Kinder- und Jugendschutz
Lagebericht: Rechtsextreme nehmen Jugendliche im Netz immer stärker ins Visier
Rechtsextreme Gruppen verlagern ihre Aktivitäten zunehmend auf Social-Media-Kanäle und nehmen damit gezielt Jugendliche ins Visier. Derzeit versuchen sie zudem, die Corona-Krise zu instrumentalisieren. Dies sind die Erkenntnisse des aktuellen Lageberichts „Rechtsextremismus im Netz 2018/19“ von jugendschutz.net, dem Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet.
17.04.2020
Über alle verfügbaren Social-Media-Dienste locken Rechtsextreme mit Angeboten, die an die Lebenswelt junger Menschen anknüpfen und deren Emotionen wecken – zum Beispiel durch Musik: von Rock bis Hip-Hop. Das zeigt der Lagebericht „Rechtsextremismus im Netz 2018/19“, den Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey heute vorgestellt hat. Erarbeitet und herausgegeben wurde der Bericht von jugendschutz.net, dem Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet.
Lagebericht ist ein Alarmzeichen
„Ob in sozialen Netzwerken, auf YouTube oder in der digitalen Spiele-Welt: Kinder und Jugendliche sind heutzutage ganz selbstverständlich im Netz unterwegs – umso erschreckender ist es, wie leicht sie von Rechtsextremisten kontaktiert und geködert werden können“, sagt Bundesjugendministerin Giffey“. Für mich ist der Lagebericht ein Alarmzeichen, gerade auch in Zeiten von Corona. Denn mit kruden Verschwörungstheorien und Fake News versucht die rechtsextreme Szene derzeit auch junge Menschen für sich zu gewinnen. Über das Internet können sie sich nahezu ungehindert direkten Zugang in die Kinderzimmer verschaffen.“
„Gefährliche Echokammern“ durch Schutzlücken
Der Lagebericht von jugendschutz.net macht einmal mehr deutlich, dass Social-Media-Dienste ein zentrales Aktionsfeld von Rechtsextremen ist. Gerade dort, wo Schutzmaßnahmen durch Plattformbetreiber nicht vorhanden oder zu wenig wirksam seien, entstünden gefährliche „Echokammern“.
„Um Jugendliche auch vor diesen Gefahren im Netz wirksam zu schützen, werden wir noch in diesem Jahr das Jugendschutzgesetz reformieren“, betont Bundesjugendministerin Giffey: „Für stärkeren Schutz, mehr Orientierung und eine effektive Rechtsdurchsetzung bei Verstößen – auch gegenüber Anbietern mit Sitz im Ausland. Zugleich brauchen wir mehr Medienkompetenz. Schon jetzt fördern wir über das Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ zahlreiche Initiativen, die junge Menschen für ideologische Inhalte im Netz und ihre Gefahren sensibilisieren.“
Plattformen in der Pflicht, bei Rechtsverstößen schnell zu handeln
„Rechtsextreme tummeln sich in Social-Media. Sie stacheln dort zum Hass gegen Menschengruppen auf, huldigen rechtsterroristischen Attentätern und greifen unsere Demokratie an. Über Musik, Videos und Memes erreicht ihre Hetze ein Millionenpublikum, darunter unzählige Kinder und Jugendliche“, erläutert Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net. „Deshalb ist es wichtig, dass bei Rechtsverstößen schnell gehandelt wird. Wir brauchen mehr Betreiber, die bereit sind, junge Userinnen und User auch proaktiv vor rechtsextremer Propaganda zu schützen. Es ist unbegreiflich, warum einschlägig bekannte Bands ihre hasserfüllte Musik noch auf reichweitenstarken Plattformen promoten können. Und wieso schlagen mir die Algorithmen dann auch noch ähnliche Beiträge vor? Mit Meinungsfreiheit hat das nichts zu tun“, so Glaser weiter.
Fast 1.500 Verstöße registriert
jugendschutz.net dokumentierte 2018 und 2019 im Themenfeld Rechtsextremismus 1.486 Verstöße. Meist handelte es sich um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung. 2.248 Maßnahmen wurden eingeleitet; in über 80 Prozent der Fälle wurde eine Löschung oder Sperrung erreicht. Der Großteil der gesichteten rechtsextremen Propaganda befand sich auf Social-Media-Plattformen wie YouTube, Facebook, Twitter und Instagram.
Instrumentalisierung der Corona-Krise
Auch jugendschutz.net und das Kompetenznetzwerk Rechtsextremismus im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ beobachten, dass Rechtsextreme aktuell versuchen, die Corona-Krise für ihre Propaganda zu instrumentalisieren.
Das führe zu einer „Hass- und Rassismus-Pandemie in den sozialen Netzwerken“, die teilweise auch mit realer Gewalt ende, warnt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung als Koordinierende Stelle des Kompetenznetzwerks Rechtsextremismus: „Asiatisch aussehende Menschen werden angegriffen, italienische Restaurants mit Farbe beschmiert, Rechtsextreme bedrohen Flüchtlinge, Einwanderer und Repräsentanten unserer Demokratie. Dem müssen wir uns entgegenstellen und fake news, gezielter Desinformation und rechtsextremen Narrativen präventiv und pädagogisch begegnen. Gerade Jugendliche müssen hier unterstützt werden, richtige Informationen von falschen zu unterscheiden und zum Widerspruch gegen Verschwörungserzählungen ermutigt werden. Hierzu geben wir Trägern der Jugendarbeit und pädagogischem Fachpersonal Informationen und Methoden an die Hand, wir entwickeln gemeinsam mit Jugendlichen digitale Argumentationstrainings, bieten Online-Seminare zu Moderationstechniken an, stehen für Rückfragen, Begleitung und Coaching im Chat zur Verfügung und erarbeiten Angebote und Handreichungen für die Erwachsenenbildung.“
Zusätzliche Informationen und Materialien
- Der Bericht „Rechtsextremismus im Netz 2018/19“ (PDF 2,7 MB) und die Praxis-Info „Corona-Pandemie und rechtsextreme Onlinepropaganda: Verschwörungstheorien, Hasskampagnen und rechtsextremes Framing“ (PDF 2,2 MB) stehen online zum Download bereit.
- Ergänzende Videostatements von Bundesjugendministerin Franziska Giffey und von Flemming Ipsen (jugendschutz.net).
- Zusätzliches Material des Kompetenznetzwerks Rechtsextremismus (KOMPREX)
- Interview mit Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung als Koordinierende Stelle des KOMPREX
Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 16.04.2020
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