Kinder- und Jugendschutz

Kindesmissbrauch: GEW will Opfer in den Mittelpunt der Aktivitäten stellen

Elf-Punkte-Programm der Bildungsgewerkschaft zur Arbeit des „Runden Tisches gegen sexuellen Kindesmissbrauch“

22.04.2010

 

Viertelecke eines Runden Tisches mit leeren Stühlen

Quelle: sxc/svilen001

Frankfurt a.M. – Der „Runde Tisch gegen sexuellen Kindesmissbrauch“ soll ein deutliches Zeichen für die Opfer setzen. Sie müssten im Mittelpunkt der Diskussion und Aktivitäten des Runden Tisches stehen. Das hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die durch ihren Vorsitzenden Ulrich Thöne beim Runden Tisch vertreten wird, im Vorfeld des Treffens festgestellt. Die Bildungsgewerkschaft schlägt ein Elf-Punkte-Arbeitsprogramm zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Minderjährige vor.

„Wir brauchen Präventionsmaßnahmen, die Kinder und Jugendliche stark machen. Sie sollen sexuelle Gewalt erkennen, sich wehren und Unterstützung erhalten. Die Position der Opfer muss gestärkt werden. Sie benötigen Hilfeleistungen und Entschädigung“, sagte Thöne am Donnerstag in Frankfurt a.M. „Die GEW setzt sich dafür ein, dass sich Pädagoginnen und Pädagogen auf ein Berufsethos verpflichten, dem die UN-Kinderrechtskonvention und das deutsche Recht auf gewaltfreie Erziehung aus dem Jahr 2000 zugrunde liegen. Lehrende müssen alles dafür tun, um Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt zu schützen.“ 

„Sexuelle Gewalt, Prävention und Berufsleitbild gehören in die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pädagogen. Nur wer sich bei diesem Thema auf sicherem Boden bewegt, kann Gefahren frühzeitig erkennen, Übergriffe verhindern sowie Kinder und Jugendliche unterstützen“, betonte der GEW-Vorsitzende. In öffentlichen und privaten Schulen müsse die staatliche Schulaufsicht ihre Aufgaben aktiv wahr nehmen. Gleichzeitig warnte Thöne jedoch davor, die Berufsgruppe der Pädagoginnen und Pädagogen unter Generalverdacht zu stellen. 

Er verlangte eine lückenlose Aufklärung der Fälle sexueller Gewalt. Hier sei der Staat gefordert. „Weder Kirchenrecht noch Sportgerichtsbarkeit können an die Stelle des Staates treten“, unterstrich Thöne. 

Zudem regte der GEW-Vorsitzende an, das Treffen in „Runder Tisch sexuelle Gewalt in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen...“ umzubenennen: „In Erziehungsverhältnissen mit Minderjährigen gibt es keinen geregelten, gleichsam vernünftigen Gebrauch der Sexualität, wie der Begriff ‚Missbrauch’ unterstellt.“ 

Elf-Punkte-Programm der GEW 

Die GEW schlägt vor, für folgende Aspekte konkrete Vorschläge zu entwickeln und den verantwortlichen Stellen ihre Umsetzung nahe zu legen:

     
  1. Prophylaxe: Kinder und Jugendliche stark machen, um sexuelle Gewalt zu erkennen und benennen zu können, um sie abzuwehren, Hilfe zu suchen und sich ggf. jemandem anzuvertrauen.
  2.  
  3. Hilfe und Entschädigung für die Opfer: etwa durch Einrichtung eines Fonds, durch die Sensibilisierung von Eltern, Aus- und Fortbildung für Pädagog/innen, Polizist/innen und Psycholog/innen.
  4.  
  5. (Vorbeugende) Maßnahmen, um Pädophile und (potenzielle) Gewalttäter an sexuellen Gewalttaten zu hindern und sie zur Rechenschaft zu ziehen.
  6.  
  7. Unterstützung und Begleitung von Pädagog/innen durch verbindliche Ausbildungselemente, Fortbildungsangebote und Supervision zum Themenkreis sexuelle Gewalt.
  8.  
  9. Berufsethische Grundsätze als Selbstverpflichtung für Beschäftigte in Einrichtungen, die von Kindern und Jugendlichen besucht werden. Das Berufsethos der Bildungsinternationalen kann als Vorbild dienen. Berufsethische Grundsätze müssen auch zum Ausbildungsgegenstand werden.
  10.  
  11. Leitbild für öffentliche und private Einrichtungen mit klaren Verhaltensregeln zum Umgang mit sexueller Gewalt.
  12.  
  13. Aufarbeitung von sexueller Gewalt in kirchlichen, staatlichen, sonstigen gesellschaftlichen Einrichtungen (Jugendclubs, Sportvereine...) und in Familien, um Erkenntnisse für vorbeugende Maßnahmen zu gewinnen.
  14.  
  15. Aufklärungs- und Präventionsangebote für pädagogische Einrichtungen mit dem Ziel der klaren Positionierung gegen Grenzverletzungen und der Etablierung eines entsprechenden Beschwerdemanagements. 
  16.  
  17. Die Verfolgung und Ahndung sexueller Gewaltdelikte unterliegen dem staatlichen Gewaltmonopol. Weder Kirchenrecht noch Sportgerichtsbarkeit können an die Stelle des Staates treten.
  18.  
  19. Wissenschaftliche Erforschung,
    a. wie und welche Strukturen und Prozesse in pädagogischen Einrichtungen Gewaltanwendung von Pädagog/innen begünstigen, ermöglichen oder vielleicht sogar fördern, 
    b. ob pädagogische Konzepte sexuelle, körperliche und seelische Gewaltanwendung gegenüber Kindern und Jugendlichen rechtfertigen oder gar als pädagogische Handlung gutheißen 
    c. welche Auswirkungen die sexuelle Gewalt in Institutionen auf die Betroffenen hat und welche Bedingungen gegeben sein müssen, dass sie sich jemandem anvertrauen. 
  20.  
  21. Überprüfung der Verfahren im Sinne des KJHG zur Genehmigung der Betriebserlaubnis von Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten. Im Bereich der öffentlichen und vor allem auch der privaten Schulen muss die staatliche Schulaufsicht ihren grundgesetzlichen Auftrag aktiv wahrnehmen.

Empfehlungen und Forderungen  

  1. Umbenennung in Runder Tisch „Sexuelle Gewalt in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen...“.
  2.  
  3. Der Begriff „Kind“ umfasst im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr.
  4.  
  5. Die Arbeit des Runden Tisches ist regierungsunabhängig. Der Runde Tisch gestaltet seine Agenda eigenverantwortlich. 
  6.  
  7. Zwischenberichte und Expertisen werden veröffentlicht.  

Quelle: GEW

ik

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