Kinder- und Jugendarbeit

Living Diversity in Germany and Israel: Projektförderung ausgelaufen – Erkenntnisse leben weiter

Das Projekt „Living Diversity in Germany and Israel – Challenges and Perspectives for Education and Youth Exchange” wurde von 2015 bis 2019 von ConAct – Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch und der Israel Youth Exchange Authority umgesetzt. Nach 24 Veranstaltungen mit annähernd 1.000 Multiplikator(inn)en und der Erarbeitung von drei Fachpublikationen haben die Projektpartner Bilanz gezogen.

26.02.2020

Freiheit, Selbstbestimmung und ohne Angst verschieden sein zu können – darum geht es im Kampf um diversitätsbewusstere Gesellschaften in Deutschland und Israel. Freilich ist dies nicht immer ein Zuckerschlecken. Konflikte und Reibungen bleiben nicht aus, und doch lohnt es sich, dafür einzustehen. Die vergangenen Jahre im Projekt haben gezeigt, dass es in dieser Auseinandersetzung viele verbindende Themen zwischen Deutschland und Israel gibt. So sind beide Länder Einwanderungsgesellschaften, was mit einer Vielfalt von Erinnerungskulturen und historischen Narrativen einhergeht. Die Beschäftigung damit hat das seit jeher wichtige Thema des Umgangs mit Geschichte in beiden Ländern auf eine qualitativ neue Stufe gehoben. Auch Themen wie der interreligiöse Dialog oder die Beschäftigung mit vielfältigen geschlechtlichen Identitäten stießen bei Teilnehmenden aus beiden Ländern auf großes Interesse.

Persönliche und kollektive Identitäten

Gleichzeitig gab es unterschiedliche Tendenzen zu beobachten: Während in Deutschland überwiegend die persönliche Identität im Mittelpunkt des Interesses und der Selbstdefinition stand, wurden in Israel häufiger die Zugehörigkeiten zu kollektiven Identitäten betont. Israelische Teilnehmende wollten mit viel Neugier mehr über die Einwanderungsgesellschaft Deutschland, Ost-West-Geschichten sowie gegenwärtige Erscheinungsformen von Antisemitismus erfahren. Die Gäste aus Deutschland interessierten sich in Israel für die um gleichwertige Anerkennung kämpfenden Gruppen äthiopischer und orientalischer Jüdinnen und Juden, Geflüchteter aus Eritrea und Sudan oder die Lebensrealität der palästinensischen Minderheit in der jüdischen Mehrheitsgesellschaft. Immer wieder wurden in der Haltung zum Thema Migration Unterschiede deutlich, und jeder dieser Anlässe bot eine Chance, sich auszutauschen und die andere Person hinterher ein bisschen besser zu verstehen.

Fazit nach vier Jahren intensiver Arbeit

Wo stehen wir heute nach 24 Veranstaltungen mit annähernd 1.000 Multiplikator(inn)en und der Erarbeitung von drei Fachpublikationen?

Durch das im Rahmen des Projekts geknüpfte deutsch-israelische Bildungsnetzwerk von Organisationen und Fachkräften ist es gelungen, das Bewusstsein für demokratische Werte in der Jugendarbeit und in Austauschprojekten aktiv zu stärken. Im Fokus stand dabei zum einen die Schärfung des Blicks für die bestehende Vielfalt in beiden Ländern – in Bezug auf die kulturelle, religiöse und sexuelle Orientierung, ethnische und soziale Zugehörigkeit sowie physische und mentale Fähigkeiten. Andererseits wurden die bereits seit Jahrzehnten bestehenden Kooperationen im Feld deutsch-israelischer Austausch- und Jugendarbeit gestärkt, um sich den geteilten Herausforderungen für das Zusammenleben in unseren vielfältigen Gesellschaften stellen zu können.

Gerade vor dem Hintergrund der komplexen und schwierigen Geschichte von Nationalsozialismus und Shoah war es ein geteiltes Anliegen in beiden Ländern, sich Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und anderen Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung entschieden entgegenzustellen. Durch zahlreiche Weiterbildungsangebote – Seminare, Trainings, Konferenzen – bot das Projekt daher in den vergangenen vier Jahren Fachkräften die Gelegenheit, ihre persönlichen Kompetenzen auszubauen und Bildungsstrategien weiterzuentwickeln, die ein gleichberechtigtes Zusammenleben in vielfältigen Gesellschaften ermöglichen.

Aus der Praxisperspektive des Fachkräfte- und Jugendaustauschs zeigte sich, dass das Thema auf ein breites Interesse stieß und der Bedarf an Weiterbildungsangeboten und pädagogischen Materialien zum Umgang mit Vielfalt groß war und weiterhin ist. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass die Interessenschwerpunkte aufgrund der Breite des Themenspektrums sehr verschieden sind – während für die einen der Umgang mit geschlechtsbezogener Diversität wichtig war, suchten andere Fachkräfte vielfältige Zugänge zum pädagogischen Umgang mit Antisemitismus oder Werkzeuge für den interreligiösen Dialog. Eine große Herausforderung ist in diesem Zusammenhang, dass viele Ansätze diversitätsbewusster Bildungsarbeit besonders voraussetzungsvoll sind und gleichzeitig dass Vorwissen der Fachkräfte zu den verschiedenen Spezialthemen stark variiert. In der Entwicklung von Weiterbildungsangeboten und pädagogischen Materialien haben wir dies immer wieder berücksichtigt, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Wissensständen der Fachkräfte und Jugendlichen im Austausch gerecht werden zu können.

Begegnungen junger Menschen in Migrationsgesellschaften

Die Setzung von Themenschwerpunkten hat sich im Verlauf des Projekts als notwendiger und hilfreicher Schritt erwiesen, um den fachlichen Diskurs vertiefen und weiterentwickeln zu können. In den Jahren 2018 und 2019 haben wir deshalb beleuchtet, was es bedeutet, deutsch-israelischen Jugendaustausch als Begegnungen junger Menschen in Migrationsgesellschaften zu verstehen. Die Einbindung neuer Zielgruppen von jungen Menschen mit Migrationsgeschichten hat es in drei Kooperationsprojekten ermöglicht, neue Stimmen und bisher kaum gehörte Narrative in den Austausch einzubringen. So konnten nicht nur neue pädagogische Zugänge zum Umgang mit der Geschichte beider Länder erprobt, sondern auch Gemeinsamkeiten und Verbindungen jenseits der üblichen historischen Trennlinien zwischen „Deutschen“ und „Israelis“ entdeckt werden.

In der Gesamtschau erweist sich die Beschäftigung mit der Vielfalt beider Länder als großer Schatz und Lernraum, um unsere Gesellschaften in Deutschland und Israel auf eine umfangreichere, tiefere Weise betrachten und verstehen zu können. Dadurch wird es möglich, Phänomene von Ausgrenzung und Diskriminierung besser zu erkennen und das Miteinander mit neuen Ansätzen zu gestalten. Die Potentiale, die sich dadurch bieten, sind noch nicht ansatzweise ausgeschöpft. Die gewonnenen Erkenntnisse und die erarbeiteten Materialien werden deshalb auch weiterhin in die Arbeit von ConAct und der Israel Youth Exchange Authority einfließen – als Haltung und Querschnittsaufgabe. Unterdessen trägt die Arbeit des Projekts im Feld des deutsch-israelischen Jugendaustauschs mehr und mehr Früchte: Viele Austauschprojekte mit jungen Menschen oder Fachkräften greifen die Themen auf und nutzen verstärkt diversitätsbewusste Methoden zur Gestaltung ihrer Bildungs- und Austauscharbeit.

Weitere Informationen zum Projekt sowie Fachpublikationen finden sich auf der Webseite von ConAct.

Back to Top