Kinder- und Jugendschutz

Hilfen für Kinder aus Suchtfamilien sind im Koalitionsvertrag aufgenommen

Für die ca. drei Millionen Kinder suchtkranker Eltern in Deutschland zeichnet sich eine mögliche Verbesserung ihrer Versorgungssituation ab: Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD die Beseitigung von Schnittstellenproblemen vorgenommen. Diese verhindern bislang oft die Kooperation verschiedener Hilfesysteme wie Suchthilfe, Jugendhilfe und Gesundheitssystem zugunsten der Kinder.

12.02.2018

Kinder sollen nicht länger durch die Maschen der Hilfesysteme rutschen

„Auf solche klaren Positionen mussten alle, die sich in Forschung und Praxis mit der desolaten Situation von benachteiligten Kindern beschäftigen, lange warten“, sagte Prof. Klaus Hurrelmann bei der Auftakt-Pressekonferenz zur neunten bundesweiten Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien in Berlin. Seiner Einschätzung nach können hilfswillige Menschen in Jugendhilfe, Suchthilfe, Gesundheitswesen, Schule und Kita oft auch beim besten Willen für viele betroffene Kinder kein passendes Angebot realisieren, weil unterschiedliche rechtliche Grundlagen und finanzielle Vorgaben dem im Wege stehen. „Wenn es der neuen Koalition gelingt, Alternativen aufzubauen und Vernetzungen der Hilfeeinrichtungen zu ermöglichen, wäre das ein Meilenstein“, so Hurrelmann.

Aufbau regionaler Hilfenetze auf Länder- und kommunaler Ebene

Um die Hemmnisse für Hilfen abzubauen, wird im Frühjahr eine vom Bundestag eingesetzte Arbeitsgruppe erstmals zusammenkommen. Sie soll der Bundesregierung konkrete Vorschläge machen, wie Hemmnisse für den Aufbau regionaler Hilfenetze auf Länder- und kommunaler Ebene abgebaut und der Aufbau solcher Netze gefördert werden kann.

Zukunftsfrage für Deutschland, wenn drei Mill. Kinder ihre Potentiale nicht ausschöpfen können

Für Prof. Dr. Michael Klein, Leiter des Deutschen Instituts für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) an der Katholischen Fachhochschule NRW ist die Hilfe für Kinder suchtkranker Eltern eine Zukunftsfrage „Diese Kinder sind eine unversorgte oder bestenfalls unterversorgte Gruppe der Gesundheits- und Sozialpolitik. Wenn Deutschland die schätzungsweise drei Millionen betroffenen Kinder ohne Hilfen belässt, verspielt es als führende Industrienation seine Zukunft“, sagte Klein auf der Pressekonferenz. Denn diese Gruppe macht immerhin jedes sechste Kind in Deutschland aus. Die internationale Forschung zeigt, dass Kinder suchtkranker Eltern die größte Risikogruppe zur Entwicklung von Suchtstörungen bei Alkohol, Drogen und Verhaltenssüchten sind. Auch entwickeln sie sich häufiger zu Schul- und Bildungsversagern. In Hinblick auf das Abschneiden Deutschlands bei den PISA-Studien kann die hohe Zahl der Kinder aus Suchtfamilien kaum als zu vernachlässigende Größe betrachtet werden. „Alle Kinder sollten ihre Potentiale entwickeln und verwirklichen können“, sagt Michael Klein. „Dies ist aber einer suchtbelasteten Familie nicht möglich.“

Betreuungsangebote außerhalb der Familie bedeutend

„Von unschätzbarem Wert“ sind daher nach Einschätzung von Klaus Hurrelmann pädagogische und Betreuungsangebote, die den Kindern außerhalb der Familie gemacht werden. Er ist hoffnungsvoll, dass sich die Versorgung von Kindern aus suchtbelasteten Familien mit solchen Angeboten durch die Aufnahme des Themas in das Regierungsprogramm verbessern wird. In Kombination mit dem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Kinderarmut, der leichteren Inanspruchnahme von Leistungen für Bildung und Teilhabe und durch den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter ist Hurrelmann sicher, dass die Kinder von suchtkranken und psychisch kranken Eltern von allen diesen Maßnahmen profitieren werden – ebenso wie von der Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz, die Union und SPD ebenfalls beschlossen haben.

Hilfe muss ein in jeder Kommune verfügbares Regelangebot werden

Hurrelmann stellte sich ausdrücklich hinter die von der Interessenvertretung NACOA erhobene Forderung, ein flächendeckendes, regelfinanziertes Hilfesystem für Kinder aus suchtbelasteten Familien zu schaffen. Hiervon ist Deutschland nach Einschätzung von NACOA-Sprecher Henning Mielke noch weit entfernt. Er schätzt, dass in Deutschland auf rund 15.000 Kinder ein spezialisiertes Hilfeangebot kommt. „Dieses Hilfenetz hat sehr weite Maschen“, sagt Mielke. Umso wichtiger sei es, die vorhandenen Ansätze als Ressource für den flächendeckenden Ausbau des Hilfenetzes zu nutzen. Hierfür ist vor allem die Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten ausschlaggebend. „Daran muss sich die große Koalition messen lassen, wenn sie die Situation von Kindern aus Suchtfamilien nachhaltig verbessern will“, so Mielke. NACOA organisiert zusammen mit den Vereinen „Such(t)- und Wendepunkt“ und „Kunst gegen Sucht“ die Aktionswoche“.

Die Aktionswoche gibt den Kindern eine Stimme

Mit rund 120 Veranstaltungen und Aktionen in 69 deutschen Städten unterstreicht die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien die Forderung nach einem flächendeckenden, regelfinanzierten Hilfesystem. Hilfeeinrichtungen, Initiativen, Projekte und die Verbände der Sucht-Selbsthilfe erheben gemeinsam ihre Stimme für die vergessenen Kinder. Die Aktionswoche findet zeitgleich auch in den USA, und Großbritannien statt.

Quelle: NACOA Deutschland e.V. vom 12.02.2018

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