Kinder- und Jugendschutz
djb begrüßt Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken
Der Deutsche Juristinnenbund e. V. (djb) begrüßt das Vorhaben, mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) die Rechtsdurchsetzung gegenüber sozialen Netzwerken zu stärken. Durch das Phänomen der Hassrede und Hasskriminalität sind das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit bedroht. Frauen sind dabei in besonderem Ausmaß betroffen.
19.05.2017
Der djb teilt die Bedenken nicht, dass durch das NetzDG eine "Privatisierung der Rechtsdurchsetzung" erfolgt. Er stellt im Gegenteil fest, dass es faktisch im Bereich der Meinungsfreiheit zu einer Privatisierung von Recht gekommen ist. Soziale Netzwerke entscheiden aufgrund intransparenter Kriterien über Löschungen. Damit entscheiden private Unternehmen über Umfang und Inhalt der Meinungsfreiheit. Auch auf nach der Rechtsordnung offensichtlich rechtswidrige Inhalte wird trotz Kenntnis nur zögerlich, unzureichend oder gar nicht reagiert. Dass der Gesetzgeber dies nicht länger hinnehmen will, findet die klare Zustimmung des djb. Der Gesetzgeber ist gefordert, das Machtgefälle zwischen global monopolartig agierenden Unternehmen und in ihren Rechten bedrohten Bürgerinnen und Bürgern weitestmöglich mit nationaler Gesetzgebung auszugleichen.
Durchsetzung geltenden Rechts
Das NetzDG konkretisiert im Fall von rechtswidrigen Inhalten nur die Durchsetzung des Rechts. Die Pflicht zur Prüfung, Löschung und gegebenenfalls Sperrung knüpft ausschließlich an solche Inhalte an, die gegen geltendes Strafrecht verstoßen. Bei Verstößen droht den Unternehmen ein Bußgeld. Bei Streit über die Rechtswidrigkeit eines Inhalts ist zwingend eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Damit muss ein Gericht über die Inhalte und damit über die Meinungsfreiheit entscheiden. Das NetzDG sieht weder eigenständige rechtliche Äußerungsverbote vor noch erweitert es die Strafbarkeit. Nach geltender Rechtslage sind soziale Netzwerke bereits jetzt verpflichtet, auf substantiierten Hinweis hin Inhalte zu überprüfen und gegebenenfalls zu löschen.
Keine Chilling Effects
"Chilling effects" - eine vorschnelle Selbstbeschränkung oder Selbstzensur - sind nach Einschätzung des djb nicht zu erwarten. Soziale Netzwerke sind ihren gesetzlichen Pflichten zur Löschung beziehungsweise Sperrung rechtswidriger Inhalte, aber auch ihrer im Rahmen der Task Force "Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet" auferlegten freiwilligen Selbstverpflichtung nur zu einem geringen Anteil nachgekommen. Gegen die Befürchtung, dass in Zukunft vorschnell und wahllos auch zulässige Inhalte gelöscht werden, spricht das bisherige Verhalten der Anbieter: Weder das vom Europäischen Gerichtshof festgestellte "Recht auf Vergessenwerden" noch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Haftung eines Hostproviders für persönlichkeitsrechtsverletzende Blog-Einträge schon 2011 bejaht hat, haben dazu geführt, dass Inhalte wahllos, vorschnell und unkritisch entfernt wurden.
Konkrete Fristen
Explizit befürwortet der djb die Pflicht zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Soziale Netzwerke mit Sitz im Ausland können so einfacher in die Pflicht genommen werden. Betroffene erhalten faktisch mehr Durchsetzungsmacht. Entsprechend positiv ist auch die Einführung konkreter Fristen für die Löschung beziehungsweise Sperrung rechtswidriger Inhalte zu bewerten. Aus Frauensicht regt der djb eine Ergänzung der in Art. 1 § 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs vorgesehenen Straftatbestände um § 201 a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) an.
Verletzung der Intimsphäre
Insbesondere Frauen sind von der Veröffentlichung von Bildaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Bereich der Intimsphäre und der damit einhergehenden schwerwiegenden Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte besonders häufig und schwer betroffen. Gerade in Zusammenhang mit den vielfältigen Formen von Cyber-Harassment gegen Frauen sollte darüber hinaus auch § 30 StGB (Versuch der Beteiligung: der Versuch, einen anderen zur Begehung eines Verbrechens zu bestimmen oder dazu anzustiften) in die Aufzählung der Vorschriften mit aufgenommen werden, durch den bestimmte Vorbereitungshandlungen von Verbrechen - auch im Bereich der als Verbrechen ausgestalteten Sexualdelikte in § 177 StGB neue Fassung - unter Strafe gestellt werden.
Weiter regt der djb an, die Möglichkeit der gewillkürten Prozessstandschaft gesetzlich im NetzDG festzuschreiben. Denn damit kann die Rechtsdurchsetzung im individuellen Fall gestärkt werden, ohne dass explizit die Feststellung eines öffentlichen Interesses in jedem Einzelfall nötig ist. Betroffene Frauen haben immer wieder geäußert, dass sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte dringend der Unterstützung durch Verbände und Vereinigungen aus der Zivilgesellschaft bedürfen.
Quelle: Deutscher Juristinnenbund e.V. vom 19.05.2017
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