Kinder- und Jugendschutz
11. Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien: Hilfsangebote dauerhaft finanzieren
Etwa drei Millionen Kinder in Deutschland leben mit Eltern zusammen, die alkohol- oder drogenkrank sind. Doch obwohl dieses Problem jedes sechste Kind betrifft, gibt es in Deutschland immer noch zu wenige Hilfeangebote, so die Initiatoren und Unterstützer der Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien. Sie fordern den Bundestag auf, eine gesetzliche Grundlage und damit eine verstetigte Finanzierung der Hilfsangebote zu schaffen.
10.02.2020
Prof. Barbara John, Vorstandsvorsitzende Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin erklärt: „Es ist wichtig, dass wir gerade die Kinder, die in Familien mit suchtkranken Eltern leben, nicht allein lassen. Sie brauchen dringend eine verlässliche Hilfe und unsere Unterstützung. Nur so können wir ihnen ermöglichen, später ein glückliches Leben zu führen. Denn diese Kinder tragen nicht nur eine große Bürde sonders selber ein hohes Risiko, suchtkrank zu werden.“
Elternunabhängiger Anspruch auf Beratung reicht nicht aus
Auf einhellige Zustimmung stieß bei den Initiator(inn)en und Unterstützer(inne)n der Aktionswoche ein Statement der Bundesfamilienministerin. Franziska Giffey hatte sich jüngst in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland für mehr Hilfen für suchtbelastete Familien und ihre Kinder ausgesprochen. „Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen“, sagt Henning Mielke von der bundesweiten Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien, NACOA. „Allerdings reicht es nicht aus, den Kindern nur einen elternunabhängigen Anspruch auf Beratung einzuräumen, wie es jetzt vorgesehen ist. Wenn sie nicht anschließend in ein Unterstützungsangebot weitervermittelt werden, ist für die Kinder nicht viel gewonnen.“ An solchen Angeboten aber mangelt es in Deutschland. Bundesweit gebe es nur ca. 200 spezialisierte Angebote für die drei Millionen betroffenen Kinder.
Hilfsangebote finanziell absichern
Eine vom Bundestag einberufene Arbeitsgruppe hat zwar Empfehlungen erarbeitet. Doch in ihrem Abschlussbericht sind die vom Parlament geforderten Vorschläge für eine Finanzierung flächendeckender Angebote nicht enthalten, weil die in die Arbeitsgruppe berufenen Expert(inn)en und die beteiligten Bundesministerien sich nicht einigen konnten.
Von der 11. Aktionswoche ergeht daher die Aufforderung an den Deutschen Bundestag, die Finanzierung von Hilfeangeboten für Kinder suchtkranker Eltern auf eine solide gesetzliche Grundlage zu stellen und finanziell abzusichern. Dafür bedarf es einer konzertierten Aktion von Bund, Ländern und Gemeinden.
Die 2020 anstehende Novellierung des Sozialgesetzbuches VIII (Kinder- und Jugendhilfe) ist hierfür die entscheidende Weichenstellung.
Positive Beispiele aus der Praxis
Als positives Beispiel ist die Förderung von Hilfeangeboten für Kinder suchtkranker Eltern in Berlin zu nennen. Nachdem es in der Hauptstadt in der Vergangenheit im Vergleich zu Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz kaum Landesmittel für Projekte freier Träger gab, hat der Senat nun der Wichtigkeit des Themas Rechnung getragen. Im Doppelhaushalt 2020/21 werden dafür insgesamt eine halbe Million Euro zur Verfügung gestellt. Hiervon sollen unter anderem Projekte der Träger vista gGmbH, Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige e.V. und NACOA Deutschland e.V. gefördert werden:
- Nina Pritszens, vista gGmbH und Michael Frommhold, Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e.V., setzen mit ihrem gemeinsamen Konzept einer Mobilen Familienberatung bei der Beratung und Unterstützung suchtbelasteter Familien an. Betroffene Eltern werden gezielt bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder beraten und in Angebote weitervermittelt, die einerseits den Familienzusammenhalt stärken sowie andererseits Wege aus der Abhängigkeit eröffnen. Auch für die Kinder gibt es spezialisierte Gruppenangebote. Die Mobile Familienberatung erreicht betroffene Familien über ein umfangreiches Netz von Partnereinrichtungen wie z.B. Ärzte, Schulen, Beratungsstellen etc
- Das Projekt „Fluffi-Klub“ von NACOA Deutschland zielt auf die Stärkung der psychischen Gesundheit bei Kindern im Vorschulalter. In spielerischer Form werden Inhalte angeboten, die die psychische Gesundheit aller teilnehmenden Kinder fördern. In besonderer Weise werden die Kinder suchtkranker Eltern dabei unterstützt, Stärke und Resilienz bei den für sie typischen Risikofaktoren zu entwickeln. Durch diesen Ansatz werden die betroffenen Kinder erreicht, ohne sie zu stigmatisieren. Der „Fluffi Klub“ bietet den Mitarbeiter(inne)n der beteiligten Familienzentren und Kitas Workshops zum Thema an und verbessert die Einbindung in bezirkliche Hilfenetzwerke.
Weiterführende Informationen
Die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien startet mit einem umfangreichen Angebot von 120 Veranstaltungen in über 60 deutschen Städten. Viele davon sind Weiterbildungen für Fachkräfte. Diese zielen auf das Bildungs- und Gesundheitssystem sowie die Jugend- und Suchthilfe. Insbesondere Kindergärten, Schulen und weitere Jugendeinrichtungen sind in besonderer Weise geeignet, die Kinder so zu unterstützen, dass sie sich trotz Widrigkeiten relativ gesund entwickeln können.
Wie in jedem Jahr wird die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien die politischen Forderungen mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen unterstreichen. Alle Einrichtungen, Initiativen, Projekte aus Jugend- und Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe und ihre Verbände sind eingeladen mitzumachen. Die Veranstaltungen sorgen dafür, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, Wissen zu vermitteln, Hoffnung zu verbreiten und betroffenen Familien und den Kindern Wege zu Hilfe und Genesung zu weisen. Auch Einzelpersonen sind aufgerufen, sich mit Briefen an Parlamentarier/-innen und die Unterzeichnung einer Petition zu beteiligen.
Das Programm der Aktionswoche sowie alle Informationen für Interessierte, die sich beteiligen möchten, finden sich unter www.coa-aktionswoche.de.
Zeitgleich finden Aktionswochen auch in den USA, Großbritannien, Schweden, der Schweiz und in Slowenien statt.
Quelle: NACOA Deutschland e.V. und Such(t)- und Wendepunkt e.V.
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