendsozialarbeit (und auch der Jugendarbeit) einen verbindlicheren Charakter erhalten, der gewährleistet, dass auf örtlicher Ebene die Bedarfe ermittelt und entsprechend finanziert werden.
  • Es sollte ein fachlicher Diskurs in der Kinder- und Jugendhilfe zur Ausgestaltung des § 13 SGB VIII stattfinden und erörtert werden, ob der § 13 SGB VIII stärker präventiv ausgerichtet werden und weniger strikt auf den unmittelbaren Übergang von der Schule in den Beruf orientiert sein sollte.
  • Die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige nach § 31a Absatz 2 SGB II sind dringend aufzuheben, weil diese Art der Maßregelung junger Menschen aus pädagogischer als auch arbeitsmarktpolitischer Sicht nicht wirkungsvoll und gerechtfertigt ist.
  • Die Förderangebote des SGB II und III, aber auch der Berufsschulen für junge Menschen im Übergang Schule Beruf müssen individueller gestaltbar sein, stärker auf die Ressourcen und die Wünsche der Jugendlichen ausgerichtet werden und mehr Freiräume zur persönlichen Entwicklung, aber auch zur Umentscheidung vorhalten. Um dies zu leisten, müssen die Förderangebote mit intensiverer sozialpädagogischer Begleitung ausgestattet werden.
  • Es sind mehr qualitative Untersuchungen und Erkenntnisse zu Lebenslagen, Benachteiligungsfaktoren und Bedürfnissen junger Menschen insbesondere in Übergangssituationen erforderlich.
  • Auf kommunaler und regionaler Ebene sollten Berichte zur Bildungs- und Ausbildungssituation, zur Lebenssituation von Familien, aber auch von Jugendlichen in der Region erarbeitet und diese Berichte gemeinsam ausgewertet werden. Nur dann können die Angebote wirklich auf die Zielgruppe zugeschnitten werden.

Für die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ gilt: Die Kinder- und Jugendhilfe darf sich nicht vorschnell zurückziehen, wenn andere Sozialleistungsträger Förderleistungen für die Zielgruppe der benachteiligte Jugendlichen anbieten. Mit ihrem ganzheitlichen Förderungsanspruch und der Zielsetzung, Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen, sollte sie prüfen, ob erstens die Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund der Leistung steht oder zweitens die beim Einzelnen ankommende Hilfeleistung des SGB II oder III tatsächlich die Fähigkeiten und den Entwicklungsstand des jungen Menschen ausreichend berücksichtigt. Wenn dies nicht der Fall ist, muss die Jugendsozialarbeit (mindestens ergänzend) tätig werden.

Parallel zu rechtlichen Klarstellungen innerhalb des SGB VIII, fordert die AGJ, dass angesichts individualisierter Lebenswege der Blick vermehrt darauf gerichtet wird, was Jugendliche in ihrer jeweiligen Lebenssituation brauchen, anstatt zu fragen, in welche Angebote sie hineinpassen. Heranwachsende sollten zudem nicht nach ihrer Bereitschaft bewertet werden, ob sie sich in bestehende Strukturen einfügen bzw. an die Angebote anpassen. Die konsequent umzusetzende Forderung muss hingegen heißen, Angebote und Unterstützung gezielt an den Bedarfen der jungen Menschen auszurichten, die aktuelle Angebotsorientierung muss also zugunsten einer Bedarfsorientierung aufgegeben werden. Diese Forderung lässt sich nur mit einer starken Jugendsozialarbeit und sie unterstützenden Trägern der öffentlichen Jugendhilfe umsetzen.

Download

Das Positionspapier mit dem Titel „Wer passt hier nicht zu wem? Sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte junge Menschen und die Förderangebote im Übergang Schule-Beruf“ (PDF, 140 KB) steht zum Download auf den Seiten der AGJ zur Verfügung.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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