Rechtliche Stellungnahme

Partnerschaftlichkeit in der Kinder- und Jugendhilfe

Infolge der pandemiebedingten Herausforderungen gab es bundesweit unterschiedliche Versuche von öffentlichen Trägern der Jugendhilfe, einen kurzfristigen, veränderten Mitteleinsatz der freien Jugendhilfe sicherzustellen. Im Auftrag des Fachverband Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit Brandenburg und der BAG Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen zieht Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Schlüter klare Linien für das partnerschaftliche Verhältnis zwischen öffentlichen und freien Träger.

23.03.2021

Die gut gemeinten Absichten zur Sicherstellung der sozialen Infrastruktur während des Lockdowns offenbarten, auf Basis welcher Haltung öffentliche Verwaltungen gegenüber freien Trägern agieren und zugleich, wie bedarfsgerecht die Jugendhilfeplanung zuvor durchgeführt und umgesetzt wurde. Überlegungen einzelner Gebietskörperschaften zur Nachrangigkeit von bestimmten Arbeitsfeldern im Kanon des SGB VIII haben den Fachverband Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit Brandenburg in Kooperation mit der BAG Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen veranlasst, rechtliche und fachliche Impulse für die gelingende Zusammenarbeit innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe zu geben.

In seiner rechtlichen Stellungnahme macht Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Schlüter unter anderem auf folgende Grundprinzipien aufmerksam:

  • Kinder- und Jugendarbeit (und Jugendsozialarbeit) sind pflichtige Sozialleistungen, die trotz einer objektiv rechtlichen Verpflichtung nicht der Beliebigkeit öffentlicher Haushalte unterliegen. Nur eine transparente, beteiligungsorientierte und öffentlich ausgehandelte Jugendhilfe- und Jugendförderplanung kann die besonderen Bedürfnisse von jungen Menschen nachvollziehbar machen und eine bedarfsgerechte Infrastruktur entwickeln.
  • Freie Träger sind keine Auftragnehmer der öffentlichen Jugendhilfe. Sie sind gleichberechtigte Partner, deren Handeln durch eigene Wertevorstellungen und konzeptionelle Überlegungen geprägt ist. Der öffentliche Träger darf durch sein Handeln nicht in diese verfassungsrechtlich geschützte Autonomie eingreifen.
  • Subsidiarität ist ein hohes Gut, das die besondere demokratische Verfasstheit der Kinder- und Jugendhilfe kennzeichnet. Öffentliche Träger sollen geeignete Rahmenbedingungen herstellen, in denen freie Träger in den für sie relevanten Arbeitsfeldern tätig werden können.
  • Die Förderung nach § 74 SGB VIII berücksichtigt in besonderer Weise das Subsidiaritätsprinzip. Es ist jedoch nicht mit wirtschaftlicher Subvention gleichzusetzen. Die Förderung begünstigt nicht nur die Tätigkeit der freien Jugendhilfe, sie sichert im Rahmen der Jugendhilfeplanung echte Sozialleistungsansprüche von Bürger(inne)n sowie Einwohner(inne)n gegenüber dem Staat. In der Ausgestaltung der finanziellen Förderung ist auf eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung der Maßnahmeträger zu achten. Die öffentlichen Träger müssen die Stabilität der Jugendhilfeinfrastruktur – und damit auch der Angebote nach §§ 11 bis 14 SGB VIII – gewährleisten.
  • Abweichungen von gesetzlichen Aufgaben und Verfahren sind nur aufgrund eines Gesetzes möglich. Auch die Änderung von Leistungsverträgen und Förderbescheiden bedarf einer rechtmäßigen Grundlage, die nicht einseitig vom Kostenträger erzwungen werden kann. Einvernehmliche Absprachen zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem freien Träger spiegeln eine partnerschaftliche Zusammenarbeit wider.

Fachliche Impulse

Ausgehend von der rechtlichen Einschätzung bieten die beiden auftraggebenden Verbände fachliche Impulse für eine gelingende Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe und damit zugleich für eine Stärkung der objektivrechtlichen Leistungsbereiche im SGB VIII:

  1. Das Wohl und die Bedürfnisse von jungen Menschen müsse im Mittelpunkt aller strategischen Überlegungen stehen.
  2. Die Länder sollen von ihrer Möglichkeit der Präzisierung der Leistungsbereiche Gebrauch machen.
  3. Den Mitgliedern von Jugendhilfeausschüssen sind in Würdigung ihrer besondere Rolle und Verantwortung im Rahmen der Jugendhilfeplanung geeignete Qualifizierungsangebote zu unterbreiten.
  4. Lobbyarbeit ist originärer Auftrag der Sozialen Arbeit. Interessenvertretungen sollen als Teil der fachpolitischen Debatte gefördert werden.

Weitere Informationen

Die vollständige rechtliche Stellungnahme sowie die beiliegende Kommentierung der beiden Verbände ist beim Fachverband Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit Brandenburg abrufbar.

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