Kinder- und Jugendschutz

Rundfunk- und Telemedien-Prüffälle der KJM im dritten Quartal 2011

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat im dritten Quartal 2011 insgesamt 27 Verstöße gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) festgestellt.

22.11.2011

24 davon kommen aus dem Rundfunk-, drei aus dem Telemedienbereich. Bei der Aufsicht über den Rundfunk arbeitet die KJM Hand in Hand mit den Landesmedienanstalten: Sie beobachten, prüfen und bewerten potenziell problematische Rundfunkangebote und leiten - bei Feststellen eines Anfangsverdachts auf einen Verstoß gegen den JMStV - der KJM die entsprechenden Prüffälle zur Entscheidung zu. Im Internetbereich unterstützen jugendschutz.net und die Landesmedienanstalten die KJM bei ihren Aufgaben: So treten jugendschutz.net oder auch die Landesmedienanstalten bei der Annahme von Verstößen vorab an die Anbieter heran und fordern, entsprechende Inhalte freiwillig herauszunehmen. Auf diese Weise können viele Internet-Fälle ohne aufwändiges Verfahren geklärt werden. Erst bei Nichtabhilfe oder in besonders schweren Fällen schreitet die KJM ein. Sowohl im Rundfunk- als auch im Telemedienbereich kann die KJM nur gegen Anbieter mit Sitz in Deutschland vorgehen. Indizierungen fallen in das Aufgabengebiet der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Die KJM ist in dem Zusammenhang einerseits für die Abgabe von Stellungnahmen zu Indizierungsanträgen im Bereich der Telemedien zuständig und kann andererseits selbst Indizierungsanträge stellen.

Rundfunk

Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze 22 bis 6 Uhr) stellte die KJM in folgenden Fällen fest: Bei zwei Beiträgen im Rahmen der Pro Sieben-Sendung "Galileo" (19.10 Uhr). Ein 15-Minüter mit dem Titel "Die härtesten Gefängnisse der Welt" zeigte eine Vielzahl von massiven, drastischen Gewaltszenen. Aus Jugendschutz-Perspektive sind vor allem die beschriebenen Tötungshandlungen problematisch. Da die Bilder real sind, können sie auf Kinder und Jugendliche besonders emotionalisierend und belastend wirken. Die KJM entschied, dass die Darstellungen geeignet sind, Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nachhaltig zu ängstigen und damit in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen. Der andere Galileo-Beitrag beschäftigte sich mit "Methoden zum Töten". Sein Inhalt ist es, anhand von Ausschnitten aus dem Film "True Lies" mit Arnold Schwarzenegger, der bis vor kurzem indiziert war, zu demonstrieren, ob die im Film gezeigten Tötungsarten auch in Realität funktionieren. Die KJM beschloss, dass der Beitrag sowohl aufgrund der mehrfachen Wiederholung einer Genickbruchmethode als auch aufgrund eines Wurfes mit einem Sägeblatt erst ab 22 Uhr hätte gezeigt werden dürfen.

Auch ein Hörfunk-Angebot bewertete die KJM - im Rahmen einer gutachtlichen Befassung bei einem nicht länderübergreifenden Angebot - als entwicklungsbeeinträchtigend für unter 16-Jährige: eine Ausgabe der 89.0 RTL Morningshow (6 bis 10 Uhr) mit dem Titel "Die spek-takulärste Morningshow aller Zeiten: Die erste Penistätowierung im Radio!". Dem Zuschauer wurde hier der Eindruck vermittelt, er sei live dabei, wie einem Kandidaten - der dafür ein Jahr lang ein Auto bekommt - eine Automarke auf den Penis tätowiert wird. Abseits einer Aufklärung über Risiken und Folgen der Aktion wurde einseitig die tapfere Schmerzbewältigung des Kandidaten gelobt. Die KJM ist der Auffassung, dass die unkritische und unreflektierte Darstellung der Tätowierung im Intimbereich - einer gerade für Pubertierende sehr privaten Zone - zu einer psychischen Destabilisierung von unter 16-Jährigen führen kann.

Wie bereits im zweiten Quartal (vgl. KJM-Pressemitteilung vom 25.07.11) wurden auch im dritten Quartal des Jahres Rundfunk-Verstöße für die RTL 2-Sendung "X-Diaries - love, sun & fun" festgestellt. Die beanstandeten Folgen liefen montags bis freitags um 19 Uhr und wurden in der Folgewoche um 12 Uhr - direkt vor der Ausstrahlung verschiedener Zeichentrickserien - wiederholt. Das "X-Diaries"-Konzept: Laienschauspieler spielen eine erdachte Handlung nach. Vor allem jüngere Zuschauer realisieren das allerdings nicht unbedingt. Denn es wird der Eindruck vermittelt, es handle sich um "wahre" Geschichten. Im Mittelpunkt der einzelnen, klischeebehafteten Episoden stehen meist Partys, Spaß sowie Beziehungs- und Familienkonflikte in Orten wie Rimini oder Ibiza.

Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze 22 bis 6 Uhr) stellte die KJM nun nochmals in sechs "X-Diaries"-Fällen fest, und in weiteren zehn "X-Diaries"-Fällen eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 12-Jährige (Sendezeitgrenze 20 bis 6 Uhr). Die Entwicklungsbeeinträchtigung begründete die KJM jeweils vor allem mit der aufdringlichen Darstellung der Themen Sex und Alkohol und der derbzotigen Sprachwahl.

Aufgrund der für Heranwachsende nicht zu erkennenden Fiktionalität der Sendung ist eine sozialethische Desorientierung für unter 16-Jährige oder für unter 12-Jährige zu befürchten. Aufgrund dieser Prüfentscheidungen der KJM prüfte die Freiwillige

Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) spätere "X.Diaries"-Folgen vor Ausstrahlung. Aus Sicht der KJM waren diese Sendungen bisher jugendschutzrechtlich unproblematisch.

Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 12-Jährige (Sendezeitgrenze 20 bis 6 Uhr) stellte die KJM außerdem in folgenden Fällen fest: Bei der Sendung "MTV Home" (17 Uhr): Die beiden Moderatoren waren auf der Berliner Sexmesse "Venus" unterwegs. Aus Jugendschutz-Perspektive beinhaltete die Sendung Handlungs- und Deutungsmuster, die problematische Verhaltensweisen, Einstellungen und Rollenmuster nahe legen. Sie können dazu beitragen, die psychosoziale und psychosexuelle Entwicklung von Kindern unter 12 Jahren zu beeinträchtigen.

Auch zwei Trailer für einen "CSI-Event" im Hauptabendprogramm von RTL, die der Sender innerhalb einer Woche jeweils im Tagesprogramm ausstrahlte, sind entwicklungsbeeinträchtigend für unter 12-Jährige. Beide Trailer warben, einmal 30 und einmal 90 Sekunden lang, für die drei amerikanische Krimiserien "CSI: Miami", CSI: New York" und "CSI: Den Tätern auf der Spur", die dem so genannten "Forensik TV" zuzuordnen sind. Dafür verwandten sie die gleichen Mittel: Sie zeigen - bis auf eine Ausnahme - Gewalt nicht explizit. Dennoch ist Gewalt - und der Tod - indirekt über die ganze Länge präsent und sichtbar. Entlastende Momente, wie ein "Happy End" fehlen, die Trailer brechen am Ende ohne Auflösung ab.

Zwei Verstöße betreffen die US-Zeichentrickserie "Familiy Guy" im Viva-Tagesprogramm. Die Serie handelt von Familie Griffin, die aus dem Ehepaar Peter und Lois, deren Kindern Chris, Megan und Baby Stewie sowie dem sprechenden Familienhund Brian besteht. In der Episode "Peters Tochter" erschießt Peter unvermittelt seine Tochter, in einer anderen Szene misshandelt er eine Freundin Megs mit einem Feuerlöscher. Die drastischen Gewaltdarstellungen sind geeignet, Kinder unter 12 Jahren zu verunsichern und zu verängstigen. Andere Szenen haben sozialethisch desorientierende Effekte. Daher bewertete die KJM diese Folge der kinderaffinen animierten Serie als entwicklungsbeeinträchtigend für unter 12-Jährige. Zu dem gleichen Urteil kam sie in Bezug auf die Doppelfolge "Stewie killt Lois" / "Lois killt Stewie", deren Titel bereits den Inhalt zusammenfasst.

Telemedien

Die Jugendschutzrelevanz von Internet-Inhalten ist in der Regel ungleich höher als die von Fernseh-Sendungen. Weil Angebote im Netz außerdem nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern meist über einen längeren Zeitraum online sind, berichtet die KJM über die Verstöße in Telemedien anonymisiert:

Zwei Verstöße beziehen sich auf Angebote, die einfache Pornografie beinhalten. In Telemedien darf einfache Pornografie nur ausnahmsweise innerhalb geschlossener Benutzergruppen zugänglich gemacht werden. Ist das nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen den JMStV vor. Ein Angebot stellt aufgrund entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte einen Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV dar. Er betraf die Homepage eines Radiosenders.

In 12 Fällen wurde das Verfahren eingestellt, da die jugendschutzrelevanten Inhalte nach der Anhörung des Anbieters entfernt worden und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Einstellung (kein absolut unzulässiges Angebot, kein Wiederholungstäter) gegeben waren.

Die KJM beschloss - je nach Art und Schwere der Verstöße - Beanstandungen, Untersagungen und/oder Bußgelder. Die entsprechenden Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten durch. Strafrechtlich relevante Inhalte gibt die KJM an die zuständigen Staatsanwaltschaften ab.

In 105 Fällen beantragte die KJM im dritten Quartal 2011 die Indizierung eines Telemedienangebots bei der BPjM. Die Anträge bezogen sich zum Großteil auf Internetangebote mit pornografischen Darstellungen. In weiteren 23 Fällen gab die KJM eine Stellungnahme zu Indizierungsanträgen anderer antragsberechtigter Stellen bei der BPjM ab, die von der BPjM bei ihrer Entscheidung maßgeblich zu berücksichtigen sind.

Damit befasste sich die KJM seit ihrer Gründung im April 2003 mit rund 4.650 Fällen.

Quelle: PM Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) vom 21.11.2011

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