Jugendsozialarbeit

Unsicherheit und Überforderung: Forschungsergebnisse zur Berufswahlorientierung Kölner Jugendlicher

Kölner Schülerinnen und Schüler wünschen sich einen besseren Überblick über Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten und eine langfristige Begleitung in ihren Entscheidungsprozessen. Zu diesem Ergebnis sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fachhochschule Köln und der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Köln, gekommen.

01.10.2010

 

Schraßenschild mit Pfeilen
Foto: ik


In einem von der RheinEnergieStiftung Jugend/Beruf, Wissenschaft geförderten Forschungsprojekt haben sie den Prozess der Berufswahlorientierung und die Übergangssituation von Kölner Jugendlichen zwischen Schule und Studium bzw. Beruf bei vier Jahrgängen von drei Berufskollegs und jeweils einem Jahrgang von zehn Gymnasien und Gesamtschulen über einen Zeitraum von drei Jahren untersucht. »Aufgrund unseres Stiftungsschwerpunktes, Jugendlichen den Übergang von Schule in den Beruf zu erleichtern, haben wir gern dieses Forschungsprojekt zur Berufswahlorientierung maßgeblich unterstützt, da wir wichtige Hinweise für zukünftige Praxisprojekte erwarten«, sagte Frau Gesche Gehrmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der RE Stiftungen zum Auftakt der gestrigen Tagung (30. September), zu der rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – überwiegend aus Politik und Verwaltung sowie Lehrer, Sozialpädagogen und Berufsberater – kamen.

Fazit der Tagung ist, dass das Übergangssystem zwischen Schule und Beruf bzw. Studium strukturierter und transparenter werden soll. Neue Elemente, wie eine sozialpädagogische Begleitung, sollen integriert und die Eltern sollen als zentrale Ansprechpartner stärker in den Berufswahlprozess mit eingebunden werden.

Die Wissenschaftlerinnen Prof. Dr. Angelika Schmidt-Koddenberg und Simone Tempel von der KatHO NRW haben in ihren standardisierten Befragungen in den Jahren 2008, 2009 und 2010 insgesamt knapp 1.900 Fragebögen ausgewertet. In diesen wurden Oberstufenschülerinnen und -schüler von zehn Kölner Gymnasien und Gesamtschulen zu ihrer Situation bezüglich der Studien- bzw. Berufswahl befragt – ergänzt um Gruppendiskussionen und Einzelinterviews. Das Ergebnis: Die Jugendlichen nehmen den Prozess der Berufswahlorientierung als äußerst anspruchsvoll und komplex wahr. »Alle Schülerinnen und Schüler haben einen sehr hohen Beratungsbedarf und wünschen sich übereinstimmend generell einen besseren Überblick über Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten«, so Schmidt-Koddenberg.

Als größte Schwierigkeiten benannten sie jedoch die Unklarheit über ihre eigenen Interessenslage sowie die Unsicherheit über die Arbeitsmarktentwicklungen. »Das wiegt vor allem deswegen schwer«, so Schmidt-Koddenberg, »weil die Jugendlichen für ihre Berufswahlentscheidung die eigenen Interessen und den Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz als wichtigste Ziele benannten.« Der Widerspruch zwischen den eigenen Bedürfnissen, Möglichkeiten und Kompetenzen auf der einen, und den großen Wahlmöglichkeiten und Anforderungen auf der anderen Seite führt häufig zu Orientierungslosigkeit. Die Jugendlichen wünschen sich vor allem gezielte Angebote zur Zukunftsplanung und individuelle Beratung, so das Fazit der Wissenschaftlerinnen.

Die Wissenschaftler der Fachhochschule Köln, Prof. Dr. Herbert Schubert, Holger Spiekermann, M.A. und Dipl. Soz. Christoph Heuer haben Absolventinnen und Absolventen aus vier Jahrgängen von drei Kölner Berufskollegs per Fragebogen zu ihrem Übergang von der Schule in den Beruf befragt. Dabei konnten sie fünf idealtypische Übergangsmuster identifizieren. »Die dabei festgestellten Zusammenhänge zwischen den empirisch ermittelten Übergangstypen und dem Schulerfolg stützen die These, dass sich eine Benachteiligung im Bildungssystem bei Jugendlichen aus bildungsfernen Familien und bei Jugendlichen mit einem Migrationshintergrund auch auf den Übergang ins Erwerbsleben auswirkt«, berichtet Christoph Heuer vom Forschungsteam.

Auch noch lange nach Verlassen der Berufskollegs ist die Unsicherheit und Orientierungslosigkeit sehr groß. Zum Teil führte das selbst nach geglücktem Berufseinstieg in eine neue Phase von Aus- und Weiterbildung, des Jobbens und der Erwerbslosigkeit Das ergaben ergänzende qualitative Interviews. »Dabei ist es für die Motivation und damit auch den Erfolg in der Schule bzw. Berufskolleg und im Übergang ins Erwerbsleben von entscheidender Bedeutung, ob Jugendliche ein Ziel vor Augen haben und wissen, was sie erreichen wollen«, stellt Prof. Dr. Herbert Schubert vom Forschungsschwerpunkt »Sozial – Raum –Management« der Fachhochschule Köln fest. »Dafür brauchen die Jugendlichen Ansprechpartner und Mentoren, die sie begleiten und unterstützen.« Eltern und Verwandte sind die Hauptansprechpartner bei ausbildungs- und berufsbezogenen Problemen. Daher müssen, so die Forscher, die Eltern dringend stärker in die berufsberatenden Maßnahmen einbezogen werden. Damit könnten auch Beratungsdefizite ausländischer Eltern kompensiert werden, die häufig nicht so mit den Geflogenheiten des deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes vertraut sind. »Die zu geringe Qualifikation vor allen von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und jungen Menschen aus bildungsfernen Familien lässt sich nur durch eine frühzeitig einsetzende Förderung bekämpfen«, betont Schubert. .»Problematisch verlaufende Übergänge und Berufsverläufe bleiben letztendlich auch ein Problem der Chancengleichheit im Bildungssystem.«

Quelle: Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen

ik

 

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