Kinder- und Jugendschutz
Sexualisierte Gewalt im Sport: Mehr finanzielle Mittel für die Präventionsarbeit gefordert
Jeder dritte deutsche Spitzenathlet hat als Kind oder Jugendlicher schon eine Form der sexualisierten Gewalt selbst erfahren. Das ist das Ergebnis der Studie "Safe Sport" der Deutschen Sporthochschule Köln.
27.03.2017
Die Studie "Safe Sport" wurde von Projektleiterin Bettina Rulofs von der Deutschen Sporthochschule Köln am 22. März vor dem Sportausschuss präsentiert.
Jeder neunte der 1.799 Kaderathleten, die an einer Online-Befragung teilgenommen haben, sei von schwerer oder länger andauernder sexualisierter Gewalt betroffen gewesen, sagte Rulofs. Sexualisierte Gewalt sei damit im Bereich des Leistungssports ähnlich präsent wie in anderen Lebensbereichen. "Der Sport scheint weder ein Raum besonderer Gefährdung noch ein Schutzraum zu sein", urteilte die Soziologin.
Was die Prävention angeht, so habe die Studie positive wie auch negative Ergebnisse gebracht, sagte sie. Positiv sei, dass alle Landessportbünde, 80 Prozent der Spitzensportverbände und 54 Prozent der Verbände mit besonderen Aufgaben Ansprechpersonen für die Prävention sexualisierter Gewalt benannt hätten. Ein großer Teil der Arbeit werde jedoch ehrenamtlich und ohne spezifische Finanzierung durch die Verbände durchgeführt. Besorgniserregend ist nach Aussage der Projektleiterin mit Blick auf die Basis, dass nur knapp die Hälfte der Vereine das Thema sexualisierte Gewalt relevant fände. Ein großer Teil der Vereine habe Präventionsmaßnahmen weder eingeführt noch geplant, dies zu tun, sagte Rulofs.
Die Soziologin forderte, der Sport müsse an einer "Kultur des Hinsehens" arbeiten. Außerdem sollten staatliche Förderungen der Verbände an die Einhaltung von Präventionsstandards gebunden werden.
Bessere Finanzierung für die Präventionsarbeit
Mehr finanzielle Mittel für die Präventionsarbeit verlangte auch Elena Lamby von der Deutschen Sportjugend (DSJ). "Präventionsarbeit macht man nicht nur so nebenbei", machte sie deutlich. Damit die Präventionsverantwortlichen in den Verbänden mit Experten kooperieren können, müssten die Fachberatungsstellen bundesweit ausgebaut werden, regte Lamby an.
Auch aus Sicht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) müssen Vereine besonders sensibilisiert und zur Präventionsarbeit befähigt werden, sagte Petra Tzschoppe, für Frauen und Gleichstellung zuständige DOSB-Vizepräsidentin.
Prävention in der Ausbildung verankern
Nachholbedarf gebe es aber auch im Bereich der Spitzenverbände. Der DOSB sei mit dem Bundesinnenministerium (BMI) darüber im Gespräch, im Rahmen der Neustrukturierung der Leistungssportförderung den Anspruch auf Präventionsarbeit in die Förderkriterien mit aufzunehmen, sagte sie. Außerdem müsse die Prävention gegen sexualisierte Gewalt auch im Rahmen der Universitätsausbildung von Sportlehrern und anderen Tätigen im Bereich des organisierten Sports verankert werden, forderte Tzschoppe.
Die Studie liefere alarmierende Zahlen, befand Johannes-Wilhelm Rörig, durch die Bundesregierung berufener Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. "Das Thema hat in den Verbänden und Vereinen nicht die Priorität, die es benötigt", sagte er. In vielen Vereinen habe man die Problematik noch gar nicht erkannt. Röhrig lobte zugleich die gute Zusammenarbeit des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch mit DOSB und DSJ. Der Funke auf die Vereine sei trotz deren Engagement aber nicht übergesprungen. "Wir brauchen dringend Idole aus dem Sport, die sich hinter das Anliegen, Schutz vor sexueller Gewalt' stellen", sagte Rörig. Er sei in intensiven Gesprächen mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) darüber, wie es gelingen könne, dafür Nationalspieler und andere Prominente zu gewinnen.
Quelle: Deutscher Bundestag, hib – heute im bundestag Nr. 184 vom 22.03.2017
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