Digitale Jugendbildung

Virtual Reality in der Internationalen Jugendarbeit

Dieser Beitrag aus dem IJAB journal 2/2020 beleuchtet Virtual Reality als Technologie, die auch für die Internationale Jugendarbeit neue Wege eröffnen könnte. Dabei werden Kosten, Einsatzmöglichkeiten und Schlussfolgerungen in den Blick genommen.

17.03.2021

Virtual Reality (VR) ist eine Technologie, die sich stetig weiterentwickelt, jedoch noch in ihren Kinderschuhen steckt. Internetbasierte Dienstleistungen, Bildung, Kulturelles, Unterhaltung und Social-Media-Tools sind inzwischen fast überall zugänglich. Einen weiteren Schritt in Richtung virtueller und erweiterter Realität (VR und AR) zu gehen, versteht sich daher von selbst und wird gerade vollzogen. Diese Entwicklung wird nur noch vom fehlenden Zugang und von der Höhe der Ausstattungskosten zurückgehalten. Dies sollte jedoch kein ernst zu nehmendes Hindernis sein und könnte auch für die Internationale Jugendarbeit neue Wege eröffnen. 

Was ist jetzt schon möglich?

Ein einfacher Blick auf die Statistiken zeigt, dass wir es mit einer Technologie von Dauer zu tun haben. VR wird häufig mit Computerspielen in Zusammenhang gebracht. Zweifelsohne treibt die Spieleindustrie diese Entwicklung voran, dennoch ist zu berücksichtigen, dass inzwischen mehr als die Hälfte der VR-Anwendungen nicht für Spiele vorgesehen sind – ein Trend, der sich voraussichtlich weiterentwickeln wird. Die meisten der weltweit führenden Marken haben für ihre Mitarbeiter/-innen und Kund(inn)en eine Art VR- oder AR-Erfahrungswelt geschaffen.
Ende 2018 gab es weltweit mehr als 170 Millionen regelmäßige VR-User, eine Zahl, die exponentiell ansteigt.

VR-Typen

Es gibt drei grundlegende Formen der Virtual Reality:

  • Die nicht-immersive VR wird typischerweise bei Computerspielen verwendet: Die Nutzer/-innen befinden sich vor einem Bildschirm und können sich mit der Maus oder einem Joystick bewegen. Das VR-Erlebnis entsteht hauptsächlich durch die eigene Vorstellungskraft, wobei Sinnesempfindungen der realen Welt noch wahrgenommen werden können.

  • Die semi-immersive VR erfordert eine VR-Brille, mit der die Nutzer/-innen den gesendeten oder erschaffenen Inhalt sehen können. Hier sind die Nutzer/-innen stärker eingebunden, dennoch erscheint das Erlebnis immer noch unecht und die reale Welt ist nicht ausgeschaltet. Aber selbst auf diesem Niveau kann die Wahrnehmung den Verstand auf erstaunliche Weise austricksen.

  • Die vollständig-immersive VR befindet sich noch auf experimenteller Ebene. Sie entspricht jedoch bereits den Vorstellungen der Science-Fiction Autor(inn)en: Mit Unterstützung der Technologie wird eine virtuelle Welt erschaffen, die bei Nutzer(inne)n dazu führt, dass ihre Sinne die reale Welt nicht mehr wahrnehmen.

Bei der semi-immersiven und vollständig-immersiven VR hängt die Qualität des Erlebnisses stark von der verwendeten technischen Ausstattung ab.

Ausstattung – VR-Brillen und Kameras

Für ein einfaches immersives Erlebnis braucht man nur ein simples „Google Cardboard” oder eine ähnlich funktionierende VR-Brille, die man mit einem Handy verbinden kann. Dabei wird ein nicht-immersives Gerät in ein augenscheinlich immersives Gerät umgewandelt. Die so funktionierenden VR-Brillen sind kostengünstig, sie liegen in der Regel bei 10 Euro, und haben einen guten Effekt, da sie trotzdem ein spannendes Erlebnis ermöglichen. Ein Nachteil dabei ist, dass einem bereits nach einigen Minuten schwindelig wird.
Für ein intensiveres Erlebnis benötigt man eine VR-Brille von besserer Qualität und eine Spielkonsole (z. B. eine Playstation). Die Kosten beginnen bei 300 Euro und es handelt sich hierbei um ein immer noch semi-immersives „Einsteigerlevel“ der VR.

Die nächste Stufe ist ein in sich geschlossenes System, wie das Oculus Quest, das bei 450 Euro beginnt und dann eine deutlich bessere Qualität bietet.
Das derzeitige High-End-Gerät erfordert einen Computer höchster Qualität in Kombination mit den leistungsfähigsten, im Handel erhältlichen VR-Brillen, wie zum Beispiel HTC Vive oder Oculus Rift. Das Ergebnis ist ein Erlebnis, das einen glauben lässt, man sei in einer vollständig-immersiven VR, obwohl dies nicht der Fall ist. Ein solches System kostet weit über 1000 Euro.

Wer sich nun nach VR-Material umsieht, könnte meinen, dass es ein Vermögen kostet und besondere Fähigkeiten für das Erleben der virtuellen Welt erfordert. Das ist erstaunlicherweise nicht der Fall. Die 360-Grad-Kameras für Einsteiger/-innen kosten mit Zubehör einige Hundert Euro. Eine sehr gute Kamera erhält man für unter 1000 Euro.

Virtual Teahouse

Das „Virtual Teahouse“ ist ein innovativer und einzigartiger virtueller Online-Raum für Informationsbeschaffung, Networking und Verbreitung von Informationen. Lehrende, Jugendbetreuer/-innen und Jugendliche betreten mit einem Avatar diesen Raum. Sobald sie sich in diesem Raum befinden, haben sie die Möglichkeit, Informationen zu suchen, ihre Projektergebnisse zu streuen, an Präsentationen teilzunehmen oder einfach Zeit in dem virtuellen Café zu verbringen, wo sie chatten oder Ideen für zukünftige Projekte austauschen können. Mit diesem inklusiven und kohlenstoffarmen Medium ist interkulturelles Lernen und Interaktion zwischen Jugendlichen in ganz Europa und der Welt machbar. Insbesondere gilt dies für Jugendliche, die weniger Chancen haben, sich zu treffen, sei es, dass sie aufgrund von körperlichen Einschränkungen oder aus kulturellen, wirtschaftlichen oder geographischen Gründen nicht die Möglichkeit haben, zu reisen oder einfach von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren. Das Virtual Teahouse wurde von einem Team junger, autistischer Menschen entworfen, die diese Umstände berücksichtigt haben. 2021 wird es offiziell eröffnet. Weitere Informationen gibt es auf den Seiten des Virtual Teahouse.

Schlussfolgerungen: Was wir bisher gelernt haben

Wir haben bisher schon einiges in der VR-Filmproduktion ausprobiert und dadurch eine weitere Stufe in der digitalen Medienarbeit erreicht. Anbei unsere wichtigsten Schlussfolgerungen:

  • Die VR-Technologie ist für jeden zugänglich. Sie erfordert einige technische Fähigkeiten, beruht aber hauptsächlich auf der eigenen Kreativität und Motivation.

  • Die Endnutzer/-innen entscheiden, in Abhängigkeit von ihrem Budget, wie hoch oder niedrig die Kosten für die erforderliche Ausstattung sind (zum Beispiel VR-Brillen für unter 10 Euro oder bis zu 1000 Euro). Die Kameras können sich wahrscheinlich nicht viele Jugendliche leisten, aber Organisationen können durchaus 500 Euro investieren.

  • Es ist nicht notwendig, die höchste Qualitätsstufe zu erreichen. Die vollständig-immersive VR ist hauptsächlich für den Bereich des Science-Fiction Genre gedacht. Die semi-immersive VR ist machbar, jedoch ausschließlich mit sperrigen VR-Brillen und nur für kurze Dauer. Eine sinnvolle Herangehensweise ist daher die Niedrigpreisvariante, die (mit oder ohne VR-Brillen) zwischen der semi-immersiven und der nicht-immersiven VR liegt.

  • Wie bei der Jugendarbeit und non-formalen Bildung üblich, steht mehr der Prozess als das Endergebnis im Vordergrund. Das Wichtigste ist, Jugendliche für die Aktivität zu begeistern und sie miteinzubinden.

Momentum World hat mit der Filmproduktion und den digitalen Medien schon immer in lokalen als auch in internationalen Projekten gearbeitet. Insbesondere junge Leute mit weniger Chancen, die oftmals schlechteren Zugang zur formalen Bildung haben oder davon ausgeschlossen sind, können auf diese Weise begeistert und eingebunden werden. In der Jugendarbeit und bei Fortbildungen von Fachkräften der Jugendarbeit testen wir seit 2018 die Verwendung von VR. Wir haben bereits einige Pilotprojekte durchgeführt und Material produziert, das vielleicht noch nicht perfekt ist, aber schon das Potenzial dieses Ansatzes aufzeigt. Wir erheben für uns nicht den Anspruch, Expert(inn)en im digitalen Bereich zu sein, aber sehen uns als Wegbereiter/-innen bei der Umsetzung dieser Technologie und deren Anpassung an die Belange der non-formale Bildung.

Weitere Informationen

Dieser Text stammt aus dem IJAB journal 2/2020. Das IJAB journal kann als PDF heruntergeladen oder als Printausgabe kostenfrei bestellt oder abonniert werden.

Quelle: Andrew Hadley, Momentum World für IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. vom 19.02.2021

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