Kinder- und Jugendschutz

Sexualpädagogik: Kinder und Jugendliche stärken

Die Gesellschaft für Sexualpädagogik (gsp) betont, eine kritisch-reflexive Sexualpädagogik dient als Gewaltprävention und mindert die Gefährdungen des Aufwachsens für Kinder und Jugendliche.

11.02.2015

Zumeist ganz gut, aber noch nicht genug

Für das gelungene Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in den Bereichen Beziehung, Liebe und Sexualität leisten Lehrkräfte, Eltern wie professionell pädagogisch Erziehende gegenwärtig schon viel. Denn es wird weniger verheimlicht, weggesehen und unterdrückt als noch vor 20 oder 30 Jahren.
Eine selbstbestimmte und verantwortete Sexualität birgt aber auch Herausforderungen und Gefährdungen, denen die derzeitigen schulischen und sozialpädagogischen Angebote oftmals nicht gewachsen sind. Denn nur wenig pädagogisch Tätige sind auf die anspruchsvolle Arbeit vorbereitet. Es wäre eigentlich Aufgabe aller Universitäten, alle pädagogisch Tätigen auf die Thematisierung von Sexualität vorzubereiten. Das haben aber erst seit kurzem einige Hochschulen (Kiel, Hamburg, Merseburg, Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt) übernommen und wurde bisher vom Institut für Sexualpädagogik Dortmund (ISP), pro famila, und anderen freien Fachverbänden mit nachweisbarer Qualität geleistet.

Sexualerziehung wirkt, wenn sie die Jugendlichen ernst nimmt

Sexualpädagogik, die ankommt, arbeitet immer zielgruppenspezifisch: Sie holt Kinder und Jugendliche dort ab, "wo sie stehen". Sie berücksichtigt dabei ihre Erfahrungen, Fragen und Interessen sowie ihr Lebensumfeld. Sexualpädagogik, die ankommt, arbeitet vernetzt mit Eltern, Schule, Jugendarbeit, Fachstellen gegen sexuelle Gewalt und Fachstellen für sexuelle Vielfalt. Gute Sexualpädagogik hat verschiedene Wege und unterschiedliche Methoden für die jeweilige Zielgruppe parat. Die Jugendhilfe wird von sexualpädagogischen Fachleuten der GSP unterstützt. In den Schulen unterstützen außerschulische Fachleute den seit 1968 deklarierten Bildungsauftrag, Sexualerziehung fächerübergreifend und unabhängig von Einzelinteressen durchzuführen.

Vielfalt ist vorhanden, sie wird den Jugendlichen nicht aufgezwungen

Kinder und Jugendliche finden in Medien, Politik und Kunst Vielfalt vor. Die Sexualpädagogik soll sie dabei unterstützen, mit dieser Vielfalt umzugehen: Das beinhaltet Akzeptanz von Unterschiedlichkeit (z.B. des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und diverser Behinderungen) genauso wie kritisch zu betrachtende Verschiedenheiten (z.B. naive Haltungen zur Pornografie, unbedachter Umgang mit Nacktfotos) und Gewaltverhältnisse, die es zu bekämpfen gilt. Sexualerziehung lässt Heranwachsende mit dieser Vielfalt nicht allein, sondern unterstützt sie, Fragen und Unsicherheiten zu thematisieren, Diskriminierungen zu vermeiden, und selbstbestimmt die zu ihnen gefühlsmäßig passsende Beziehungsgestaltung zu wählen. Sie befreit in diesem Sinne von Normierungs- und Gleichschaltungszwängen, so wie jede Inklusions- und Heterogenitätspädagogik dies beansprucht.

Die Menschen stärken gegen Gewalt

Zärtlichkeit, Sinnlichkeit, Verliebtsein und körperliche Lust sind Energiequellen für Lebensmut und Lebensfreude. Sexualität ist in diesem Sinne produktiv, weil lebensdienlich, stärkend und in Beziehungen Anerkennung spendend. Sie ist nicht einfach angeboren, sondern bildet sich in Auseinandersetzung mit anderen Gleichaltrigen sowie Grenzen setzenden und ermutigenden Erwachsenen. Es ist eine wichtige grundsätzliche Erfahrung, für die Nähe zu anderen Menschen selbst Grenzen zu setzen und Achtung dieser Grenzen durch andere zu erfahren: Dies stärkt das Gefühl der Selbstwirksamkeit und motiviert, sich gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen. Die Expertinnen und Experten von GSP, ISP und vielen andere Fachverbänden haben das in ihren Schriften ausführlich beschrieben und begründet.

Selbstbestimmung und Verantwortung, bekommen eine Chance

Eigene Wünsche, Einfühlungsvermögen und moralisches Bewusstsein entwickeln sich durch Praxis, Aufklärung, Modelllernen und Reflexionshilfen. Grenzgänge, Rückschritte und belastende wie gute Gefühle gehören dazu. Eine moderne Sexualpädagogik macht dies in der Praxis zum Thema und bietet Begleitung an. Wenn das kommunikative Klima es zulässt, vertrauen Kinder und Jugendliche ihrem Gegenüber und lassen sich gerne helfen und beraten. Sexuelle Selbstbestimmung als Teil des Persönlichkeitsrechts wird in diesem Sinne von Anfang an gelernt, sie ist Teil einer umfassenden Sozial- und Gefühlserziehung. Alle didaktischen Anregungen sind in dieses Klima der Achtsamkeit eingebettet. Die sexualpädagogischen Aus- und Fortbildungen orientieren sich an einem pädagogischen Ethos, das alles zu vermeiden hilft, was eine ungestörte sexuelle Entwicklung insbesondere von Kindern beeinträchtigt.

Sexualpädagogik ist Gewaltprävention

Sexuelle Übergriffe und Gewalt entstehen in einer Sexualkultur der Heimlichkeiten, der Geheimnisse, des Wegsehens und Nicht-Redens. Institutionelle Orte des Missbrauchs kennen keine kritisch-reflexive Sexualerziehung.  Mitarbeiter/-innen und Experten/-innen der GSP haben sich an vielen Gutachten, runden Tischen und Projekten zur Aufdeckung und Prävention von sexuellen Gewaltverhältnissen beteiligt und ihr Wissen in Programme einfließen lassen, weil ein offenes und reflektiertes Umgehen mit allen Facetten der Sexualität mehr hilft als Tabuisieren und Nicht-zur-Sprache-bringen. Die beste Gewaltprävention ist sexuelle Bildung. Denn nur wer über Sexualität zu reden gelernt hat, wer Gefühle in Worte zu fassen weiß, wer weiß, was er/sie mag und wann eine Grenze überschritten ist, kann über Grenzüberschreitungen sprechen und diese kommunizieren.

Sexuelle Selbstbestimmung und -verantwortung basieren auf ethischer Orientierung

Die reflexiv-kritische Sexualpädagogik, wie sie die gsp als Fach- und Berufsverband für Sexualpädagogik vertritt, hat sich auch mit christlichen und islamischen Religionsgemeinschaften vernetzt und zielt auf wechselseitiges Lernen ab. Denn vielfältige sexuelle und geschlechtliche Identitäten, Beziehungs- und Liebesweisen erweitern die gesetzlich garantierte persönliche Freiheit, beinhalten aber auch Entscheidungsnot und Möglichkeiten des psychischen Scheiterns.
Kirchen und andere weltanschauliche Gruppen bieten moralische Entscheidungshilfen und Leitplanken des Verhaltens in Konfliktsituationen. Öffentliche Sexualaufklärung und sexuelle Bildung in Schulen haben Plattformen der qualifizierten Auseinandersetzung bereit zu stellen. In der Auseinandersetzung miteinander können sich moralische Haltungen qualifizieren und die Achtung vor dem Anderssein wachsen.

Eine <link https: www.isp-dortmund.de downloadfiles external-link-new-window stellungsnahme des institut für>Stellungnahme des Institut für Sexualpädagogik (ips) zum Thema ist außerdem auf deren Internetseite als PDF-Datei (69 KB) einsehbar.

Quelle: Gesellschaft für Sexualpädagogik (gsp), Februar 2015

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